Koalition knabbert an eigener MVZ-Beschränkung

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Wer soll künftig MVZ gründen dürfen? Aktiengesellschaften nicht mehr, meint die Regierung und plant die Beschränkung im Versorgungsgesetz zu verankern. Doch ist das verfassungskonform? Manche Experten hegen große Zweifel - das hinterlässt Spuren bei der Regierung.

Von Anno Fricke

BERLIN. Die Stellung der Medizinischen Versorgungszentren im Versorgungsstrukturgesetz scheint noch offen zu sein.

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Er sehe "keinen Konsens" in der Koalition über die offenen Fragen, sagte der ehemalige Abteilungsleiter im Gesundheitsministerium Franz Knieps bei den 12. Berliner Gesundheitsgesprächen.

Eine offene Frage ist die Gründungsberechtigung. Der aktuelle Entwurf des Gesetzes, den das Parlament derzeit berät, schränkt den Kreis der Gründungsberechtigten ein. Aktiengesellschaften sollen künftig nicht mehr dazu gehören.

Verfassungsrechtliche Bedenken wegen Beschränkung

Diese Beschränkung könnte noch fallen. Bei den Koalitionären hätten vor allem die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Ausschluss von Aktiengesellschaften als mögliche MVZ-Gründer "Spuren hinterlassen", sagte Knieps .

Der Verfassungsrechtler Professor Rupert Scholz sieht darin einen Verstoß gegen Paragraf 12 des Grundgesetzes, der die Freiheit der Berufsausübung regelt.

Kapitalgeber basteln an Strategien

Schon jetzt gibt es Hinweise auf Strategien von Kapitalgebern, den Ausschluss zu umgehen.

Die vorgesehenen Regelungen bedeuteten eine faktische Privilegierung der Krankenhäuser, weswegen die Vertreter von Investoren bereits ausgeschwärmt seien, um Krankenhäuser zu kaufen, auf deren Ticket sie dann MVZ gründen könnten, berichtete Knieps, der heute für Partner Wiese Consult in Berlin tätig ist.

Fachanwalt sieht Widersprüche in der Haltung der Regierung

Auf Widersprüche in der Haltung der Regierung wies der Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Peter Wigge aus Münster hin.

In ihrer Antwort auf eine Anfrage der SPD-Fraktion vom Oktober 2010 schrieb die Regierung, es gebe keine konkreten Erkenntnisse dazu, dass in MVZ angestellte Ärzte in ihren medizinischen Entscheidungen eingeschränkt seien.

Im Gesetzentwurf begründe sie den Ausschluss der Aktiengesellschaften aber mit der Gefahr, dass medizinische Entscheidungen von Kapitalinteressen beeinflusst würden.

Noch viele Fragen offen

Der Bestandsschutz für MVZ werfe Fragen auf, sagte Wigge. So sei nicht geklärt, ob MVZ mit Bestandsschutz weitere Fachrichtungen aufnehmen dürften.

Auch ob es einen Zusammenschluss von Trägergesellschaften mit Bestandsschutz geben dürfe und ob diese Trägergesellschaften am Strukturwandel teilnehmen dürften sei bislang nicht klar.

Wigge warnt vor Monopolisierung

Nicht eingeschränkt sind weiterhin die gemeinnützigen Träger, die nichtärztliche Dialyseleistungen erbringen. Davon sind niedergelassene Ärzte betroffen.

Die Konkurrenzsituation gegenüber niedergelassenen Nephrologen mit Dialyseauftrag habe sich zunehmend verschärft, weil gemeinnützige Trägerorganisationen bundesweit freiwerdende Vertragsarztsitze aufkauften und Sonderzulassungen beantragten, erklärte Wigge.

Er warnte vor einer Monopolisierung dieses Sektors. Der Versorgungsauftrag bei der Dialyse sei nicht an den Vertragsarzt, sondern an den Träger gebunden. Das schaffe eine marktstarke Position.

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