Gesundheitsreform ein Fall für Karlsruhe?
Neuer Ärger für Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Ausgerechnet ihm als Liberalen werfen Rechtswissenschaftler vor, mit dem Versorgungsgesetz die Berufsfreiheit einschränken zu wollen - immerhin ein Verstoß gegen das Grundgesetz.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Freiheit der Berufsausübung genießt in Deutschland Verfassungsrang. Da ist es folgerichtig, dass sich Juristen Gedanken dazu machen, wenn in einem Gesetz die Berufsfreiheit eingeschränkt wird.
Das nämlich geschieht laut Auffassung von Rechtswissenschaftlern im Versorgungsstrukturgesetz. Auch das Recht der Europäischen Union könnte verletzt sein.
Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sollen laut dem geänderten Paragrafen 95 nur noch Vertragsärzte, Krankenhäuser und eventuell gemeinnützige Einrichtungen gründen dürfen. Bisher durften MVZ auch als Aktiengesellschaft gegründet werden. Das aber soll künftig verboten sein.
Keine Auswirkung der Rechtsform auf die Qualität
Der Verfassungsrechtler Professor Rupert Scholz hat im Auftrag des Bundesverbands Medizinische Versorgungszentren ein Gutachten erstellt, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt.
Darin weist er darauf hin, dass das MVZ-Gründungsverbot für Aktiengesellschaften sowohl verfassungswidrig als auch europarechtswidrig wären.
Grund sei, dass die Regierung selbst in einer kleinen Anfrage verneint habe, dass es Erkenntnisse darüber gebe, dass sich die Rechtsform eines MVZ auf die Arbeitsweise und den Behandlungserfolg auswirke.
Ungeeignete Gesetzesbegründung
Dass sich die Rechtsform auf die Qualität der Versorgung auswirke oder gar die Therapiefreiheit der angestellten Ärzte einschränke, habe die Regierung ebenfalls nicht ausgedrückt.
Deshalb, so Scholz, sei die Begründung ungeeignet, die Gründungsbeschränkungen dienten der Sicherung der ärztlichen Unabhängigkeit.
Zu diesem Ergebnis ist unabhängig davon auch der Deutsche Anwaltsverein gekommen.
Vergleich zwischen MVZ und Kliniken
In dessen Stellungnahme zum Versorgungsstrukturgesetz heißt es: "Die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen insbesondere von wirtschaftlichen Interessen ist ein Anliegen, das durch regulatorische Anforderungen an Unternehmens- und Betriebsformen von ärztlichen Einrichtungen wohl kaum gelöst werden kann".
Und weiter: Auch in Krankenhäusern börsennotierter Aktiengesellschaften würden von angestellten Medizinern ärztliche Entscheidungen getroffen.
Hierin sehe der Gesetzgeber offensichtlich keine Gefahr. Sonst müsste auch der Betrieb von börsennotierten Krankenhäusern ähnlich beschränkt werden.
Kritik wird offenbar erst genommen
Da - auch börsennotierte - Krankenhäuser künftig MVZ gründen dürften, bestehe sogar die Gefahr, dass es zu einer Alleinstellung von Krankenhauskonzernen als Betreiber von MVZ kommen könne.
Das Gesundheitsministerium nahm zu den Gutachten und Stellungnahmen, die dort seit Ende Juni vorliegen sollen, vor Redaktionsschluss keine Stellung. Inhaltlich würden die Kritikpunkte durchaus ernst genommen, war zu dem Thema inoffiziell zu hören.
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