Sterbehilfe-Gesetz

Koalition will Fraktionszwang aufheben

Bei manchen Themen scheiden sich die Geister - die Sterbehilfe dürfte sicherlich dazu gehören. Deswegen sollen die Abgeordneten mit ihrem Gewissen abstimmen dürfen.

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Auch ohne Fraktionszwang: Abstimmung über das PID-Gesetz im Jahr 2011.

Auch ohne Fraktionszwang: Abstimmung über das PID-Gesetz im Jahr 2011.

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BERLIN. In der Debatte um ein Sterbehilfe-Gesetz zeichnet sich die Aufhebung der sogenannten Fraktionsdisziplin im Deutschen Bundestag ab. Innerhalb der großen Koalition bestehe in dieser Frage bereits Einigkeit, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) in ihrer Montagsausgabe (20. Januar) unter Berufung auf ihr vorliegende Informationen. Entsprechende Andeutungen hatte das Bundesgesundheitsministerium bereits Anfang dieses Jahres gemacht.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sagte der FAZ, zwischen ihm und Justizminister Heiko Maas (SPD) gebe es "keinen Dissens", den Fraktionszwang aufzuheben. "Wir sind gemeinsam der Überzeugung, dass dieses existenzielle Thema im Parlament breit diskutiert und entschieden werden soll", sagte Gröhe.

Maas hatte sich vor gut einer Woche dafür ausgesprochen, das geplante Gesetz über Fraktionsgrenzen hinweg zu erarbeiten. Maas hatte sich vor einigen Jahren für die Möglichkeit der Sterbehilfe "in engen Grenzen" ausgesprochen.

Gesundheitsminister Gröhe hingegen will sämtliche Formen der geschäftsmäßigen Sterbehilfe verbieten. Dazu würden auch unentgeltliche Angebote etwa von Sterbehilfe-Vereinen zählen. Der Minister lehnt außerdem den ärztlich assistierten Suizid ab, wie ihn bereits die Musterberufsordnung (MBO) für Ärzte verbietet.

Ohne Fraktionszwang können die 631 Abgeordneten bei der Abstimmung über das geplante Gesetz zur Sterbehilfe frei nach ihrem Gewissen entscheiden. Zuletzt wurde so im Sommer 2011 bei dem Gesetz über die Präimplantationsdiagnostik (PID) verfahren. Normalerweise legen die Fraktionen ein gemeinsames Abstimmungsverhalten für ihre Abgeordneten fest.

Gesundheitsminister Gröhe nannte das Thema Sterbehilfe "bedrängend", weil es existenzielle Fragen berühre. "Jeder Abgeordnete wird hier dem eigenen Gewissen folgen", sagte er der FAZ. Nach seiner Vorstellung könnte ein Sterbehilfe-Gesetz noch in diesem Jahr verabschiedet werden. (nös)

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Kommentare
Lutz Barth 21.01.201408:16 Uhr

Ethische Nebelbomben werden gezündet!

Mit Verlaub: Der Kommentar von Dr. Schätzler erfordert mal wieder eine Stellungnahme. Es geht nicht um das "Abdecken" von schwersterkrankten oder sterbenden Menschen und auch in einem Kommentar zur Sterbehilfedebatte sollte ein Jeder bemüht sein, zumindest sachlich zu argumentieren, auch wenn es angesichts der Problematik schwer fällt.

Es bestürzt mich persönlich, mit welcher Laxheit gestandene Ärzte über ein Thema reden, dass gegenwärtig Hochkonjunktur hat. Es geht auch nicht darum, wer im Diskurs die Meinungsführerschaft zu reklamieren beabsichtigt und noch weniger kommt es darauf an, Juristen eine "pseudojuristische Argumentation" vorzuwerfen.

Wir diskutieren über handfeste Verfassungsdogmatik und sofern Ärzte mit diesem Fachgebiet sich überfordert sehen, ist dies durchaus nachvollziehbar. Allerdings sollten wir uns nicht der Illusion hingeben, dass die "Arztethik" den Grundrechtsschutz verdrängt. Das BVerfG hat hierzu deutliche Worte mit Blick auf die Normsetzungsbefugnis der ärztlichen Selbstverwaltungskörperschaften gefunden und es wird auch den ethischen Überzeugungstätern nicht gelingen, sich hierüber schlicht hinwegzusetzen.

Anderenorts habe ich bereits darauf hingewiesen, dass Einzelschicksale durchaus tragisch sind. Hieraus aber gleichsam den Schluss ziehen zu wollen, als wisse man, worüber man/frau redet, dürfte jedenfalls in der wissenschaftlichen Debatte nicht akzeptabel sein.

Nun liegt es mir persönlich fern, "Werbung" in eigener Sache machen zu wollen. Aber es lohnt sich durchaus ein Blick in die Literaturverzeichnisse mancher wissenschaftlicher Publikationen, um so zur Erkenntnis gelangen zu können, dass nahezu alles in der Debatte gesagt sei.

"Pseudojuristische Argumentationsketten" vermag ich dort nicht zu erkennen und es wäre hilfreich, dass die derzeit führenden Diskutanten in einer stillen Stunde sich einem Literaturstudium widmen, bevor sie "urteilen".

Ärztinnen und Ärzte werden jedenfalls nicht zu "Abdeckern" degradiert und ich finde es ehrlich gesagt auch ungehörig, dieses Juristen oder aber auch ärztlichen Kolleginnen oder Kollegen indirekt unterstellen zu wollen, die da eine andere ethische Grundentscheidung getroffen haben.

Dr. Thomas Georg Schätzler 21.01.201400:28 Uhr

Hoffnung? - Hoffnung!

Hoffentlich nutzen die Abgeordneten mit der Aufhebung der sogenannten Fraktionsdisziplin im Deutschen Bundestag die Möglichkeiten, auf die ärztlich-ethischen Dimensionen, die Gratwanderungen zwischen "Tötung auf Verlangen" (§216 StGB), aktiver und passiver Sterbehilfe bzw. ärztlich assistiertem Suizid nicht nur mit Worten, sondern auch mit Substanz und politischem Handeln einzugehen. Wenn es ums tätige Tun von Ärzten/-innen geht, stehen die meisten Bundestagsabgeordneten wohl eher im Abseits.

Wir erleben als Ärzte in Klinik und Praxis in einigen Fachbereichen fast täglich Menschen, die nicht mehr leben wollen und können, die sich selbst (und manchmal auch anderen) den Tod wünschen. Wir können und dürfen die nicht alle in den Tod schicken, weil die meisten entweder froh und glücklich sind, wenn wir ihnen therapeutisch helfen können. Oder erleichtert darüber, dass wir offen über palliative Maßnahmen und Möglichkeiten sprechen. Wir Ärztinnen und Ärzte wollen nämlich nicht mit pseudo-juristischen Argumenten zu "Abdeckern" degradiert werden.

Meine ganz persönliche Meinung: Das wie auch immer geartete "Geschäft" mit der organisierten Sterbehilfe, aber auch das private "Helfer-Syndrom" z. B. eines selbsternannten "Sterbehelfers" Peter Puppe im Beitrag von "Report Mainz" am 14. Januar 2014 ("wenn Sie wüßten, was ich alles studiert habe...nach 8 Jahren täglichem, vielfältigem Eigenstudium") sind keineswegs nur altruistisch-selbst-aufopfernd sondern immer auch ein Stück weit überheblich-selbstüberschätzend-anmaßend. Vgl.
http://www.aerztezeitung.de/panorama/?sid=853241

In dem man alleine vorgibt zu wissen, was für Sterbende gut und richtig ist, dass die eigentlich medizinischen Experten ignorant, verleugnend und unwissend sind, möchte man für sich selbst auch einen gewissen taktischen Vorteil herausarbeiten. Der z. B. darin bestünde, dass man damit alle vorherigen ärztlichen Bemühungen ad absurdum führen bzw. bei verzweifelt terminal Kranken o h n e Familienangehörige relativ (selbst-)kritiklos oder auch zum eigenen Vorteil verfahren könnte.

Warum ich mir da so sicher bin?
1. Ich hatte im Jahr 2000 ein hochmalignes Non-Hodgkin-Lymphom Stadium IVa mit Hochdosis-Chemotherapie, autologer Stammzellübertragung, im Leukozyten-Nadir zweimal akut lebensbedrohliche Zustände und eine fulminante i. v. Zytostatikum-Allergie.
2. Ein Rezidiv 2007 mit retroperitonealer Lymphom-OP, Chemotherapie und Rituximab-Therapie.
3. Seit dieser Zeit habe ich vor dem Tod keine wirkliche Angst mehr - da war ich schon zu oft zu nah dran.
4. Seit dieser Zeit lebe, arbeite genieße und schreibe ich täglich so intensiv und bin mit mir selbst im Reinen wie nie zuvor. Aber mir kann auch niemand mehr etwas vormachen.
5. Seitdem merke ich auch s o f o r t, ob jemand nur irgendwie interessegeleitet daherredet, drum herumredet oder perseverierend schwafelt.
6. In Diskussionen finde ich s o f o r t heraus, ob jemand eine andere, gegensätzliche Position wirklich inhaltlich und genau gelesen, verstanden und reflektiert hat.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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