Koalition will GKV-Sparschwein schlachten

Erst Rückerstattungen, jetzt der Steuerzuschuss: Die Koalition will den Kassen an den üppigen Geldbeutel. Die gehen auf die Barrikaden und warnen: "Damit werden Leistungen infrage gestellt!"

Veröffentlicht:
Krankenkassen haben nicht immer die besten Karten.

Krankenkassen haben nicht immer die besten Karten.

© Angelika Warmuth / dpa

BERLIN (red). Angesichts hoher Überschüsse im Gesundheitsfonds wird in Regierung und Koalition Berichten zufolge eine Kürzung des Zuschusses von 14 Milliarden Euro erwogen.

Wie die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) berichtet, denken die Experten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zumindest über eine einmalige Kürzung um insgesamt zwei Milliarden Euro im Jahr 2013 nach.

Derzeit beträgt der Steuerzuschuss 14 Milliarden Euro. Nach Informationen der "Rheinischen Post" denken Schäubles Fachleute sogar an eine Größenordnung "von bis zu vier Milliarden Euro".

Eingespart werden könnte diese Summe über einen Nachtragshaushalt, der ohnehin für die zusätzlichen Kreditgarantien des europäischen Stabilisierungsmechanismus notwendig werde.

Damit solle das Geld zurück erstattet werden, das der Bund an den Gesundheitsfonds gezahlt habe.

BMF: Kein Kommentar, BMG: Dementi

Der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle sprach sich in der "SZ" für einen dauerhaft abgesenkten Zuschuss aus. "Es ist nicht sinnvoll, wenn der Fonds über deutlich mehr Reserven als gesetzlich erforderlich verfügt und diese über eine höhere Neuverschuldung des Bundes finanziert werden", sagte er dem Blatt.

Angesichts der nationalen und europäischen Schuldenbremsen müsse die Koalition sehr genau prüfen, ob Einsparungen des Bundes beim Zuschuss zum Gesundheitsfonds möglich seien.

Das Bundesfinanzministerium (BMF) ließ diese Berichte am Dienstag unkommentiert. Derzeit würden Eckdaten für den Bundeshaushalt 2013 erarbeitet, sagte ein Sprecher.

Ende März werde das Bundeskabinett über den Haushaltsentwurf entscheiden. Einzelne Ausgabenposten wolle das BMF nicht kommentieren, hieß es.

Im Bundesgesundheitsministerium (BMG) und beim GKV-Spitzenverband stießen die Pläne auf Kritik. Der Steuerzuschuss sei vorgesehen, um etwa die beitragsfreie Familienversicherung zu finanzieren, sagte eine BMG-Sprecherin.

Kritik an der Kritik

Bislang gebe es zum GKV-Steuerzuschuss einen breiten politischen Konsens. Wer hier kürzen wolle, "der stellt auch die versicherungsfremden Leistungen in Frage", so die Sprecherin.

Der GKV-Spitzenverband warnte, die aktuell gute Finanzsituation der Kassen dürfe nicht genutzt werden, um einen Rückzieher bei der Finanzierungszusage über Steuern zu machen.

Unterdessen bekräftigte Bundesgesundheitsminister Bahr, wesentlich mehr als die gegenwärtig sieben Kassen könnten eine Prämie ausschütten.

Bahr beklagte, er werde kritisiert, weil er Vorschläge mache, "wie man das Geld besser oder für die Patienten verwenden könnte".

Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) präsentierte eine Wunschliste für die Verwendung der Überschüsse: So solle etwa die Praxisgebühr abgeschafft und der Basisfallwert der Kliniken vereinheitlicht werden.

Mitarbeit: sun/iss/chb/fst/di/nös

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 15.02.201211:51 Uhr

Korrektur!

Der 2. Absatz macht den Bundestagsabgeordneten Jens Spahn (CDU) irrtümlich fast zum Minister. Es muss richtig heißen:

"Amtsnachfolger Daniel Bahr (FDP) schloss vor gut 14 Tagen GKV-Beitragssenkungen kategorisch aus. Und der gesundheitspolitische Experte der CDU will in seinem aktuellen Newsletter
gesundheit=jensspahn.de@mail48.us1.mcsv.net
eine behauptete Krankenkassen-Finanzschwemme an die Versicherten ausgezahlt wissen, die sich allerdings nur auf gut 10 Prozent der 70 Millionen Versicherten in Deutschland bezieht. Verschwiegen werden Milliarden-Überschüsse im Gesundheitsfonds, die n i c h t für GKV-Beitragsentlastungen verwendet, sondern gehortet und versteckt werden."

Dr. Thomas Georg Schätzler 14.02.201218:16 Uhr

Krampfhaft krank oder unglaublich gesund?

Es ist die Höhe! Erst wurde der Gesundheitsfonds ab 2009 krampfhaft krankgebetet. Ein virtueller GKV-Schuldenberg wurde vom Kollegen Dr. med. Philipp Rösler fehldiagnostiziert. Als Ex-Bundesgesundheitsminister erfand er ohne jeden Beleg ein GKV-Defizit von 11 Milliarden Euro, das er kleinlaut herunterrechnen musste. Am 8.11.2010 malte er im WDR noch ein mehrfaches Milliardendefizit als Menetekel an die Wand. Um am 12.11.2010 sein "alternativloses" GKV-FinG (GKV-Finanzierungsgesetz) im Deutschen Bundestag mit der CDU/CSU/FDP Mehrheit durchzudrücken.

Amtsnachfolger Daniel Bahr schloss vor gut 14 Tagen GKV-Beitragssenkungen kategorisch aus. In seinem heutigen Newsletter
gesundheit=jensspahn.de@mail48.us1.mcsv.net
will er eine behauptete Krankenkassen-Finanzschwemme an die Versicherten ausgezahlt wissen, die sich allerdings nur auf gut 10 Prozent der 70 Millionen Versicherten in Deutschland bezieht. Verschwiegen werden Milliarden-Überschüsse im Gesundheitsfonds, die n i c h t für GKV-Beitragsentlastungen verwendet, sondern gehortet und versteckt werden.

Dass jetzt noch der GKV-Bundeszuschuss von aktuell 14 Milliarden Euro um bis zu 4 Mrd. € gekürzt werden soll, ist der Gipfel. Offiziell dient er der "Mitfinanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben" der GKV:
Sozialausgleich bei GKV-Beitragsfreiheit für Kinder und Jugendliche, nichtarbeitende Ehefrauen, geringfügige GKV-Beiträge bei prekären Arbeitsverhältnissen, Minijobs, geringen Rentenbezügen und Hartz-IV-Beziehern. Außerdem bildet der Bundeszuschuss Befreiungen von Praxis- und Verordnungsgebühren, Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen ab. Die GKV bedient zusätzlich die Finanzierung sämtliche Krankheitsfolgen von Alkohol, Tabak und Verkehrsunfällen, ohne einen Cent aus dem dazu gehörigen Steueraufkommen refinanziert zu bekommen.

14 Mrd. € von etwa 180 Mrd. € GKV-Gesamtumsatz sind übrigens nur 7,8 Prozent. Das reicht hinten und vorne nicht für die in der GKV und dem Gesundheitsfonds als Vorleistung erbrachten Solidar-, Transfer- und Subsidiärleistungen. Wie krank sind dann die Kürzungsideen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der damit doch nur seinen maroden Bundeshaushalt gesund stoßen will?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund


Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Suchtmedizin

Evidenzbasierte Strategien gegen Alkoholabhängigkeit

Lesetipps
Eine Ärztin untersucht die Hand eines älteren Patienten in einer Klinik.

© Drazen / stock.adobe.com

ACR-Kongress

Fünf M für eine bessere Versorgung älterer Rheumapatienten