GBA-Gutachten
Kommt der Facharzt für Schmerzmedizin?
Seit Jahren versucht die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) vergeblich, ein Querschnittsfach „Schmerzmedizin“ fachärztlich zu installieren. Jetzt ergeben sich überraschende Perspektiven.
Veröffentlicht:BERLIN. Mehr als 800 Seiten umfasst das „Gutachten zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung“, das der Gemeinsame Bundesausschuss vor einigen Wochen angenommen hat.
Bis Mitte 2019, so will es Gesundheitsminister Jens Spahn, sollen die GBA-Trägerorganisationen daraus eine neue Richtlinie schmieden.
Die Vorstandsmitglieder der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) trauten nach der Lektüre des Mammutwerkes ihren Augen nicht.
„Erstmals soll eine eigenständige fachärztliche Versorgung von Schmerzzuständen in die Bedarfsplanung eingeführt werden“, freute sich DGS-Präsident Dr. Johannes Horlemann, „das hätten wir kaum für möglich gehalten.“
Schmerztherapie: Separate Bedarfsplanung empfohlen
Online-Dossier: Alle Beiträge zum Sachverständigen-Gutachten in der Übersicht
Seit Jahren beklagt die DGS, dass in Deutschland kein Facharzt für Schmerzmedizin existiert. Die Konsequenz: Es gibt keine schmerzmedizinische Bedarfsplanung, weil sich die aktuelle Bedarfsplanung zur vertragsärztlichen Versorgung an den bestehenden Facharztgruppen orientiert.
In dem Gutachten befürworten wissenschaftliche Institute, dass zur Behandlung chronischer Schmerzzustände eine separate Bedarfsplanung von Anästhesiologie und Schmerztherapie zu befürworten ist.
Die Planungsebene der allgemeinen fachärztlichen Versorgung ist somit abgegrenzt von einer spezialisierten fachärztlichen Versorgung, in der die Anästhesie ohne Schmerztherapie dargestellt wird.
„Es scheint in der Politik angekommen zu sein, dass die Bedürfnisse schmerzchronifizierter Patienten andere sind als rein anästhesiologische“, so Horlemann im Gespräch mit der Ärzte Zeitung.
Mit Blick auf die vorhandene Literatur wurden im Gutachten 40 Kernkrankheiten multimorbider Patienten definiert. In diese Krankheitsliste sind nun erstmals Schmerzzustände aufgenommen worden.
„Fachverbände, die seit Jahren dafür sorgen möchten, dass ein Facharzt für Schmerzmedizin verhindert wird, werden von dieser Entwicklung überholt“, stellt Horlemann klar. Jetzt müsse es gelingen, die Interessen der Schmerzpatienten gegen eine „pfründeorganisierte Verbandspolitik“ durchzusetzen.
Noch lange nicht am Ziel
Die lange konkurrierenden großen Schmerzmedizinischen Gesellschaften DGS und DSG (Deutsche Schmerzgesellschaft) waren zuletzt nach Jahren des Konflikts insbesondere mit Blick auf den Facharzt für Schmerzmedizin wieder aufeinander zugegangen.
Am Ziel sieht sich die DGS ohnehin noch lange nicht: „Es bleibt abzuwarten, welche Stolpersteine in den nächsten Jahren auf die Umsetzung dieser gutachterlichen Empfehlungen warten“, sagt Horlemann.
Er setzt seine Hoffnung darauf, dass die DGS einen Bündnispartner bei der Umsetzung des Facharztes hat – und das sei der Gemeinsame Bundesausschuss.
GBA-Chef Josef Hecken stellte auf Anfrage der „Ärzte Zeitung“ klar, dass er während der laufenden Beratungen grundsätzlich nicht zu Interpretationen über das Gutachten bereit ist.