Morbi-RSA-Daten nutzen
Konzept: Weniger COVID-19-Tote durch gezielteres Impfen
Weniger Beatmung und Tote. Die Barmer sucht in ihren Kassendaten nach Effizienzgewinn für die COVID-19-Impfkampagne – und wird fündig. Selbst mit weniger Impfdosen ließe sich danach mehr erreichen.
Veröffentlicht:Berlin. Die Nutzung von Krankenkassendaten kann zu höherer Treffsicherheit bei der Impfpriorisierung und darüber zur Entlastung der Intensivstationen und weniger COVID-19-bedingten Todesfällen führen. Darauf weisen Modellrechnungen des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg) hin.
„Wir gehen davon aus, dass von COVID-19 ausgehende Risiken durch eine gezieltere Impfstrategie verringert werden können“, sagte Barmer-Chef Professor Christoph Straub am Dienstag in Berlin.
Die Untersuchungen des wissenschaftlichen Instituts der Krankenkasse haben ergeben, dass sich mit einer Modifizierung der aktuell geltenden Impfstrategie die COVID-19-Sterblichkeit und die Hospitalisierungen deutlich verringern ließe. Zum Beispiel kann demnach die Zahl der Beatmungen rechnerisch um 25 Prozent sinken.
Nutzen selbst mit weniger Impfdosen
Grund sei, dass eine Feinsteuerung des Impfangebotes mehr Menschen früher erreichen könne, die bei einer COVID-19-Erkrankung aufgrund ihrer Patientengeschichte Gefahr laufen, beatmungspflichtig zu werden.
Tatsächlich wiesen die Untersuchungsergebnisse auch darauf hin, dass sich mit weniger Impfdosen mehr erreichen lasse als mit dem dem Ansatz der Impfverordnung des Gesundheitsministers, berichtete bifg-Geschäftsführer Uwe Repschläger. Darauf aufsetzende Einladungssysteme könnten gezielter als bislang die Menschen mit den höchsten Risiken adressieren. Solange Impfstoff knapp sei, könnten so Effizienzgewinne generiert werden.
Als Kritik an der Impfpolitik wollen die Vertreter der zweitgrößten Einzelkasse Deutschlands ihre Vorschläge nicht verstanden wissen. Tatsächlich hatten auch die Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Ethikrat und die Ständige Impfkommission (STIKO), deren Vorarbeiten die Grundlage der SARS-CoV-2-Impfverordnung bilden, darauf verwiesen, dass während des Impfverlaufs Anpassungen nötig werden könnten, wenn es neue Erkenntnisse gäbe. Die STIKO sprach von einer „living guideline“.
Modell soll als „Open Source“ bereitstehen
Die Impfverordnung nennt aktuell rund 20 Krankheiten, die eine vorgezogene Impfung rechtfertigen. Das Barmer-Modell arbeitet dagegen mit 535 Krankheitsgruppen auf der Basis des Morbi-RSA. Die Analyse zur Impfpriorisierung stützt sich auf die Daten der an COVID-19 erkrankten Versicherten.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte noch im Dezember im Interview mit der „Ärzte Zeitung“ die Idee verworfen, die Chronikerdaten aus dem Morbi-RSA für die Einladungen zu verwenden. „Diese Daten werden ja nicht vollständig zentral erfasst, sondern durch die einzelne Krankenkasse“, sagte Spahn seinerzeit.
Die Barmer wird ihre Modellrechnungen als Open-Source-Angebot allen Kassen und Institutionen zugänglich machen, um die Datenbasis zu verbreitern. Gespräche mit dem GKV-Spitzenverband und mit dem Gesundheitsministerium seien darüber bereits geführt worden, sagte Straub am Dienstag.