Neue Präventionsideen
Fachleute schlagen Corona-Testungen per Fahrdienst vor
Eine Expertengruppe präsentiert in einem neuen Corona-Thesenpapier ein Konzept der „spezifischen Prävention“, das einen Lockdown verhindern soll. Die Ideen umfassen Maßnahmen in Arztpraxen, Pflegeheimen, Geschäften und Freizeiteinrichtungen.
Veröffentlicht:Berlin. Eine Gruppe von Fachleuten schlägt vor, konsequent ein Konzept „spezifischer Prävention“ durchzusetzen. Dazu soll auch gehören, symptomatische Personen aus den Arztpraxen herauszuhalten. Es soll gleichzeitig ältere und gefährdete Bevölkerungsgruppen sowie ärztliches und pflegendes Personal schützen und in gewissem Umfang gesellschaftliches Leben ermöglichen.
Ein solches Konzept könnte sogar verfassungsrechtlich geboten sein, schreiben die Experten um die ehemaligen Gesundheitsweisen Professor Matthias Schrappe und Professor Gerd Glaeske sowie Franz Knieps, Chef des BKK-Dachverbands.
Testen per Fahrdienst
Der Vorschlag kombiniert punktuell bereits eingesetzte Maßnahmen und neue Vorschläge. So sollten in der zweiten Welle der SARS-CoV-2-Pandemie Menschen mit Symptomen durch von den KVen organisierte Fahrdienste getestet werden, um Arztpraxen, Testzentren und den öffentlichen Personen-Nahverkehr zu entlasten. Zudem sollten Angehörige von Risikogruppen Taxischeine für den Besuch von Arztpraxen und wieder zurückerhalten.
Risikogruppen sollten zudem für sie reservierte Öffnungszeiten in Bibliotheken und in Ämtern erhalten. Geschäfte sollten Zeiten mit geringerem Publikumsverkehr ausweisen, in denen ein besseres Einhalten der Abstandsregeln ermöglicht werden kann.
Jüngere Menschen wiederum sollten, den Vorschlägen folgend, sich eingeschränkt in Kinos, Theatern und bei Konzerten treffen dürfen. So sollen die kommunikativen Bedürfnisse von Jugendlichen kanalisiert werden.
Muss der Staat Angebote machen?
Die Fachleute sehen in der aktuellen Situation die Frage aufscheinen, inwieweit aus dem Grundsatz der körperlichen Unversehrtheit eine staatliche Verpflichtung abzuleiten sei, den hinsichtlich ihres Krankheits- und Mortalitätsrisikos besonders von der Epidemie betroffenen Bevölkerungsgruppen zielgruppenorientierte Angebote zu machen.
Speziell für Altenheime fordern sie daher Maßnahmen, um den „Einbruch des Virus in die gefährdeten Gruppen“ zu verhindern und gleichzeitig Abschottung und Isolation durch „Vorfeldmaßnahmen“ zu verhindern. Statt Milliarden FFP2-Masken einzulagern wie derzeit geplant, sollten die Masken in Heimen und Krankenhäusern eingesetzt werden können.
Zudem sollte vermittels vom Staat geregelter regelmäßiger Testungen ein „cordon sanitaire“ um Pflegeheime gezogen werden, auch um generelle Besuchsverbote zu vermeiden.
Krisen-Teams einsetzen
Schulungsteams, besetzt mit Vertretern des ÖGD, Ärzten und psychotherapeutischer Expertise, sollten präventiv in Pflegeheime entsendet werden, um Übungen abzuhalten. Um für den Infektionsfall gerüstet zu sein, sollten alle Heime Kriseninterventions-Teams unterhalten, versehen mit Schutzausrüstung und Testkapazitäten.
Um den Ausfall von Personal im Falle von Infektionen und Quarantänen zu kompensieren, sollte zudem ein übergeordnetes Personalmanagement installiert werden, das im Krisenfall für schnellen Ersatz sorgen könnte. Personalmangel nach Infektionen gilt als Verstärker des Infektionsgeschehens in Heimen.
Die Expertengruppe hat seit April mehrere Thesenpapiere veröffentlicht. Außer den genannten gehören zu den Autoren: Hedwig Francois-Kettner, ehemalige Pflegedienstleiterin der Charité; Dr. Matthias Gruhl, Amtsarzt und ehemals Gesundheitsbehörde Hamburg; Professor Dieter Hart, Jurist, Uni Bremen; Professor Philip Manow, Politikwissenschaftler, Uni Bremen; Professor Holger Pfaff, u. a. Innovationsausschuss; Uni Köln; Professor Klaus Püschel, Rechtsmediziner, UKE Hamburg.