Neue Präventionsideen

Fachleute schlagen Corona-Testungen per Fahrdienst vor

Eine Expertengruppe präsentiert in einem neuen Corona-Thesenpapier ein Konzept der „spezifischen Prävention“, das einen Lockdown verhindern soll. Die Ideen umfassen Maßnahmen in Arztpraxen, Pflegeheimen, Geschäften und Freizeiteinrichtungen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Wider den Lockdown: Ein Pflegeheimbewohner und eine Angehörige unterhalten sich durch eine Fensterscheibe (Achivaufnahme vom Mai 2020). Fachleute schlagen ein Konzept spezifischer Prävention vor.

Wider den Lockdown: Ein Pflegeheimbewohner und eine Angehörige unterhalten sich durch eine Fensterscheibe (Achivaufnahme vom Mai 2020). Fachleute schlagen ein Konzept spezifischer Prävention vor.

© Christophe Gateau / dpa / picture alliance

Berlin. Eine Gruppe von Fachleuten schlägt vor, konsequent ein Konzept „spezifischer Prävention“ durchzusetzen. Dazu soll auch gehören, symptomatische Personen aus den Arztpraxen herauszuhalten. Es soll gleichzeitig ältere und gefährdete Bevölkerungsgruppen sowie ärztliches und pflegendes Personal schützen und in gewissem Umfang gesellschaftliches Leben ermöglichen.

Ein solches Konzept könnte sogar verfassungsrechtlich geboten sein, schreiben die Experten um die ehemaligen Gesundheitsweisen Professor Matthias Schrappe und Professor Gerd Glaeske sowie Franz Knieps, Chef des BKK-Dachverbands.

Testen per Fahrdienst

Der Vorschlag kombiniert punktuell bereits eingesetzte Maßnahmen und neue Vorschläge. So sollten in der zweiten Welle der SARS-CoV-2-Pandemie Menschen mit Symptomen durch von den KVen organisierte Fahrdienste getestet werden, um Arztpraxen, Testzentren und den öffentlichen Personen-Nahverkehr zu entlasten. Zudem sollten Angehörige von Risikogruppen Taxischeine für den Besuch von Arztpraxen und wieder zurückerhalten.

Risikogruppen sollten zudem für sie reservierte Öffnungszeiten in Bibliotheken und in Ämtern erhalten. Geschäfte sollten Zeiten mit geringerem Publikumsverkehr ausweisen, in denen ein besseres Einhalten der Abstandsregeln ermöglicht werden kann.

Jüngere Menschen wiederum sollten, den Vorschlägen folgend, sich eingeschränkt in Kinos, Theatern und bei Konzerten treffen dürfen. So sollen die kommunikativen Bedürfnisse von Jugendlichen kanalisiert werden.

Muss der Staat Angebote machen?

Die Fachleute sehen in der aktuellen Situation die Frage aufscheinen, inwieweit aus dem Grundsatz der körperlichen Unversehrtheit eine staatliche Verpflichtung abzuleiten sei, den hinsichtlich ihres Krankheits- und Mortalitätsrisikos besonders von der Epidemie betroffenen Bevölkerungsgruppen zielgruppenorientierte Angebote zu machen.

Speziell für Altenheime fordern sie daher Maßnahmen, um den „Einbruch des Virus in die gefährdeten Gruppen“ zu verhindern und gleichzeitig Abschottung und Isolation durch „Vorfeldmaßnahmen“ zu verhindern. Statt Milliarden FFP2-Masken einzulagern wie derzeit geplant, sollten die Masken in Heimen und Krankenhäusern eingesetzt werden können.

Zudem sollte vermittels vom Staat geregelter regelmäßiger Testungen ein „cordon sanitaire“ um Pflegeheime gezogen werden, auch um generelle Besuchsverbote zu vermeiden.

Krisen-Teams einsetzen

Schulungsteams, besetzt mit Vertretern des ÖGD, Ärzten und psychotherapeutischer Expertise, sollten präventiv in Pflegeheime entsendet werden, um Übungen abzuhalten. Um für den Infektionsfall gerüstet zu sein, sollten alle Heime Kriseninterventions-Teams unterhalten, versehen mit Schutzausrüstung und Testkapazitäten.

Um den Ausfall von Personal im Falle von Infektionen und Quarantänen zu kompensieren, sollte zudem ein übergeordnetes Personalmanagement installiert werden, das im Krisenfall für schnellen Ersatz sorgen könnte. Personalmangel nach Infektionen gilt als Verstärker des Infektionsgeschehens in Heimen.

Die Expertengruppe hat seit April mehrere Thesenpapiere veröffentlicht. Außer den genannten gehören zu den Autoren: Hedwig Francois-Kettner, ehemalige Pflegedienstleiterin der Charité; Dr. Matthias Gruhl, Amtsarzt und ehemals Gesundheitsbehörde Hamburg; Professor Dieter Hart, Jurist, Uni Bremen; Professor Philip Manow, Politikwissenschaftler, Uni Bremen; Professor Holger Pfaff, u. a. Innovationsausschuss; Uni Köln; Professor Klaus Püschel, Rechtsmediziner, UKE Hamburg.

Lesen sie auch
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Kausaler Zusammenhang gesucht

Werden Jugendliche nach Hirnverletzungen öfter kriminell?

Gute Nachrichten des Jahres 2024

Positiver Jahresrückblick: Impferinnerungen via App

Aufarbeitung

Sachsen setzt Enquete-Kommission zu Corona ein

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025