Wappnen für die Herbstwelle
Lauterbach und Buschmann bessern bei Corona-Plänen nach – ein bisschen
Gesundheitsminister Lauterbach und Justizminister Buschmann haben das neue Infektionsschutzgesetz vorgestellt. Die beiden kommen den Ländern bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie im Herbst in einem heiklen Punkt entgegen. Gelesen ist die Messe aber noch nicht.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Der Bund gibt den Instrumentenkasten zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie weitgehend an die Länder ab. Bundesweit soll es ab 1. Oktober nur noch zwei Regelungen geben: eine Pflicht zum Tragen von FFP-2-Masken im Fern- und Flugverkehr sowie eine Masken- und Testpflicht beim Zutritt zu Krankenhäusern und Pflegeheimen. Der Rest an Schutzmaßnahmen obliegt dem Ermessen der Länder.
Das sehen weitere Änderungen am Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19 vor, die das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat. Die Änderungsanträge werden jetzt als Formulierungshilfe den Fraktionen vorgelegt. Sie bedürfen noch der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat.
Länder sollen zweistufig reagieren können
Die Länder sollen – je nach Infektionslage – in zwei Stufen auf die Pandemieentwicklung vor Ort reagieren können. In der ersten Stufe sind etwa Ausnahmen von einer Maskenpflicht in Innenräumen möglich. Baut sich eine hohe Corona-Welle auf, soll die Maskenpflicht dagegen ausnahmslos greifen. Unabhängig davon sollen Veranstalter von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und eigene Einlassregeln verhängen können. Die neuen Schutzmaßnahmen sollen am 7. April 2023 enden.
„Zwingende“ Ausnahmen von der Maskenpflicht soll es dann geben, wenn Besucher von Kultur-, Freizeit- oder Sportveranstaltungen oder von Restaurants und Kneipen einen negativen Corona-Test vorweisen können.
Die Länder können zudem Ausnahmen für diejenigen erlauben, die einen Genesenennachweis erbringen oder Personen, die vollständig geimpft sind und bei denen die letzte Impfung höchstens drei Monate zurückliegt. Hier war der Bund auf den letzten Metern Forderungen der Länder entgegengekommen.
Lauterbach: Sind noch nicht in der Endemie
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zeigte sich am Mittwoch überzeugt, dass sich die „absehbare Corona-Welle im Herbst“ mit dem neuen Instrumentarium bewältigen lasse. „Wir geben den Ländern alle Möglichkeiten, angepasst zu reagieren.“
Ziel der Bundesregierung sei es, hohe Todeszahlen, viele Arbeitsausfälle – insbesondere im Bereich der „kritischen Infrastruktur“ – sowie schwere Langzeitfolgen zu vermeiden, so Lauterbach. Er gehe davon aus, dass die Inzidenzen ab Herbst wieder deutlich nach oben kletterten. „Wir sind nicht in der Endemie angekommen.“ Er hoffe daher, dass es im parlamentarischen Verfahren nicht zu einer „Entschärfung“ der Regelungen komme.
Justizminister Marco Buschmann (FDP), der das Pandemiekonzept zusammen mit Lauterbach maßgeblich entwickelt hat, betonte, viele Menschen – er auch – stellten die Frage: „Warum kann dieser ganze Mist nicht einfach vorbei sein?“ Man müsse aber feststellen: „Das Virus ist eben nicht weg.“
Buschmann: „Flexibles Instrumentarium für die Länder“
Der Bund ordne, bei genauer Betrachtung, aber nicht mehr an als höhere Schutzstandards für Altenheime, weil hier besonders schutzbedürftige Menschen lebten. Alles andere seien „reine Rechtsgrundlagen – also Optionen, die die Länder ziehen können, aber nicht müssen“, sagte Buschmann. Es handele sich um einen „maximalen Rahmen“ und um ein „flexibles Instrumentarium, um der Lage vor Ort gerecht zu werden“.
Beide Politiker stellten klar, dass es erneute Lockdowns und flächendeckende Schulschließungen nicht mehr geben solle. Staatliche 3G-oder gar 2G-Zugangsregeln seien ebenfalls gestrichen worden. Das Schutzkonzept sei „ausgewogen, maßvoll und grundrechtsschonend“.
Gefahr eines Flickenteppichs? „Nein!“
Ein Regel-Wirrwarr schlossen sie ebenfalls aus. „Ich rechne nicht mit einem Flickenteppich“, sagte Lauterbach. Buschmann erklärte, dass die Länder unterschiedlich reagieren könnten, sei „Prinzip unseres föderalen Staats“.
Ebenso wies er den Vorwurf zurück, Deutschland überschieße bei der Pandemiebekämpfung und agiere wie ein „Geisterfahrer“ in Europa. „Das entspricht nicht der Tatsache.“ Auch andere Länder wie etwa Frankreich oder die Niederlande bereiteten sich mit ähnlichen Schutzmaßnahmen auf den Herbst und Winter vor. Den Umgang mit dem Virus im Privatbereich gebe die Ampel im Übrigen komplett in die Eigenverantwortung der Menschen zurück.
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Holetschek: Es gibt weiter Schwachstellen
Aus den Ländern kamen am Mittwoch zurückhaltende Reaktionen. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte, trotz positiver Änderungen wiesen die Schutzpläne weiter Schwachstellen auf. Richtig sei es, dass die „Drei-Monats-Regel“ als Ausnahme für Geimpfte und Genesene von der Maskenpflicht nicht mehr zwingend angewendet werden müsse.
„Es ist aber falsch, dass es bei einer zwingenden Ausnahme für Getestete von der Maskenpflicht bleiben soll.“ Solche Ausnahmen seien in der Praxis kaum umsetzbar. Überdies bräuchten die Länder klare Leitplanken, ab wann welche Maßnahmen ausgelöst werden sollten.
Maskenlos in der Regierungsmaschine
Grundlinien des Corona-Konzepts der Ampel stehen bereits seit Wochen fest. Bilder von maskenlosen Politikern und Journalisten an Bord einer Regierungsmaschine von Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf dem Hinflug nach Kanada sorgen jedoch seit ein paar Tagen für erheblichen Wirbel im Regierungsviertel. Laut einem Regierungssprecher gilt für Flüge der Luftwaffe keine Maskenpflicht. Zudem seien alle Teilnehmer getestet gewesen.
Für Flugzeuge gilt die Maskenpflicht schon laut bestehendem Infektionsschutzgesetz. Erste Politiker fordern daher, die Maskenpflicht bei normalen Flügen zu streichen, sollte der Passagier vor Abflug einen aktuellen Negativ-Test vorlegen können. Buschmann erklärte dazu, es sei wohl politisch ratsam, wenn die gleichen Regeln für alle Flüge gelten würden.
„Kommunikative Bankrotterklärung“
Vertreter der Unionsparteien reagierten am Mittwoch mit scharfer Kritik auf das Auftreten der Ampel. „Die Bilder aus dem Regierungsflieger und die heute beschlossenen Regelungen zur Maskenpflicht in Flugzeugen passen nicht zusammen“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Tino Sorge.
Der Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung sei damit „ein Bärendienst“ erwiesen worden. Eine „konsistente Kommunikation“, die sowohl der Expertenrat als auch der Sachverständigenausschuss mehrfach angemahnt hätten, gäbe es nicht mehr, erklärte Sorge. Holetschek zeigte sich ebenfalls verärgert. „Das ist eine kommunikative Bankrotterklärung.“