Organtransplantationen

Leopoldina fordert grundlegende Reform

Ein Diskussionspapier der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina schlägt grundlegende Reformen im Transplantationswesen vor - Vertreter der Bundesärztekammer reagieren ungewöhnlich heftig.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina fordert eine umfassende Reform bei Organtransplantationen.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina fordert eine umfassende Reform bei Organtransplantationen.

© Pixland / Pixland / Thinkstock

BERLIN. Eine umfassende Reorganisation der Transplantationsmedizin hat die Leopoldina - Nationale Akademie der Wissenschaften - angeregt.

Eine interdisziplinär zusammengesetzte Gruppe namhafter Wissenschaftler hat am Mittwoch ein Diskussionspapier mit dem Titel "Transplantationsmedizin und Organallokation in Deutschland: Probleme und Perspektiven" vorgelegt.

Darin wird der Transplantationsmedizin zwar ein hohes Niveau bescheinigt, aber eine "effektivere Struktur" angemahnt. Frontal gehen die Autoren die bislang dominierende Stellung der Bundesärztekammer an.

"Grundlegende verfassungsrechtliche Probleme"

Es bestünden "grundlegende verfassungsrechtliche Probleme", wenn die BÄK beispielsweise in Leitlinien Alkoholkarenzzeiten vorsieht, bevor ein Alkoholiker eine Spenderleber erhalten kann.

Für solche normativen Festlegungen sei die BÄK "nur bedingt legitimiert", heißt es in dem Papier.

Da es bei der Zuteilung von Organen um Lebenschancen geht, müssten die entsprechenden Regelungen von einer "demokratisch legitimierten Institution" vorgenommen werden.

Hinzu komme, so die Autoren, dass auch die Kontrolle der Abläufe und ihrer Qualität von der BÄK mit Hilfe ehrenamtlich tätiger Experten erfolgt. Dieses System stoße "aufgrund seiner Komplexität an Grenzen".

Als Konsequenz spricht sich die Expertengruppe für eine "(halb-) staatliche Stelle auf Bundesebene aus, die die Organisation und Qualitätskontrolle der Transplantationsmedizin übernehmen soll.

Bei dieser "neutralen Institution" soll auch ein bundesweites Transplantationsregister angesiedelt werden, dessen Bedeutung darin bestünde, Indikationsentscheidungen und Wartelisten mit zu kontrollieren.

Heftige Reaktion der BÄK

Der BÄK würde die Aufgabe verbleiben, den Stand der medizinischen Wissenschaft zu evaluieren. Vertreter der BÄK, die an einem vorbereitenden Symposium der Leopoldina beteiligt waren, haben ungewöhnlich heftig auf die Veröffentlichung des Papiers reagiert.

Professor Ruth Rissing-van Saan, Leiterin der Vertrauensstelle Transplantationsmedizin, und Professor Hans Lilie, Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation bei der BÄK, wiesen "entschieden" den Eindruck zurück, sie würden die Inhalte des Papiers mittragen.

Dieses sei entgegen vorherigen Vereinbarungen ohne Rücksprache mit den BÄK-Vertretern veröffentlicht worden.

Kritik an dem Status quo übt die Stellungnahme der Leopoldina zudem an der Organisation der Wartelisten. Bisher hätten Transplantationszentren mit längeren Wartelisten größere Chancen, ein Organ zu erhalten - dadurch würden Fehlanreize gesetzt.

Ungelöst sei bislang auch die Berücksichtigung der Rechte von Patienten auf einer Warteliste. Sie müssten die Möglichkeit bekommen, die Streichung von der Warteliste von einer unabhängigen Instanz überprüfen zu lassen, heißt es.

Keine Antworten gibt das Papier auf die aktuelle Vertrauenskrise in Folge der Manipulation von Wartelisten in einzelnen Transplantationszentren.

Der sinkenden Zahl an Meldungen potenzieller Organspender müsse mit "einem Katalog pragmatischer Maßnahmen begegnet werden."

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 06.04.201507:27 Uhr

ausgezeichneter Kommentar, Herr Kollege @Dr. Dietmar Krakow!

Wobei ich die Motivation der Politiker nicht ganz nachvollziehen kann, da Sie doch beständig "Ethik" etc. im Mund führen.
Ich sehe hier viel mehr einen zunehmenden "amerikanischen Zeitgeist" wirken, also Egoismus, der vor allem von den Medien verbreitet wird, OBWOHL er ökonomisch unvernünftig ist, da eine Nierentransplantation eindeutig auch Geld spart gegenüber einer Dialyse.
Jedenfalls ist es schon auffällig, wie die Medien "Transplantation" skandalisieren und beschämend zugleich, dass wir überwiegend auf kostenlose ausländische Spender zurückgreifen.

Dr. Dietmar Krakow 05.04.201510:03 Uhr

Streit um Nebensächlichkeit Lieber das Hauptproblem regeln ORGANMANGEL

Wir sollten endlich wie z.B. in Spanien die Widerspruchsregel durchbringen.Dort gibt es keinen Organmangel und logischerweise auch keinen Missbrauch.

Schließlich bekommen die Mitglieder der ges.Krankenkassen in allen Krankheitsfällen zumindest ausreichende medizinische Versorgung wie Dialyse,Coronarbypass , aufwendige Tumortherapie etc.
Als "Gegenleistung" muss man doch eigentlich erwarten, dass die Menschen dann auch bereit sind zur alltruistischen Organspende postmortem.

M.E sollten Menschen die sich diesem Procedere nicht öffnen wollen zumindest bestimmte medizinische Leistungen verweigert werden wie Dialyse falls es sie doch mal "erwischt".

Aber ich vermute vorsichtig aus über nun 40 jähriger Kassenarzt und Klinikerfahrung das diese politisch durchzuführenden Schritte an der Wieder-gewählt-werden-wollen Mentalität scheitert.

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