Leitartikel zum Förderwahn

Machen Eltern ihre Kinder krank?

Wenn es um ihre Kinder geht, legen manche Eltern geradezu erschreckenden Ehrgeiz an den Tag. Der Bildungsforscher Klaus Hurrelmann warnt vor gesundheitsgefährdendem "Wettrüsten" und plädiert für ein Elterntraining für alle.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Nach den Hausaufgaben geht’s weiter im Programm: Vom Sportverein über den Klavierunterricht bis zur "Schule der Phantasie" - für Kinder gibt es kaum einen Nachmittag, der nicht durchorganisiert ist.

Nach den Hausaufgaben geht’s weiter im Programm: Vom Sportverein über den Klavierunterricht bis zur "Schule der Phantasie" - für Kinder gibt es kaum einen Nachmittag, der nicht durchorganisiert ist.

© Picture-Factory / fotolia.com

Schulanfang: Vielen Schülern wird schon beim Gedanken daran mulmig. Jetzt geht es wieder los, die morgendliche Hetze, das Brüten über Hausaufgaben, die Angst vor Prüfungen - und dazu noch der Stress, den die Eltern machen.

Sicher, Schüler sein war auch früher schon nicht leicht. Aber die Erwartungen, vor allem von Elternseite, sind gestiegen und damit auch der Druck, der auf den Kindern und Jugendlichen lastet. Und dieser beschränkt sich bei weitem nicht auf die Schule selbst.

Unter außerschulischem Leistungsdruck leiden vor allem Kinder aus dem Bildungsbürgertum. Vom Sportverein über den Klavierunterricht bis zur "Schule der Phantasie" - es vergeht kaum ein Nachmittag, an dem die Kinder nicht "durchorganisiert" sind.

"Die Eltern sind heute außerordentlich ehrgeizig geworden", so der Bildungsforscher Professor Klaus Hurrelmann.

Der Bielefelder Soziologe, der seinen Tätigkeitsschwerpunkt mittlerweile in Berlin hat, war beteiligt an mehreren Gesundheitssurveys, an den Studien des Kinderhilfswerks "World Vision" und an der Shell-Jugendstudie, in denen untersucht wurde, wie Kinder in Deutschland leben.

"Viele Eltern schneidern für ihr Kind ein Programm, das weit über seine Bedürfnisse und Möglichkeiten hinausweist", sagte Hurrelmann der "Ärzte Zeitung".

Die Karriere des Kindes wird als Projekt gesehen, das sich bis ins Detail planen lässt. "Solche hohen Ansprüche können sich schnell zu einer gesundheitsgefährdenden Überforderung auswachsen", warnt der Experte. Mehr über die fatalen Folgen und Wege dagegen, lesen Sie exklusiv in der App ...

Jetzt gleich lesen ... Jetzt gleich lesen ...

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

KV bittet Patienten um Geduld

In Brandenburg braucht der ePA-Rollout mehr Zeit

Kommentare
Andreas Hoffmann 30.08.201322:51 Uhr

Schulzwang - quo vadis?

Das eigentliche Übel wird mal wieder gekonnt ignoriert: der von den Nazis eingeführte Schulzwang, den wir so nirgends in Europa mehr finden. Während bei unseren Nachbarn alternative Bildungsformen akzeptiert, das Bildungs- und Erziehungsrecht der Eltern als Menschenrecht akzeptiert wird, bringen deutsche Beamte im Zweifel die Kinder in die Schule und die Eltern vor Gericht.
Daß Eltern versuchen, durch außerschulische Aktivitäten die schlimmsten Auswirkungen einer katastrophalen Bildungspolitik wenigstens abzumildern, wird ihnen nun noch zum Vorwurf gemacht - beziehungsweise zur Grundlage eines neuen Geschäftsmodells, dem Elterntraining.
Es wird Zeit, daß sich wenigstens die klugen Köpfe in unserem Land endlich mal wieder die Zeit nehmen, diesen Wahnsinn zu hinterfragen - dies wäre sicherlich der Startschuss für etwas mehr psychische Gesundheit - nicht nur unserer Kinder!

Rudolf Hege 30.08.201313:53 Uhr

Schuld der Eltern?

Ich habe keine Kinder - das vorhergeschickt. Aber ich denke, man tut den Eltern Unrecht, wenn man ihren Ehrgeiz für alle Überforderungen der Kinder verantwortlich macht.

Eltern sind, wie wir alle, einer ständigen Flut an Informationen ausgesetzt, die uns erklären, wie wir uns gesund ernähren, ausreichend bewegen, unsere Intelligenz fördern, unsere beruflichen Chancen steigern usw. usw.

Wen wundert es, dass bei diesem "Coaching-Gewitter" die Gelassenheit auf der Strecke bleibt und viele Eltern das Gefühl haben, dass ihr Nachwuchs Nachteile haben würde, wenn er nicht einem "fit für die Zukunft" machenden Trainingsprogramm ausgesetzt wird?

Früher lebte man - und kam irgendwo an. Die Menschen aßen, was man eben so aß. Sie tranken, was man eben so trank. Und irgendwann starben sie.

Heute lauert hinter jedem Glas, jeder Zigarette, jedem Sonnenstrahl, jeder Stunde zu wenig Schlaf bereits Freund Hein.

Und hinter jeder verbummelten Stunde, jedem nicht genutzten Kursangebot, jeder "falschen" Schulwahl, jedem Kilo zuviel usw. lauert das gesellschaftliche Abseits.

Wie soll da noch entspannt gelebt werden?

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

S2k-Leitlinie

Husten – was tun, wenn er bleibt?

Lesetipps
Im Jahr 2023 wurden 10,8 Millionen Neuerkrankungen und 1,25 Millionen Todesfälle durch Tuberkulose registriert, mit stark heterogener globaler Verteilung.

© Dr_Microbe/stock.adobe.com

Vielversprechende Ergebnisse

Neue Strategie zur Tuberkulose-Früherkennung