Zahnmedizin

Männer verzweifelt gesucht

Der freie Verband Deutscher Zahnärzte schlägt Alarm: An etlichen zahnmedizinischen Fakultäten gibt es keinen männlichen Studenten mehr. Das gefährde die Versorgung. Jetzt fordert der Verband eine Männerquote.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Junge Zahnärztin: Der Frauenanteil im Zahnmedizinstudium ist noch höher als in der Humanmedizin.

Junge Zahnärztin: Der Frauenanteil im Zahnmedizinstudium ist noch höher als in der Humanmedizin.

© Pressmaster/Fotolia.com

WEENER. In Ostfriesland werden die Zahnärzte knapp und nicht nur dort. Nun hat der freie Verband Deutscher Zahnärzte e.V. (FVDZ), Landesverband Niedersachsen, ein ungewöhnliches Gegenmittel zum Praxenschwund gefordert.

Eine Männerquote bei der Studienplatzvergabe für Zahnmedizin. Der Grund: Männer hätten mehr Biss, um eine Einzelpraxis zu führen.

"Durch die Art der Vergabe von Studienplätzen gibt es mittlerweile Studienjahrgänge mit 100 Prozent Frauenanteil", heißt es zur Begründung des Antrages.

Weil die jungen Frauen einfach bessere Abitur-Noten vorlegen, erhalten sie bevorzugt die begehrten Studienplätze.

Der Numerus Clausus liegt je nach Universität zwischen 1,2 und 1,7, so der Verband: "Das ist wie auf einem Markt: je geringer das Angebot an Studienplätzen, desto höher ist der Preis in Form der Abi-Note."

Deutlich mehr Frauen

Zwar weichen die jungen Männer dann oft ins Ausland aus, etwa an die Semmelweis-Universität in Budapest oder ins holländische Groningen, hieß es. Aber beim Frauenüberschuss bleibe es.

Tatsächlich studieren deutlich mehr Frauen als Männer Zahnmedizin. Nach Angaben der Bundeszahnärztekammer waren unter den knapp 12.900 Studierenden des Wintersemesters 2013/14 mit dem Ziel Staatsexamen nur noch gut 4500 Männer.

Für den niedersächsischen Verband ein Alarmzeichen. Denn die vielen jungen Ärztinnen würden nicht unbesehen das Risiko einer Praxisgründung oder- übernahme auf sich nehmen, sagt Annette Apel, Zahnärztin in Göttingen und Landesvorsitzende des Verbandes in Niedersachsen, zur "Ärzte Zeitung".

Die jungen Frauen möchten Kinder haben. Offenbar landen deshalb immer weniger Frauen in der zahnärztlichen Praxis.

Tatsächlich blieben nach der Kinderpause nur 30 bis 35 Prozent der Zahnärztinnen übrig, die schließlich den Weg in die Praxis wählen, erklärt Apel.

 "Warum das so ist, wissen wir nicht." Zudem möchten offenbar immer weniger Frauen das Risiko einer Einzelpraxis tragen.

"Manche schätzt zwar den prestigeträchtigen Beruf, aber will nur in Teilzeit arbeiten", sagt sie.

Angestelltenverhältnis bevorzugt

Andere trauten sich keine Nachtdienste zu. Die junge Generation bevorzuge das Angestelltenverhältnis in einem MVZ oder einer größeren Praxis und die Frauen um so mehr.

Kurz: Zuerst besetzten die Frauen alle Studienplätze - und dann arbeiteten sie nicht im erlernten Beruf und schon gar nicht in eigener Praxis.

Die Folge sei Zahnärztemangel allenthalben."Dabei ist das Einzelpraxismodell immer noch am weitesten verbreitet", sagt Apel. Aber wie lange noch?

"Bei uns im Rheiderland sind es nur noch acht Zahnärzte, die ungefähr 30 000 Menschen versorgen müssen", berichtet der Zahnarzt Dr. Urich Keck aus dem Ostfriesischen Weener.

"Das ist eine Katastrophe!" Eigentlich müssten es doppelt so viele Zahnärzte sein. Sich selbst hat Keck dabei nicht mehr mitgezählt. Denn der 60-Jährige schließt seine Praxis zu und hat keinen Nachfolger gefunden.

"Wir haben neue Hygiene-Richtlinien bekommen", begründet Keck seinen Schritt: "Wenn ich die umsetzen soll, muss ich 100.000 Euro investieren. Das Geld habe ich nicht und werde es in meinem Alter auch nicht mehr leihen."

Selbst wenn nun Ärztinnen die Personalnot lindern sollten, sei "nicht damit zu rechnen, dass sie die Praxis einmal übernehmen", sagt Keck. "Das wollen die Frauen nicht mehr."

MVZs oft unwirtschaftlich

Die Alternative sei das medizinische Versorgungszentrum mit einer Reihe von angestellten Zahnärzten. "Aber MVZs werden oft unwirtschaftlich geführt", argumentiet Keck.

"Weil sich niemand so konsequent verantwortlich fühlt wie in einer eigenen Praxis." Deshalb sei die Apobank bereits sehr zurückhaltend mit den Finanzierungen von MVZs, meint Keck.

Das wollte die Bank so nicht bestätigen, erklärte aber auf Anfrage, sie unterstütze auch weiterhin MVZs.

"Der Erfolg letzterer Einrichtungen hängt wesentlich von der Eigentümerstruktur und dem genauen Geschäftsmodell ab. Folglich sind diese Parameter neben geplanten Cash-Flows bei der Bonitätsbeurteilung ebenfalls zu berücksichtigen", so eine Sprecherin der Apobank zur "Ärzte Zeitung".

Im Übrigen meint Keck, ein Mann alter Schule, zerstöre die Arbeitsorganisation eines MVZs die persönliche Arzt-Patienten-Beziehung.

Ob nun mehr Männer das Problem lösen würden, bleibt offen. Die Forderung nach einer Männerquote für Erstsemester unter den Zahnmedizinstudierenden sei ein politischer Appell, sagt Keck.

Verbandsvorsitzende Apel gibt dem Vorschlag jedenfalls "kaum eine Chance", wie sie sagt. "Man muss aber dran bleiben".

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: PR-Gag Männerquote

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Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 15.07.201515:00 Uhr

Frauenpower

Für mich als Zahnpatient ist es angenehm, zu einer Oral-Chirurgin mit ihren geschickten Händen zu gehen. Auch ist das Ausdauer-Stehvermögen einer weiblichen Zahärztin im anstrengenden Beruf nicht zu unterschätzen!
Insofern ist mir alles in allem die "Verweiblichung" im Medizinbetrieb sympathisch!
Seit meinem Studium der Veterinärmedizin vor 40 Jahren hat sich das damalige Verhältnis von 10 Frauen auf 90 Männer im Laufe der vier Jahrzehnte umgekehrt; sodaß heute nur noch jeder zehnte Studierende in dem früheren Männerberuf "Tierarzt" männlichen Geschlechts ist.
Wie war das möglich? Ein Grund dürfte die erblühte Tierschutz-Bewegung sein; ein anderer aber auch kitschige, unrealistische "Ein Heim für Tiere" und "Tierärztin Dr.---" Serien.
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Dr. med. vet. Horst Grünwoldt, Rostock

Dr. Detlef Bunk 14.07.201512:23 Uhr

Verweiblichung medizinischer, psychotherapeutischer und pädagogischer Berufe

Befasst man sich mit der Gesundheitsberichterstattung NRW und kennt die jährlichen Landes-Gesundheitsberichte seit 2000 – leider stellt das Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG-NRW) und das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen (MGEPA NRW) nicht alle Berichte im Internet bereit und setzt die Berichtsreihe gemäß den Gesundheitsindikatoren wohl auch nicht fort – kann man einen rapide zunehmenden Frauenüberschuss bei PsychotherapeutInnen, MedizinerInnen und anderen Gesundheitsberufen feststellen. Das kann insbesondere bei psychischen Erkrankungen, wo die Geschlechtsvariable sowohl bei der Krankheitseinsicht als auch bei der Therapie eine bedeutende Rolle spielt, zur Verschlechterung der Männergesundheit erheblich beitragen.
Für Abhilfemaßnahmen, die zur ausgewogenen Geschlechterverteilung in sozialen Berufen beitragen, sind nicht nur Ausbildungseinrichtungen und Berufsverbände sondern auch die Krankenversicherungen und die Arbeitsstrukturpolitik aufgerufen.

Dr. phil. Detlef Bunk
Dipl. Psych., PP, KJP
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