Syrien

Mainzer Arzt ist beeindruckt von den Menschen

Professor Gerhard Trabert aus Mainz ist trotz Gefahr ins syrische Kriegsgebiet gereist. Dort will er verstehen, wie er den Ärzten vor Ort von Deutschland aus helfen kann.

Von Anne Zegelman Veröffentlicht:
In einem Flüchtlingscamp nahe Rakka leben 5000 Menschen in schlechten hygienischen Verhältnissen. © Trabert

In einem Flüchtlingscamp nahe Rakka leben 5000 Menschen in schlechten hygienischen Verhältnissen. © Trabert

© Trabert

KOBANE. Der Boden ist karg und steinig, die weißen Zeltdächer mit dem aufgedruckten Logo der UNO-Flüchtlingshilfe reflektieren in der Sonne. Professor Gerhard Trabert, der normalerweise in der Mainzer Innenstadt die "Ambulanz ohne Grenzen" für obdachlose und nicht-versicherte Patienten betreibt, lässt seinen Blick über das Gelände schweifen, auf dem tausende Flüchtlinge in Zelten leben. 5000 Menschen teilen sich hier vier Toiletten. Trabert kennt Elend auch aus Deutschland. Aber hier, 40 Kilometer von der ehemaligen IS-Hauptstadt Rakka entfernt, ist die Dimension eine andere.

Vor gut einer Woche ist Trabert zum ersten Mal nach Syrien gereist. Im Februar hatte der engagierte und vielfach ausgezeichnete Sozialmediziner versucht, eine Hilfslieferung mit medizinischen Geräten persönlich nach Syrien zu bringen, wurde allerdings nicht ins Land gelassen. Immerhin konnte Dr. Mouheb Kaddor vom Akra-bat-Hospital in Idlib die Lieferung damals auf der anderen Seite der Grenze in Empfang nehmen.

Das Leid mit eigenen Augen sehen

Nun ist die Reise also geglückt. "Natürlich ist das schon etwas ganz Anderes, wenn man vor Ort ist und alles mit eigenen Augen sieht", sagt er im Telefongespräch mit der "Ärzte Zeitung". Angst hat der Mainzer im Kriegsgebiet trotzdem nicht. "Ich fühle mich hier sicher."

Menschen, die der Krieg zur Flucht getrieben hat, begegnete er schon vorher. Im Sommer 2016 arbeitete der Arzt zwölf Tage lang auf einem Rettungsschiff vor der Küste Libyens, half, Flüchtlingsboote zu orten und die Menschen medizinisch zu versorgen. Nun sieht Trabert zum ersten Mal mit eigenen Augen das Leid des Krieges dort, wo er ausgefochten wird. "Natürlich macht mich das betroffen", sagt er. Aber es motiviert ihn auch. Im August wird er erneut mit der Seenotrettung Sea-Watch im Einsatz sein.

Besonders beeindrucken ihn auf seiner Reise durch Syrien die Menschen. "Ich habe mit einem Arzt gesprochen, der sagte: ,Wir bleiben hier, egal ob Krieg oder Frieden ist.‘ Und ein Chirurg erzählte mir, der IS sei 200 Meter entfernt von seinem Krankenhaus gewesen, aber er habe weiter operiert. Was die Menschen hier leisten, ist toll." Sein Appell: "Wir müssen in Solidarität von Deutschland aus mehr tun!" Überrascht zeigt Trabert sich von der Stimmung: "Ich bin in einer Kriegsregion – und die Menschen strahlen etwas unheimlich Friedliches aus, sie gehen liebevoll miteinander um, voller Respekt."

Und noch etwas beeindruckt ihn: Das Gesundheitssystem in Syrien sei in den Gemeinschaften sehr basisdemokratisch: "Es gibt einen Gesundheitsrat, Bedarfe werden von unten nach oben weitergegeben."

Menschlich als Arzt geeignet?

So funktioniere das auch bei der Auswahl der künftigen Ärzte. "Die Community schaut, welche Menschen dafür in Frage kommen, und die werden dann zur Universität geschickt." An der Uni müssten die Studenten erst einmal hospitieren, zeigen, dass sie im Team arbeiten können und dass sie menschlich geeignet sind.

Auf seiner Reise besucht Trabert Krankenhäuser, Flüchtlingslager, spricht mit Kollegen und Menschen auf der Straße. Es fehlt an Medikamenten, an Geräten wie Inkubatoren, Fixateur externe, Dialysegeräten.

"Ich habe in Krankenhäusern in Rojava den Bedarf eruiert, zuverlässige Kontakte geknüpft, um in den nächsten Wochen Hilfe von Deutschland aus zu starten", so Trabert. "Und dann werde ich auch wieder nach Syrien reisen, um zu sehen, was davon ankommt."

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