McKinsey rechnet Kassen-Überschüsse klein

Von wegen fettes Finanzpolster: Die Krankenkassen werden schon bald nichts mehr von ihrem Überschuss haben - prophezeit die Unternehmensberatung McKinsey.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
An der Schatztruhe des Gesundheitsfonds würde sich gerne so mancher gütlich tun.

An der Schatztruhe des Gesundheitsfonds würde sich gerne so mancher gütlich tun.

© bonn-sequenz / imago

BERLIN. Der Gesundheitsfonds hat derzeit ein Liquiditätspolster von nahezu neun Milliarden Euro. Und die Kassen haben einen Überschuss, dessen Höhe nicht genau bekannt ist. Dennoch könnte die gute Finanzlage binnen zwei Jahren derart kippen, dass die Kassen schon 2014 gezwungen sind, wieder Zusatzbeiträge zu erheben.

Das geht aus einer Prognose der Unternehmensberatung McKinsey hervor, die laut "Spiegel" eine Disparität zwischen der Ausgaben- und Einnahmenentwicklung des Fonds und der Krankenkassen errechnet hat.

Dies ist ein Widerspruch zu Forderungen des CDU-Gesundheitspolitikers Jens Spahn, der von den Kassen erwartet, dass sie ihre Überschüsse als Beitragsrückerstattungen an ihre Versicherten weiterreichen.

Dies würde aber auch Pläne des Bundesfinanzministeriums konterkarieren, den Steuerzuschuss an den Gesundheitsfonds im nächsten Jahr um zwei Milliarden Euro zu kürzen.

Disparate Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben

Laut Schätzerkreis (Stand Dezember 2011) verfügt der Gesundheitsfonds über Gesamtrücklagen von 8,8 Milliarden Euro. Davon entfallen 3,2 Milliarden Euro auf die gesetzlich vorgeschriebene Liquiditätsrücklage, zwei Milliarden Euro auf die Absicherung des Sozialausgleichs. So bleiben nur noch 3,6 Milliarden Euro übrig.

Ein am Jahresende 2011 vorhandener Überschuss von 4,4 Milliarden Euro wird nach Berechnungen von McKinsey Ende dieses Jahres aufgezehrt sein und sich in den beiden Folgejahren in ein Defizit von 4,5 und 9,6 Milliarden Euro verwandeln.

Der Grund für diese Negativprognose ist eine disparate Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben.

Bei den Einnahmen macht McKinsey auf eine strukturelle Lücke aufmerksam, die aus einer sinkenden Lohnquote resultiert. Weil der Anstieg der Einnahmen um 2,5 Prozentpunkte unter dem Ausgabenwachstum liege, entstehe eine jährliche Finanzierungslücke von vier bis fünf Milliarden Euro.

Viele außerordentliche Ausgabenrisiken

Im einzelnen listet McKinsey eine Fülle außerordentlicher Ausgabenrisiken für die gesetzlichen Krankenkassen in den beiden kommenden Jahren auf und beziffert diese:

So könnte die Neuverhandlung des gesetzlichen Apothekenabschlags ab 2013 jährlich 200 bis 300 Millionen Euro zusätzlich kosten.

Ebenfalls jährlich überprüft werden muss der gesetzliche Herstellerabschlag, der derzeit 16 Prozent beträgt.

Ab 2013 wird die ambulante spezialärztliche Versorgung realisiert; für sie gibt es keine Mengenbegrenzungen. McKinsey schätzt die Zusatzkosten auf 250 Millionen Euro.

Veränderungen im Vergütungssystem der Vertragsärzte - Wegfall der Begrenzung für extrabudgetäre Leistungen, Zuschläge bei der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und Förderung bei Unterversorgung in ländlichen Regionen - beziffert McKinsey auf insgesamt 700 Millionen Euro.

Strukturelle Leistungsverbesserungen, die der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt, schätzt Mc Kinsey auf ein Kostenvolumen von zusätzlich 500 Millionen Euro.

Kassenfunktionären kommt die McKinsey-Prognose höchst gelegen: "Die nüchternen Hinweise von McKinsey sind eine kalte Dusche für alle, die davon träumen, sich an den Reserven gütlich zu tun", sagte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann.

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Kommentare
Dr. Stefan Junger 22.02.201220:19 Uhr

Wes Brot ich ess...

Ich muß meinem Vorkommentator zustimmen, solange der Auftraggeber nicht klar ist, sind alle diese "Schätzungen" es nicht wert, auch nur als Diskussionsgrundlage gesehen zu werden. Unsere Hunderte von gesetzlichen Krankenkassen (wer braucht eine solche Pluralität?) waren und sind immer schon Meister der Schwarzmalerei gewesen, ohne jemals den Rotstift in der eigenen Kostenstruktur anzulegen. Transparenz der Kosten und der Ausgaben, solange das nicht klar gegeben ist, gehört das Geld denen, die es bezahlt haben, nämlich den Versicherten! Kassen müssen sich als das darstellen, was Sie ureigentlich waren, nämlich Dienstleister des Arbeitnehmers.

Harald Koegler 22.02.201216:56 Uhr

Cui bono?

Leider geht aus dem Artikel nicht hervor, wer McKinsey beauftragt hat.

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