Mechthild Bach: Ein tragischer Tod und viele ungeklärte Fragen

Nach dem Suizid der wegen Totschlags angeklagten Ärztin Mechthild Bach bleiben vor allem auch mit Blick auf die Gabe von Schmerzmitteln für schwerstkranke Menschen viele Fragen. Doch die Akten werden geschlossen.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Internistin Mechthild Bach hat sich das Leben genommen.

Internistin Mechthild Bach hat sich das Leben genommen.

© dpa

HANNOVER. Nachdem die des mehrfachen Totschlags angeklagte Internistin Dr. Mechthild Bach sich umgebracht hat, werden die Umstände im Dunkeln bleiben, unter denen 13 ihrer Patienten gestorben sind.

Mit Bachs Tod werden auch die Anklagen nicht weiterverfolgt und die Aktendeckel geschlossen, erklärten übereinstimmend Bachs Anwalt Matthias Waldraff und die Staatsanwaltschaft Hannover.

Damit lässt der bisher größte deutsche Medizinerprozess für Ärzte und Patienten viele Fragen offen.

Schmerzmittelgaben - ein ungeklärtes Thema

Dass in dem Prozess gegen Bach die Fragen der Schmerzmittelgaben letztlich nicht geklärt werden konnten, verunsichert viele niedergelassene Ärzte.

Dr. Alfred Simon, Geschäftsführer der Göttinger Akademie für Ethik in der Medizin, sagte, dass die Klärung der Fragen um die Patienten der Ärztin auch für Hausärzte wichtig gewesen wären.

"Gerade Ärzte im niedergelassenen Bereich und besonders Hausärzte können in ihrer Arbeit nicht auf kollegiale Ethikberatungen, wie sie in vielen Kliniken möglich ist, zurückgreifen", so Simon.

Wesentlich bei der Ethikberatung sei die gemeinsame Besprechung und Entscheidung. "Hausärzte dagegen sind oft gezwungen, einsame Entscheidungen zu treffen", sagte er.

Hier wären entsprechende Qualitätszirkel oder der Kontakt zu Teams der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) das Mittel der Wahl.

Auch der Göttinger Palliativmediziner Professor Friedemann Nauck bedauerte, dass die Bach-Akten geschlossen werden. "Für den Bereich der Palliativ- und Schmerzmedizin ist dieser Umstand äußerst problematisch", so Nauck.

"Mancher Arzt wird jetzt womöglich sagen: Bloß nicht zu viele Schmerzmittel!" Sterbende müssen sich darauf verlassen können, dass sie eine qualifizierte Therapie erhalten. "Dann sterben auch keine Patienten frühzeitig", so Nauck.

Auch Eugen Brysch, Geschäftsführender Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, sagte: "Sterbenskranke Patienten brauchen medizinische und pflegerische Professionalität, standardisierte Behandlung und ein Höchstmaß an Transparenz."

Die Klärung der Fragen um Frau Bach hätte der Palliativmedizin dienen können. Brysch zitierte eine Studie der Uni Bochum vom letzten Jahr.

"In 78 Prozent der insgesamt 780 ausgewerteten Palliativfälle wurden Maßnahmen eingeleitet, die das Leben der Patienten möglicherweise verkürzten. Bei acht Prozent wurden die Patienten nicht über die mögliche Lebensverkürzung informiert, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt selbstbestimmungsfähig waren."

Appell an die Fachgesellschafen

"Wir erwarten, dass nach klaren nachvollziehbaren Standards behandelt wird, und dass diese Standards so kommuniziert werden, dass Laien sie verstehen. Hier sind die Fachgesellschaften gefragt", sagte Brysch.

Lesen Sie dazu auch: Mechthild Bach: Ein tragischer Tod und viele ungeklärte Fragen Interview: "Wir brauchen eine Balance zwischen Vertrauen und Wachsamkeit" Mechthild Bach: Chronologie eines Gerichtsverfahrens

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 31.01.201110:17 Uhr

Si tacuisses, philosophus mansisses!

„Wenn du geschwiegen hättest, wärest du (wenigstens) ein Philosoph geblieben“, Boethius (ca. 475–525 n. Chr.).

Lutz Barth 31.01.201108:36 Uhr

Vitale Diskussion wird immer dringlicher!

Dass Sie sich durch meine Zeilen subjektiv betroffen fühlen, sei zugestanden, auch wenn ich mit meinen kritischen Anmerkungen zuvörderst darauf hinweisen möchte, dass nach meiner festen Überzeugung die Palliativmedizin (und freilich auch die Vertreter der Hospizidee) einen falschen Weg beschreiten, der nicht nur zur Marginalisierung von als selbstverständlich gehaltenen Grundrechten führt, sondern letztlich auch auf Dauer einen Bärendienst eben für die Palliativmedizin und der Hospizkultur leistet. Der Wertediskurs wird derzeit vielmehr durch Botschaften von (auch das wird Ihnen sicherlich nicht gefallen) Überzeugungstätern überstrapaziert und belegt im Kern die von mir anderenorts vertretene These, dass es tatsächlich um einen „Kulturkampf“ um das vermeintlich sittlich annehmbare Sterben in einer Gesellschaft geht, die für sich allerdings beansprucht, eine säkulare zu sein!

Die Diskussion wird vitaler zu führen sein, auch wenn es natürlich nicht darum gehen kann, die unterschiedlichen „Fraktionen“ pauschal zu diffamieren. Es geht um einen wissenschaftlichen Wettbewerb um das bessere Argument und da dem so ist, darf – mit Verlaub – auch deutlich angemahnt werden, dass Verfassungsinterpretation keine Philosophie ist und so manche Botschaft der Oberethiker in diesem unserem Lande die Qualität eines „Dogmas“ anzunehmen droht, über das nicht mehr verhandelt werden darf, zumal, wenn eine Ethik im Begriff, seltsam hässliche Blüten dergestalt zu treiben, die darauf ausgerichtet ist, dass Selbstbestimmungsrecht der schwersterkrankten Patienten seinem wohlverstandenen Kern zu berauben!

Ihrem Rat, ggf. eine Selbsterfahrungsgruppe für Juristen aufzusuchen, möchte ich nicht entsprechen wollen, liegt doch diesem ein „Diagnoseirrtum“ zugrunde, der insbesondere deshalb ermöglicht wird, weil hier ein Verfassungsverständnis offenbar wird, dass sich schwerlich mit meiner liberaleren Grund- und Werthaltung verträgt. Insofern sollte Sie auch überlegen, ob die Beschlüsse des 66. Deutschen Juristentages nicht doch dazu beitragen könnten, dass der von Ihnen beschriebene „schwierige ärztliche Alltag“ in einem Teilausschnitt etwas erträglicher und angenehmer gestaltet werden könnte, mal ganz davon abgesehen, dass die Thematik sich nun nicht wirklich dazu eignet, „alte Grabenkämpfe“ zwischen den Ärzten und Juristen wieder aufleben zu lassen. So wie die Ärzteschaft müssen auch die Ethiker schlicht zur Kenntnis nehmen, dass sie nicht „außerhalb der Rechtsordnung“ stehen und dort, wo im Zweifel Grenzen überschritten werden sollen, eben auch mit den Regeln des Rechts konfrontiert werden!

Wenn nicht die „Selbsterfahrungsgruppe“ aufzusuchen ist, so könnte es gleichwohl für mancher Oberethiker Sinn machen, einen Grundkurs zum Verfassungsrecht zu belegen, bevor sich dann in einem anschließenden Weiterbildungskurs vertiefte Erkenntnisse zur Funktion unserer Grundrechte in einem säkularen Verfassungsstaat mit all ihren Implikationen angeeignet werden können.

Mit freundlichen Grüßen
Lutz Barth

Dr. Thomas Georg Schätzler 29.01.201114:04 Uhr

@ Lutz Barth - peinlicher Ausbruch

Herr Assessor jur. Lutz Barth, eher "beschämend" ist ihre Haltung, den "obersten Patientenschützer in diesem Lande" und "Palliativmediziner" eins auswischen zu wollen. Begriffe wie "palliativmedizinische Sonderethik", "die ethische Marschrichtung" der BÄK oder Ihre Äußerung: "Die Ärzteschaft ist aber offensichtlich willens, einen anderen Weg zu gehen und ... in eine kollektive Trauer zu verfallen" sind völlig unangemessen und pauschal diffamierend.

Dass es meistens Juristen selbst sind, die "gleichsam die ''Akten'' weiter studieren ... wollen", fällt voll auf Sie zurück. Und "Diskussionen und Beschlüssen des 66. Deutschen Juristentages" helfen in unserem immer schwieriger werdenden medizinischen Alltag nicht weiter.

Gleich wie tragisch die Ereignisse waren,
1. hätte Frau Dr. Mechthild Bach, was auch immer sie getan hat, jederzeit einen Rechtsanspruch auf einen fairen Prozess und eine gute anwaltliche Beratung gehabt. Beides ist durchaus diskussionswürdig.
2. hätte ein nachvollziehbarer Prozessverlauf und ein abwägendes Urteil Präzisierungen, Handlungsanleitungen und Rechtsverbindliches für die Palliativmedizin, für Sterbebegleitung und Differenzierung zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe bedeuten können.

Das verleiht uns Ärztinnen und Ärzte jederzeit das Recht unseren "Ausdruck des Bedauern" zu artikulieren. Und Sie sollten wirklich ernsthaft in eine Selbsterfahrungsgruppe für Juristen gehen!

Mit freundlichen Grüßen, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Lutz Barth 29.01.201105:38 Uhr

Beschämend – wie der „Fall“ eines tragischen Schicksals instrumentalisiert wird!

Mir fehlen schlicht die Worte, wenn ich in den Medien nun lesen muss, mit welchen klugen Ratschlägen nicht nur die obersten Patientenschützer in diesem Lande, sondern auch Palliativmediziner meinen, aufwarten zu müssen, während diese vorher beredt geschwiegen haben.

Selbstverständlich sind die „Akten“ zu schließen und der palliativmedizinischen Sonderethik wird es doch wohl gelingen, etwaige Ungereimtheiten mit ihren Botschaften ausräumen zu können.

Mit Verlaub: Ich halte es für unerträglich, sein Bedauern darüber zum Ausdruck zu bringen, dass die „Bach-Akten“ nunmehr geschlossen werden und dass dieser Umstand für den Bereich der Schmerz- und Palliativmedizin äußerst problematisch ist.

Reicht es nicht zu, dass sich hier eine Kollegin das Leben genommen hat? Soll diese quasi über ihren Tod hinaus noch einen Beitrag dazu leisten, dass es der Palliativmedizin gelingt, ggf. die ethischen Dilemmata mit Blick auf ein „würdevolles Sterben“ und vor allem selbstbestimmtes Sterben aufzulösen?

Ein Blick in die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen verdeutlicht das ganze Drama des tragischen Einzelschicksals einer Ärztin, denn wird nicht dort einen leidenschaftliches Plädoyer dafür gehalten, dass der Patient nicht durch, sondern an der Hand des Arztes zu sterben verpflichtet ist?

Und ferner: Hat nicht gerade jüngst die BÄK die ethische Marschrichtung vorgegeben, wonach es immer unwahrscheinlicher wird, dass auch eine ärztliche Suizidassistenz als ethisch vertretbare Option ernsthaft in Erwägung zu ziehen ist?

Es ist den „Betroffenen“ anzuraten, sich der Diskussionen und Beschlüssen des 66. Deutschen Juristentages zu erinnern – Beschlüsse, die ein stückweit dazu beitragen können, dass mehr Rechtssicherheit für die Ärztinnen und Ärzte entsteht.

Die Ärzteschaft ist aber offensichtlich willens, einen anderen Weg zu gehen und da dem so ist, finde ich es – gelinde ausgedrückt – schon zynisch, nunmehr in eine kollektive Trauer zu verfallen, die in erster Linie dem Umstand geschuldet ist, dass die „Akten geschlossen werden“!

Mit Verlaub – das ist beschämend und spottet eigentlich jeder Beschreibung!

Ich denke, dass der Suizid der Angeklagten für sich genommen schon tragisch genug ist, so dass es jetzt doch nicht darauf ankommen kann, gleichsam die „Akten“ weiter studieren und dies auch noch mit einem Ausdruck des Bedauern untermauern zu wollen.

Lutz Barth

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