Medizinprodukteengpässe
Medizinprodukteverordnung: Auch EU-Rat stimmt Fristverlängerungen zu
Die EU verlängert die Übergangsfristen bei der Zertifizierung von Medizinprodukten. Nach dem Parlament hat nun auch der EU-Rat die Kommissionsvorschläge angenommen. So sollen Engpässe vermieden werden.
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Haben Rat und Parlament dem EU-Kommissionsvorschlag zur Fristverlängerung bei der Zertifizierung nach der EU-Medizinprodukteverordnung noch rechtzeitig zugestimmt? Gerade bei chirurgischen Instrumenten könnten künftig Engpässe drohen.
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Brüssel. Sichtliches Aufatmen bei EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides: „Dies ist ein wichtiger Schritt, der dazu beitragen wird, die kurzfristigen Schwierigkeiten der Mitgliedstaaten zu überwinden und den Patienten in der EU weiterhin Zugang zu benötigten Medizinprodukten zu gewähren.“ So äußerte sich Kyriakides am Dienstag zum positiven Votum des Rates der Europäischen Union zum Kommissions-Vorschlag in puncto EU-Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation/MDR), der darauf abzielt, den Benannten Stellen und den Herstellern mehr Zeit für die Zertifizierung von Medizinprodukten einzuräumen und damit das Risiko von Engpässen zu mindern. Damit folgte der Rat dem Europäischen Parlament, das bereits im Februar sein Placet gegeben hatte. Der Legislativvorschlag sieht eine längere Übergangsfrist für die Anpassung an die neuen MDR-Vorschriften vor.
Dieser überarbeitete Zeitplan bietet der Industrie mehr Flexibilität für die laufende Zertifizierung benötigter Medizinprodukte und verringert das kurzfristige Risiko von Engpässen. Es sei wichtig, daran zu erinnern, so Kyriakides, dass nur Produkte, die sicher sind und für die die Hersteller bereits Schritte zur Umstellung auf die Medizinprodukteverordnung unternommen haben, von dieser zusätzlichen Zeit profitieren können. Die Sicherheit der Patienten werde immer an erster Stelle stehen.
Veröffentlichung im EU-Amtsblatt für Mitte März erwartet
Die Kommission werde zusammen mit den Mitgliedstaaten, den Benannten Stellen und der Industrie weiterhin an zusätzlichen Maßnahmen arbeiten, um die strukturellen Probleme anzugehen und mittel- und langfristige Lösungen zu finden, hieß es am Dienstag kommissionsseitig. Die Sicherstellung des Übergangs zu den neuen Verordnungen müsse gemeinsame Priorität bleiben, um die Patientensicherheit zu gewährleisten und die Innovation in Europa zu fördern.
Formell solle der Änderungsvorschlag voraussichtlich am 15. März sowohl vom Europäischen Parlament als auch vom Rat angenommen werden. Kurz danach werde er im Amtsblatt veröffentlicht und tretet am Tag der Veröffentlichung in Kraft.
Industrie warnt: MDR-System noch immer nicht praxistauglich!
In einer ersten Reaktion auf das Rats-Votum wies der deutsche MedTech-Verband Spectaris darauf hin, dass verlängerte Übergangsfristen „nicht die grundlegenden strukturellen Probleme der MDR lösen, die dazu führen, dass Produkte nicht mehr in Europa hergestellt, weiterentwickelt und zuerst in der EU in Verkehr gebracht werden. Das MDR-System ist in dieser Hinsicht immer noch nicht praxistauglich.“ Hauptprobleme seien beispielsweise die enorm hohen Kosten, die überlange Verfahrensdauer sowie fehlende Sonderregelungen für Nischenprodukte (Orphan Devices). „Dazu kommt: Noch immer fehlen viele Benannte Stellen und Eudamed – eine einheitliche europäische Datenbank – als Grundpfeiler der MDR“, so Spectaris.
Angesichts des MDR-Votums des EU-Parlamentes hatte bereits der Branchenverband BVMed vor zu viel Euphorie gewarnt. Denn: Nach seiner Ansicht müssetn parallel zu dieser wichtigen Maßnahme zur Entzerrung des Flaschenhalses bei der Zertifizierung der Bestandsprodukte auch die untergesetzlichen Maßnahmen, die von der Medical Device Coordination Group (MDCG) Ende August 2022 veröffentlicht wurden, pragmatisch umgesetzt werden, damit Bestandsprodukte zeitnah in die MDR überführt werden können und auch in Zukunft der Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen.