Gastbeitrag
Mehr Beratung für mehr Organspenden!
Der Bundestag berät diesen Mittwoch zwei Initiativen zur Reform der Organspende in Deutschland. Jüngst kam von einem Experten Kritik an einem der Entwürfe: zu teuer. Das ist „unseriös“, kontert eine Parlamentarierin.
Veröffentlicht:Die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger fühlt sich über die Organspende nicht gut informiert. Für etwa ein Viertel der Menschen kommt ein Arzt oder eine Ärztin am ehesten für ein Gespräch über die Organspende infrage. Diesem Informationsdefizit und Beratungsbedarf muss ein Angebot entgegengestellt werden, das die Menschen zu einer informierten und selbstbestimmten Entscheidung befähigt und ermutigt.
Deswegen setze ich mich zusammen mit einer interfraktionellen Gruppe im Bundestag für eine Stärkung der Information, Beratung und Dokumentation zur Organspende ein. Das Vertrauen in und die Transparenz des Organspendesystems tragen wesentlich dazu bei, dass die dokumentierte Organspendebereitschaft gesteigert werden kann.
Ein Baustein in unserem Gesetzentwurf für eine freie Entscheidung ist die Vergütung hausärztlicher Beratung. Die Patientinnen und Patienten sollen die Möglichkeit bekommen bei Bedarf ihre Fragen im geschützten Gespräch stellen zu können.
Mit Irritation habe ich die Berichterstattung und die Kommentierung über die entstehenden Beratungskosten in der „Ärzte Zeitung“ gelesen. Der Skandal ist doch nicht, dass künftig eine ärztliche Beratung stattfinden soll, sondern dass diese Beratung bisher nicht in dieser Form möglich war. Der Vergütungsanspruch besteht als zeitgebundene Leistung je Patientin oder Patient maximal alle zwei Jahre.
Aufbau eine Online-Registers ist gerechtfertigt
Es ist unseriös auf Basis dieser Regelung zu kalkulieren, dass alle Versicherten alle zwei Jahre diese Leistung in Anspruch nehmen. Die meisten Menschen wollen lieber mit Familienangehörigen über Organspende sprechen, doch für diejenigen, die sich an ihren Arzt oder ihre Ärztin wenden wollen, muss es ein Angebot geben.
In diesen Fällen ist nicht damit zu rechnen, dass das Beratungsgespräch ständig wiederholt wird. Die Kosten werden sich im Rahmen halten.
Auch der Aufbau eines Onlineregisters für die Zustimmung oder den Widerspruch einer Organentnahme ist gerechtfertigt. Diese Kosten entstehen im Übrigen in beiden vorliegenden Gesetzentwürfen, bei dem, der die Einführung einer Widerspruchsregelung vorsieht, wie auch bei der freien Entscheidung.
Die Diskrepanz zwischen der überwiegend positiven Einstellung zur Organspende und der bisher geringen Dokumentation einer Entscheidung soll geschlossen werden. In den Krankenhäusern soll, schneller als bisher, ermittelt werden können, ob und welche Entscheidung registriert ist.
Um die Strukturen in den Krankenhäusern für die Organentnahme zu verbessern, wurde kürzlich im Bundestag mit dem Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende (GZSO) die gesetzliche Grundlage beschlossen. Dazu zählt auch die Vergütung der Vorbereitungs- und Entnahmekosten sowie ein Ausgleich für die Inanspruchnahme der Klinikinfrastruktur im Rahmen der Organentnahme. Diese Neuregelungen werden ihre Wirkung erst noch entfalten.
Eine aktuelle britische Studie vergleicht die Transplantationsraten von insgesamt 35 europäischen und internationalen Ländern mit Widerspruchsregelung und Ländern mit einer Entscheidungslösung. Das Ergebnis ist, dass es keinen signifikanten Unterschied der postmortalen Spenderaten zwischen Opt-in- und Opt-out-Systemen gibt.
Daraus folgt, dass so ein tiefer Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht wie eine Widerspruchsregelung nicht zu rechtfertigen ist. Es ist nicht hinzunehmen, dass Jens Spahn und Karl Lauterbach sogar Informationspflichten streichen und den bewährten Organspendeausweis abschaffen wollen.
Das Gesetz für eine freie Entscheidung wahrt stattdessen die Selbstbestimmung und stellt eine höhere Verbindlichkeit der informierten Entscheidung her. Verbesserte Information, Beratung und Dokumentation werden die Organspende in Deutschland stärken.
Dr. med. Kirsten Kappert-Gonther ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und sitzt seit 2017 für Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag. Für ihre Fraktion ist sie Sprecherin für Drogenpolitik und Gesundheitsförderung sowie Obfrau im Gesundheitsausschuss.