Medizinische Zwischenfälle

„Menschenfeindliche Arbeitsbedingungen im Bundestag“

Macht der politische Streit die Abgeordneten krank? Im Bundestag erleiden zwei Politiker an einem Tag einen Schwächeanfall. Eine Abgeordnete der Linken beklagt „menschenfeindliche“ Arbeitsbedingungen. Der Bundestag zieht direkt Konsequenzen aus den Vorfällen.

Veröffentlicht:
Die Bundestagssitzung am 7. November 2019 wurde wegen zweier medizinischer Notfälle unterbrochen.

Die Bundestagssitzung am 7. November 2019 wurde wegen zweier medizinischer Notfälle unterbrochen.

© Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa

Berlin. Im Bundestag ist es am Donnerstag binnen wenigen Stunden zu zwei medizinischen Notfällen gekommen.

Am Vormittag musste der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer seine Rede wegen gesundheitlicher Probleme abbrechen. Am Abend brach nach Angaben von Beobachtern Simone Barrientos von der Linksfraktion während einer namentlichen Abstimmung zusammen. Beide Betroffene sollen aber auf dem Weg der Besserung sein.

Die beiden Zwischenfälle löste auch eine Debatte über die Arbeitsbedingungen im Bundestag und die dortigen Umgangsformen aus.

Auf einer Trage ab ins Krankenhaus

Der nordrhein-westfälische CDU-Abgeordnete Matthias Hauer kam gegen Ende seiner Rede ins Stocken und rang nach Worten. Mitarbeiter und Abgeordnete eilten zu Hilfe und forderten ihn auf, sich hinzulegen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) unterbrach die Sitzung.

Beobachter auf der Besuchertribüne und Abgeordnete verließen den Saal. Nach Angaben eines dpa-Fotografen wurde ein Tuch als Sichtschutz hochgehalten. Schließlich wurde der 41-Jährige mit einer Trage aus dem Plenarsaal gebracht und ins Krankenhaus transportiert. Parlamentsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sagte später, Hauer sei voll stabilisiert, ansprechbar und bei den Ärzten in guten Händen.

Am Abend wurde während einer Abstimmung plötzlich nach einem Arzt gerufen. Nach Angaben der Linksfraktion hatte die Abgeordnete Simone Barrientos einen Schwächeanfall erlitten. Kubicki, der zu diesem Zeitpunkt die Sitzung leitete, unterbrach die Parlamentssitzung augenblicklich. Einmal mehr wurde die Besuchertribüne geräumt.

Rund 20 Minuten später teilte Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) mit, dass es der 56 Jahre alten Barrientos „den Umständen entsprechend besser geht“.

Abgeordnete: „Menschenfeindliche“ Arbeitsbedingungen

Zuvor hatte die Linken-Abgeordnete Anke Domscheit-Berg bereits die Arbeitsbedingungen im Bundestag als „menschenfeindlich“ kritisiert. Die Parlamentarier dürften während der Sitzungen nicht einmal Wasser trinken, schrieb sie. „Dehydrierung ist ungesund“ und behindere Denken und Konzentration.

Zudem bemängelte sie die langen Plenarsitzungen und die zahlreichen Termine. „Ich kenne kaum Bundestagskollegen ohne chronischen Schlafmangel“, schrieb Domscheit-Berg. „Wenn man gute Politik haben möchte, muss man auch gute Arbeitsbedingungen dafür schaffen.“

Künftig Defibrillator im Plenarsaal

Der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warb in seiner Rede dafür, Konsequenzen aus den Vorfällen zu ziehen. „Vielleicht sollten wir mal ein bisschen darüber nachdenken, wie wir manchmal miteinander umgehen“, sagte de Maizière. „Und vielleicht wird auch manche Häme gegenüber Politikern angesichts dessen, was heute passiert ist, auch etwas demütiger.“

Die Bundestagsverwaltung zog direkt Konsequenzen aus den Vorfällen: Direkt im Plenarsaal sollten künftig griffbereit ein Notfallkasten, Sauerstoff und ein Defibrillator platziert werden, sagte Bundestagsvizepräsident Kubicki am Freitag der dpa.

Die Parlamentsärztin im Haus brauche in Notfällen zwei bis drei Minuten, um den Plenarsaal zu erreichen, sagte Kubicki. „Und weil Zeit eine wesentliche Rolle spielt und wir ausreichend Ärzte im Plenum haben, werden wir Sauerstoff, einen Defibrillator und einen Notfallkasten so im Plenum platzieren, dass sie sehr schnell erreicht werden können.“

Das sei informell mit den Geschäftsführern der Fraktionen und im Bundestagspräsidium besprochen worden und werde jetzt sehr schnell beschlossen und umgesetzt.

Mittwoch soll regulärer Sitzungstag werden

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, sagte der dpa, es sei zudem geplant, den Mittwoch künftig zu einem regulären Sitzungstag zu machen.

Bisher kommt das Plenum mittwochs meist erst nachmittags zur Regierungsbefragung und Fragestunde zusammen. Die eigentlichen Sitzungstage sind dann am Donnerstag und Freitag. Vor allem am Donnerstag reicht die Tagesordnung oft bis weit in die Nacht hinein. (dpa)

Dieser Beitrag wurde aktualisiert am 08.11.2019 um 13:19 Uhr.

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Kommentare
Dr. Schätzler 09.11.201909:39 Uhr

Krankheitsschutz auch für Politiker?

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: "Die Bundestagsverwaltung zog direkt Konsequenzen aus den Vorfällen: Direkt im Plenarsaal sollten künftig griffbereit ein Notfallkasten, Sauerstoff und ein Defibrillator platziert werden, sagte Bundestagsvizepräsident Kubicki am Freitag der dpa."

Mit anderen Worten, die Politik, die seit Jahren in öffentlichen Einrichtungen, ihn Bahnhöfen, Flughäfen und Verkehrsknotenpunkten, Banken, Versicherungen, Behörden, Veranstaltungs- und Konzerthäusern, Kinos, Theatern, Opernhäusern usw. die Vorhaltung von Defibrillatoren und 1.Hilfe-Stationen fordert, ist nicht ansatzweise in der Lage, in ihren eigenen Einrichtungen Mindestanforderungen einzuhalten!

Das spricht für totales Versagen der öffentlichen Hand in existenziellen Fragen von Krankheit und Gesundheit.

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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