Regierungserklärung
Merkel rechtfertigt neue Lockdown-Beschlüsse
Das Gesundheitssystem darf durch Corona nicht überlastet werden, warnt die Kanzlerin. Die Opposition vermisst die Langzeitperspektive der Politik.
Veröffentlicht:Berlin. Die Sorge vor überfüllten Intensivstationen in Deutschland bleibt Motor der aktuellen Politik. In ihrer Regierungserklärung am Donnerstag vor dem Bundestag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht und eine klare Ansage getroffen.
„Was dient, das Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen, das dient auch allem anderen“, sagte Merkel. „Das Ziel ist und bleibt, die Infektionszahlen zu senken, damit die Gesundheitsämter wieder in der Lage sind, Infektionsketten zu unterbrechen“.
Teil-Lockdown bis März?
Sieben Stunden hatten Merkel und die Länderchefs am Mittwoch getagt, um dann zu beschließen, den Teil-Lockdown zunächst bis zum 20. Dezember zu verlängern. Und das mit Regeln, die dazu dienen sollen, die Kontakte der Menschen im Land weiter einzuschränken. Grund: Statt der angestrebten Verringerung der Kontakte im November um 75 Prozent seien nur 40 Prozent erreicht worden.
Die Kurve der Infektionen habe sich abgeflacht, so Merkel. Die Erfolge seien aber nicht nachhaltig. „Es gibt keine Trendumkehr. Wenn wir mit konsequenten Maßnahmen warten würden, bis die Intensivstationen unserer Krankenhäuser voll belegt sind, wäre es zu spät“, sagte die Kanzlerin.
Einer Separierung vulnerabler Gruppen als Vehikel, um dem Rest der Bevölkerung den gewohnten Alltag ohne Einschränkungen wiederherzustellen, erteilte Merkel eine Absage. „27 Millionen Menschen kann man nicht aus dem öffentlichen Bereich herausnehmen, um das ganz klar zu sagen“, wandte sich Merkel an die Abgeordneten.
Tags zuvor hatte der Gemeinsame Bundesausschuss im Auftrag der Regierung in etwa diese Zahl von Menschen in Deutschland als besonders von SARS-CoV-2 gefährdet definiert. In der Regel handelt es sich dabei um Menschen über 60 Jahre.
GBA-Stellungnahme
Über 27 Millionen Bürger sollen Anspruch auf FFP-2-Masken haben
Bereits am Donnerstagvormittag hatte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) durchblicken lassen wie die Reise weitergehen könnte. Der Teil-Lockdown werde voraussichtlich bis März andauern. Danach setzt die Regierung auf den Impfeffekt.
Medizinpersonal zuerst impfen
Der Hoffnung auf eine schnelle Zulassung der Impfstoffe verlieh auch die Kanzlerin Ausdruck. Man habe sich darauf geeinigt, die Impfung zunächst den Angehörigen der medizinischen und pflegerischen Berufe anzubieten.
Die Eingriffe in das private Leben der Menschen bezeichnete AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel als „obrigkeitsstaatlich“, „ungehörig“ und „übergriffig“.
Irgendwann müsse man ausrechnen, was die Maßnahmen die Gesellschaft kosteten, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei SPD, Bärbel Bas, dem Nachrichtensender „Phoenix“. Eine Art „Corona-Soli“ für Menschen mit Einkommen von mehreren hunderttausend Euro im Jahr wolle sie daher nicht ausschließen.
Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen, stellte sich hinter die Beschlüsse der Ministerpräsidenten und Merkel. Sie forderte aber, der Langzeitperspektive mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Die vermisst auch der FDP-Generalsekretär Volker Wissing: Es bedürfe eines Umgangs mit Handel und Gastronomie, der über mehrere Monate und nicht nur nicht nur bis zum 20. Dezember trage, sagte Wissing dem „WDR“. Dafür seien auch gefährdete Gruppen stärker in den Blick zu nehmen und zu schützen.
Freiwillig in Quarantäne
- Die von Bund und Ländern am 28.Oktober gefassten Beschlüsse gelten bis zum 20. Dezember fort. Touristische Reisen sollen unterbleiben. Bars bleiben geschlossen, Restaurants dürfen Essen nur außer Haus anbieten. Friseure dürfen öffnen.
- Verschärft wird die Vorgabe für private Zusammenkünfte: Bis zum 20.Dezember sollen sich lediglich fünf Personen aus zwei Haushalten treffen können. Kinder unter 14 Jahren zählen nicht mit.
- Zwischen 23. Dezember und 1. Januar wird das Besuchsregime gelockert. Über die Weihnachtsfeiertage und „zwischen den Jahren“ sollen sich bis zehn Personen im Familien- und Freundeskreis treffen dürfen. Privat soll auch „geböllert“ werden dürfen.
- Die Quarantänezeit wird ab 1. Dezember auf zehn Tage verkürzt. Danach soll man sich „freitesten“ können. Als Vorsichtsmaßnahme vor und nach den Tagen wird zudem eine freiwillige Quarantäne empfohlen.
- Zum Schutz von Risikogruppen wie älteren Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen sollen vermehrt Corona-Schnelltests eingesetzt werden. Jeder Pflegebedürftige soll 30Schnelltests pro Monat auf Kassenkosten erhalten. Dazu sollen die Heime Testkonzepte erstellen.
- Maskenpflicht unter freiem Himmel kann angeordnet werden, wenn die Städte das festlegen – zum Beispiel für belebte Einkaufsstraßen. Auch an Arbeitsplätzen kann Maskenpflicht gelten.