Korruptionsbekämpfung

Koalition verabschiedet Gesetz

Das Anti-Korruptionsgesetz ist beschlossene Sache, letzte koalitionsinterne Streitfragen wurden beigelegt. Nach den jüngsten Änderungen sind nur Ärzte und Zahnärzten noch adressiert.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Bis zu fünf Jahren Haft: Der Strafrahmen für Korruption im Gesundheitswesen ist drakonisch.

Bis zu fünf Jahren Haft: Der Strafrahmen für Korruption im Gesundheitswesen ist drakonisch.

© rangizzz / fotolia.com

BERLIN. Der Bundestag hat am Donnerstag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen das "Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen" verabschiedet. Das Gesetz tritt nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger, voraussichtlich im Mai, in Kraft.

Zuletzt hatte es noch Streit um die kurz vor Ostern im Rechtsausschuss konsentierte Streichung der sogenannten Berufsrechtsalternative aus dem Gesetzentwurf gegeben, wonach auch die Vorteilsannahme für einen Verstoß gegen berufsrechtliche Unabhängigkeitspflichten strafbar gewesen wäre.

Gesundheitspolitiker der SPD, darunter der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses Dr. Edgar Franke sowie der Gesundheitsexperte Prof. Karl Lauterbach, monierten, ohne die Berufsrechtsalternative würden Zuwendungen von Anbietern mit Monopolstellung, beispielsweise im Orphan-Drug-Geschäft, nicht als Korruption geahndet werden können.

Am Dienstag einigten sich Rechts- und Gesundheitspolitiker der Koalition schließlich darauf, durch eine ergänzende Formulierung im Begründungsteil des Gesetzes klarzustellen, dass auch Verordnungsentscheidungen zur "personalisierten oder individualisierten Medizin oder eine gezielte Therapie" den Wettbewerb in unlauterer Weise beeinträchtigen können und damit künftiger Korruptionsbekämpfung nicht durch die Maschen schlüpfen.

Anders als noch im Gesetzentwurf der Regierung vorgesehen, wird Korruption im Gesundheitswesen nun nicht mehr als Antragsdelikt gefasst, sondern als Offizialdelikt. Und - gleichfalls entgegen früheren Entwurfsversionen - sind sowohl Einkaufs- als auch Abgabeentscheidungen der Apotheker nicht mehr angesprochen.

Die wichtigsten Punkte des Antikorruptionsgesetzes:

  • Es werden zwei spiegelbildlich formulierte neue Paragrafen 299a "Bestechlichkeit im Gesundheitswesen" und 299b "Bestechung im Gesundheitswesen eingeführt.
  • Adressaten des §299a sind Angehörige von Heilberufen, die einer staatlich geregelten Ausbildung bedürfen.
  • Bestraft werden Vorteilsgewährung und Vorteilsnahme für die unlautere Bevorzugung eines Anbieters im Wettbewerb,
  • und zwar im Zusammmenhang mit der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten
  • sowie der Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial
  • oder dem Bezug von Arzneimitteln, Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, die ohne vorherige Verordnung unmittelbar durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Helfer angewendet werden.
  • Tätern drohen Geldstrafen oder bis zu drei Jahren Haft, in besonders schweren Fällen, etwa bandenmäßiger Korruption, bis zu fünf Jahren.

Symposium zum Anti-Korruptionsgesetz

Das Gesetz wird die Beteiligten im Gesundheitswesen vor erhebliche Herausforderungen stellen, sich effektiv vor Korruptionsverdächtigen zu schützen. Um, in dem juristischen Neuland Klarheit zu schaffen, veranstaltet RS Medical Consult am 20. April in Frankfurt und am 22. April in Nürnberg jeweils ein Symposion.

Referenten sind der Leiter der Abteilung Krankenversicherung im Bundesgesundheitsministerium, Dr. Ulrich Orlowski, der Fachanwalt für Strafrecht, Rüdiger Weidhaas und die Rechtsanwältin Pia Budian, die die Stabsabteilung Recht des Klinikums der Universität München leitet.

Kontakt: RS Medical Consult, Tel.: 079 31 – 52 612 oder info@rsmedicalconsult.com

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Kommentare
Dr. Henning Fischer 15.04.201608:46 Uhr

Kassenärzte-Verunglimpfungsgesetz


wäre wohl der richtige Name.

Warum hat in 30 Jahren als Kassenarzt bisher niemand versucht, mich ernsthaft zu korrumpieren?

Dr. Thomas Georg Schätzler 14.04.201621:06 Uhr

Es kam, wie es kommen musste!

Rechts- und Gesundheitspolitiker von Union und SPD, aber auch der Opposition, haben sich nach langen internen Querelen und fundamentalistischen Diskussionen auf ein Strafgesetz zur "Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen" als arztspezifisches Anti-Korruptions-Gesetz (AKG) geeinigt.

Auf Drängen von Rechts- und Gesundheitspolitikern der Koalition wurde eine ergänzende Formulierung in den Begründungsteil der § 299a und § 299b des Strafgesetzbuchs (StGB) eingefügt, um klarzustellen, dass auch Verordnungsentscheidungen zur "personalisierten oder individualisierten Medizin oder eine gezielte Therapie" den Wettbewerb in unlauterer Weise beeinträchtigen können und damit der künftiger Korruptionsbekämpfung nicht entgehen können.

Anders als im Gesetzentwurf der Regierung vorgesehen, wird Korruption im Gesundheitswesen nun nicht mehr als Antragsdelikt gefasst, sondern als Offizialdelikt von Amts wegen verfolgt. Und entgegen früheren vollmundigen Ankündigungen sind sowohl Einkaufs- als auch Abgabeentscheidungen der Apotheker nicht mehr angesprochen.

Die Äußerung des SPD-Abgeordneten Dr. Edgar Franke, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags, dass es ihm in diesem Zusammenhang nur "um die Sache geht. Ich bin kein Ärzte- oder Pharmahasser" klingt dagegen wie glatter Hohn.

Immer war in Sonntagsreden beteuert worden, a l l e Selbstständigen im Gesundheits- und Krankheitswesen sollten mit einem Sonder-Strafrecht nach §299a und §299b StGB gleichermaßen erfasst werden. Niemals war auch nur mit einem Wort von der primär rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung die Rede. Selbstständige Architekten, Anwälte, Notare, Handwerks-, Handels- und Industriebetriebe, ebenso wie Provisions- oder Boni-Empfänger, sollten ausdrücklich vom Kampf gegen die allgegenwärtige Korruption ausgenommen werden bzw. Bestandsschutz erhalten.

Und nun stellt sich heraus, dass nur und ausschließlich freiberuflich tätige Ärztinnen und Ärzte erfasst, diszipliniert und strafverfolgt werden sollen? Damit wäre bei den §299a und §299b StGB die Grenze der Verfassungswidrigkeit überschritten. Denn gezielt wird eine klar definierte Berufsgruppe herausgegriffen, um an ihr exemplarisch ein strafrechtliches Exempel zu statuieren. Der angeblich intendierte, für jedermann verbindliche Kampf gegen Korruption verschwimmt dagegen im Nebel der Unkenntlichkeit.

Versuche, mittels der beiden neuen StGB-Paragrafen 299a und 299b das ärztliche Berufsrecht nach der bestehenden Bundesärzteordnung (BÄO) auszuhebeln, bleiben unglaubwürdig, so lange das Berufsrecht bei allen anderen Kammer-Berufen (RENO, Handwerks-, Industrie- und Handelskammern, Architekten) unangetastet bleibt.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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