Diabetes
Mobile Beratung für Migranten
Bei türkischstämmigen Migranten ist das Risiko an Diabetes zu erkranken doppelt so hoch wie in der übrigen Bevölkerung und auch auf dem Land sind mehr Menschen betroffen. Eine spezielle mobile Diabetesberatung soll helfen.
Veröffentlicht:KÖLN. Mit einer mobilen Beratung will die Organisation diabetes-DE - Deutsche Diabetes-Hilfe zwei Gruppen für die Prävention und die Früherkennung von Diabetes sensibilisieren, bei denen herkömmliche Beratungsangebote oft nicht greifen: türkischsprachige Migranten und die ländliche Bevölkerung.
Das Modellvorhaben wird vom Bundesgesundheitsministerium über vier Jahre gefördert und wissenschaftlich begleitet.
Kernstück der "Diabetesberatung auf Rädern" ist ein speziell eingerichteter Kleintransporter, der nicht nur die gezielte Information, sondern auch die Sofort-Diagnostik ermöglicht: das Diabetesmobil.
Es ist bereits seit 2003 unterwegs. Da ohnehin ein neues angeschafft werden musste, ist es speziell auf das neue Projekt ausgerichtet worden.
"Das Mobil ist ideal, um Menschen zu erreichen, die wir sonst nicht erreichen", sagte der Initiator Martin Hadder bei der Vorstellung in Köln-Mülheim, der ersten Station der "Diabetesberatung auf Rädern".
Hadder ist der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Deutschen Diabetes-Hilfe. "Gerade Menschen mit Migrationshintergrund fallen häufig durchs Raster", weiß er.
Anstieg der Neuerkrankungen könnte gestoppt werden
Nach Schätzungen ist die Diabetes-Prävalenz in der türkischstämmigen Bevölkerung mehr als doppelt so hoch wie bei den Deutschen.
"Mit zielgerichteter Prävention können wir zumindest den Anstieg stoppen", hofft Arif Ünal, Landtagsabgeordneter der Grünen in NRW und Leiter des Gesundheitszentrums für Migranten in Köln.
"Die muttersprachliche Beratung ist das A und O bei der Präventionsarbeit, damit die Menschen ihren Lebensstil verändern." Im Diabetesmobil arbeiten türkischsprachige Diabetesberaterinnen.
Hilfreich sei aber nicht nur die Kenntnis der Sprache, sondern auch des kulturellen Hintergrunds der Migranten, betonte Ünal. So hätten Türken ein anderes Gesundheitsverständnis als Deutsche und nähmen Krankheiten häufig als gottgegeben hin.
"Wichtig ist die Aufklärung darüber, dass Diabetes kein Schicksal ist, sondern durch bestimmte Maßnahmen behandelt werden kann." Im Mobil erheben die Diabetesberaterinnen Werte wie Blutdruck, Hba1c oder den aktuellen Butzuckerwert.
Sie füllen den FindRisk-Fragebogen aus. Liegt nach der Auswertung ein erhöhtes Risiko oder schon eine Erkrankung vor, empfehlen die Beraterinnen den Besuchern, mit den ausgedruckten Daten einen Arzt aufzusuchen.
Um die Effektivität der Beratung zu überprüfen, werden in dem Projekt bei türkischen Migranten und den Landbewohnern auch sozio-strukturelle Parameter erhoben, sagte Dr. Christopher Kofahl, Stellvertretender Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie an der Uniklinik Hamburg-Eppendorf. Er ist für die wissenschaftliche Begleitung zuständig.
Rückruf nach drei Monaten
Nach drei Monaten werden alle Teilnehmer, bei denen ein Handlungsbedarf gesehen wurde, von den Diabetesberaterinnen angerufen. Sie fragen nach, ob die Personen beim Arzt waren, und wenn nicht aus welchen Gründen.
Hat der Arztbesuch stattgefunden, wird erhoben, ob sich der Diabetes-Verdacht bestätigt hat und welche Maßnahmen eingeleitet wurden. Das sei ein zaghafter Versuch festzustellen, ob sich Menschen mit einem Diabetes-Risiko motivieren lassen, etwas zu unternehmen, sagte Kofahl.
"Gesundheitsförderung und Prävention sind leider eines der Themen, die mit der wissenschaftlichen Evaluation schwer zu greifen sind."
Die wissenschaftliche Begleitung war einer der Faktoren, die das Bundesgesundheitsministerium dazu bewegt haben, "Diabetesberatung auf Rädern" zu fördern, betonte Dr. Ulrike Poller, Wissenschaftliche Oberrätin im Referat "Nicht übertragbare Krankheiten".
Weitere Vorteile seien die niedrigschwellige Beratung und die Möglichkeit der Schnelldiagnostik. "Wir versprechen uns sehr viel von dem Projekt."
Poller begrüßte, dass mit dem Diabetesmobil jetzt gezielt Risikogruppen wie türkische Migranten und Menschen in strukturschwachen Gebieten angesprochen werden.
"Es macht wenig Sinn, Primär- und Sekundärprävention flächendeckend gleichmäßig in Deutschland zu verteilen, sondern wir brauchen zielgerichtete Angebote."
Nach der Auswertung des Projekts müsse man sehen, ob und inwieweit sich der Ansatz auf weitere Gruppen oder Krankheitsbilder übertragen lasse. (iss)