Organspende

Neue Niere macht Rechtsschutz entbehrlich

Werden Patienten als "nicht transplantierbar" eingestuft, müssen sie sich sofort juristisch wehren. Generellen Anspruch auf nachträglichen Rechtsschutz haben sie nicht.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Nierentransplantation: Die Klägerin hat letztlich ein Organ erhalten.

Nierentransplantation: Die Klägerin hat letztlich ein Organ erhalten.

© Kasper / dpa

KARLSRUHE. Eine nierenkranke Frau, die später doch noch ein Spenderorgan erhalten hat, kann sich nicht nachträglich gegen ihre Einstufung als "nicht transplantierbar" durch ein Transplantationszentrum in München wehren.

Ein Rechtsschutzinteresse besteht nicht mehr, nur mögliche Schadenersatzansprüche lassen sich dann noch vor den Zivilgerichten klären, wie jetzt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied.

Danach sollten Betroffene gegebenenfalls sofort gerichtlichen Eilrechtsschutz ersuchen.

Arzt sah Vertrauensbasis gestört

Die Klägerin benötigte eine neue Niere und wandte sich deswegen an ein Transplantationszentrum in München. Weil sie und ihr Ehemann auch eine Lebendspende einer Niere des Mannes in Erwägung zogen, fuhr er zu dem Beratungstermin mit.

Mit den Gesprächen war das Paar unzufrieden. Sie hätten insbesondere nicht erfahren, warum die Münchener Ärzte eine Lebendspende ablehnten.

Zur Klärung entnommene Blutproben seien gar nicht erst untersucht worden. Seinem Ärger machte der Mann mit einer E-Mail an den chirurgischen Leiter für Nierentransplantationen Luft.

Die Mail schloss mit dem Satz: "Ich nehme an, dass ich mich mit der Beantwortung meiner Fragen nicht an die Klinikleitung bzw. die KV oder ähnliches wenden muss."

In einem Antwortbrief wies der Arzt die "unverhohlene Drohung" zurück. Eine vertrauensvolle Behandlung der Ehefrau sei offenbar nicht möglich. Deshalb werde er sie bei Eurotransplant als "nicht transplantierbar" melden. Die Frau fühlte sich dadurch ungerechtfertigt für das Verhalten ihres Ehemannes abgestraft.

Über Monate versuchte sie, eine Klärung mit dem Zentrum herbeizuführen und zog schließlich vor Gericht. Mit ihrer Klage verlangte sie die Feststellung dass ihre Einstufung als "nicht transplantierbar" rechtswidrig war. Zudem wandte sie sich an ein anderes Transplantationszentrum.

Klage zunächst abgewiesen

Dort wurde sie auf die Münchener Einstufung angesprochen. Nach einer Klärung meldete das zweite Zentrum die Frau bei Eurotransplant an, und sie konnte eine Spenderniere bekommen.

Dies geschah noch vor der Verhandlung beim Verwaltungsgericht München. Das Gericht wies die Klage daher als unzulässig ab. Es fehle ein Rechtsschutz- und Feststellungsinteresse, weil die Frau inzwischen eine Spenderniere bekommen habe.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München hatte dies bestätigt. Dem schloss sich nun auch das Bundesverfassungsgericht an. Es nahm die Beschwerde der Frau nicht zur Entscheidung an. Ein "schutzwürdiges Interesse" liege nicht mehr vor.

Zur Begründung führten die Karlsruher Richter aus, Bürger könnten Rechtsschutz nur dann verlangen, wenn ein Eingriff in ihre Rechte andauert oder fortwirkt, oder wenn eine Wiederholungsgefahr besteht. Weil die Frau zwischenzeitlich eine neue Niere bekommen habe, schieden diese Gründe aus.

Schadensersatzfrage nicht geklärt

In anderen Fällen könnten Gerichte ausnahmsweise dann Rechtsschutz gewähren, wenn der Eingriff üblich nur so kurz andauert, dass unterdessen Rechtsschutz gar nicht zu erlangen ist. Auch das treffe hier aber nicht zu.

Die Frau habe über Monate eine Klärung mit dem Münchener Zentrum gesucht und auch danach nur eine Klage und nicht auch einen Antrag auf Eilentscheidung eingereicht.

Keine Rolle spiele, dass bislang noch umstritten ist, ob die Verwaltungsgerichte oder die Zivilgerichte für Streitigkeiten Kranker mit Transplantationszentren zuständig sind. Zumindest in Eilverfahren seien die Gerichte auch dann gehalten, zügig zu entscheiden.

Sofern die Frau von dem Münchener Zentrum Schadenersatz verlangen wolle, könne sie dies mit einer Zivilklage direkt tun. Dabei sei dann gegebenenfalls auch zu prüfen, ob die Einstufung als "nicht transplantierbar" gerechtfertigt war. Eine Entscheidung darüber schon im Vorfeld sei nicht erforderlich.

Az.: 1 BvR 1705/15

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Mehr Souveränität, bitte!

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