Nur Kostenerstattung sorgt für Transparenz

BERLIN (sun). "Strikt begrenzte Ressourcen passen einfach nicht zu einem uneingeschränkten Leistungsversprechen." Aus diesem Grunde sei es aller höchste Zeit, durch die Einführung der Kostenerstattung mehr Transparenz ins System zu bringen.

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Diese Forderung hat am Donnerstag der Präsident des Internistenverbandes Dr. Wolfgang Wesiack bei der Eröffnung des 3. Internistentages in Berlin erhoben. Die Kostenerstattung sei sowohl für Ärzte und als auch Patienten ein Gewinn, so der BDI-Chef. Patienten wüssten häufig nicht, wie teuer die von ihnen in Anspruch genommenen Leistungen tatsächlich seien. Daher sei es unerlässlich, dass Patienten - aufgrund der begrenzten Ressourcen im Gesundheitssystem - künftig eine größere Mitverantwortung erhielten. Die Kostenerstattung sei vor allem wichtig, um das System für alle Beteiligten transparenter zu gestalten. Unabdingbare Voraussetzung dafür seien aber feste Preise für ärztliche Leistungen.

Ferner müssten mehr Finanzmittel für die Versorgung zur Verfügung gestellt werden. "Dabei geht es nicht um eine bessere Honorierung der Ärzte, sondern um eine bessere medizinische Versorgung der Patienten", sagte Wesiack.

Die Politik verlange von den Ärzten "das Paradoxon, dass eine erstklassige Medizin zu zweitklassigen Bedingungen" erbracht werden solle. Die "bittere Wahrheit" sei allerdings, dass es eine Medizin gebe, die die Internisten gerne betreiben würden, aber nicht machen dürften.

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Kommentare
Marco Schade 13.09.201009:32 Uhr

Keine Akzeptanz beim Patienten

Ich kann mich den Ausführungen von Herrn Dr. Schätzler nur anschießen.

Zudem sollte noch bedacht werden, dass die Kostenerstattung beim Patienten keine Akzeptanz findet.

Die Krankenkassen erstatten in der Regel nur einen Bruchteil des Rechnungsbetrags, nämlich den Anteil, den sie bei einer Leistungsinanspruchnahme über die KV bezahlt hätten. Darüber hinaus fällt für den Versicherten ein Verwaltungskostenabschlag an, da der erhöhte bürokratische Aufwand für die Krankenkasse nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft gehen darf.

Die Kostenerstattung können sich deshalb nur Patienten leisten, die auch das Geld haben um neben der GKV Vollversicherung (Sachleistungsprinzip) eine private Zusatzversicherung zu finanzieren um die verbleibenden Kosten abzudecken.

Ärzte werden eine Ausweitung des Patientenkreises der sich freiwillig für die Kostenerstattung entscheidet nicht erreichen können. Die politisch gewollte Stärkung der Kostenerstattung erfolgt wie immer in letzter Zeit zu Lasten der Versicherten/Patienten. Dieses Konzept ist damit in jedem Fall zum Scheitern bestimmt.

Dr. Thomas Georg Schätzler 11.09.201012:36 Uhr

Antwort nicht nur für Herrn Kollegen Dr. med. Vartan S.Ter-Akopow

Die Beantwortung Ihrer 2 Fragen in der gebotenen Kürze:

Zu 1. Bei allen Privatversicherten in Deutschland besteht grundsätzlich nur ein Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient. Ob und wie "Private" rückversichert sind oder Kostenerstattung z. B. durch Beihilfe bekommen, ist zweitrangig und für die Arzt-Patient-Beziehung irrelevant.

Zu 2. Das "Ausland" muss differenziert betrachtet werden:

a) Systeme mit "Nationalen Gesundheitsdiensten" wie Großbritannien (NHS)
haben eine steuerfinanzierte Vollversorgung. Durch das NICE-Institut wird bestimmt, welche zusätzlichen medizinischen Leistungen der NHS erbringen soll (anerkannte diagnostische, therapeutische, präventive und palliative Leistungen bleiben davon unberührt). Daneben gibt es ein autonomes privatärztliches System. Schweden, Finnland, Norwegen und auch Dänemark haben ähnliche Systeme, manche mit überschaubaren Rezeptgebühren.

b) Gemischte Systeme wie z. B. Frankreich: Allgemeine öffentliche Versicherungspflicht, aber z. T. sehr hohe Selbstbeteiligungen bei Medikamenten, Heil- und Hilfsmitteln, Arztkontakten und Hausbesuchen. Ähnlich in Österreich, Spanien, Portugal. In Italien ist die Korruptions- und "Bakschisch"-Rate teilweise so hoch, dass das Krankenversicherungssystem offiziell als besonders preisgünstig angesehen wird, die wahren Kosten aber höher liegen.

c) Offene Systeme mit Angebot- und Nachfrageregulierung zwischen Arzt und Patient, auch durch die Privaten Krankenversicherungen (PKV) direkt gesteuert, z. B. in den USA: Jede einzelne, auch kleinste Dienstleistung (1 Rezept = 100 $) wird direkt beim Arzt bezahlt, Kliniken verlangen Vorkasse und die PKV selbst dirigiert oft Art und Umfang medizinischer Dienstleistungen (managed care). Für Mittellose gibt es MEDICARE, eine halbstaatliche Wohlfahrtsorganisation, die nicht alle Bedürftigen erreichen kann (die Ärztinnen und Ärzte aus US-TV-Medizinserien, die in ihrer Freizeit kostenlose, öffentliche "Armensprechstunden" abhalten. gibt es tatsächlich!).

In der deutschen GKV hat der "Vertrags"arzt mit seiner KV und diese wiederum mit der GKV-Kassen (und dem Gesundheitsfonds) ihren Vertrag, aus dem die Vertragsarzthonorare fließen. Dies wird konterkariert durch den individuellen "Behandlungs"vertrag zwischen Arzt und Patient, mit seinen straf- und zivilrechtlichen Folgen bei suboptimaler Behandlung.

Nachbemerkung: Ich wollte und will niemanden belehren, ich möchte nur, dass die Fakten referiert und diskutiert werden, und nicht vage Vermutungen, Wunschvorstellungen und Irrationalitäten.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen Ihr Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Thomas Georg Schätzler 10.09.201011:55 Uhr

Kostenerstattung als Irrweg

Immer wenn Politiker auf dem Holzweg, Ärzteverbände auf dem Irrweg und Kolleginnen und Kollegen auf dem 3. Internistentag des BDI in Berlin sind, taucht aus der gesundheitspolitischen Mottenkiste die KOSTENERSTATTUNG wieder auf!
Die Kostenerstattung ist ein grandioses Ablenkungsmanöver und, mit Verlaub Herr Kollege Wolfgang Wesiack, eine Spielwiese verbandspolitische Dilettanten. Denn die Kostenerstattung kann nicht funktionieren:

1. Weil unsere GKV-Versicherten als Patienten bereits in Vorleistung getreten sind. Sie haben die Behandlungskosten in Klinik und Praxis bereits durch Ihre GKV-Beiträge vorfinanziert (Sachleistungsprinzip).

2. Wer Ärzte häufiger und krankheitsbedingt intensiver in Anspruch nimmt, hat die Mehrkosten durch die Beiträge der gesunden GKV-Versicherten ausgeglichen bekommen (Solidaritätsprinzip).

3. Wenn die GKV-Beiträge bei Rentnern und Niedriglohngruppen nicht
ausreichen bzw. bei beitragsfrei gestellten Familienmitgliedern oder aus anderen Gründen Zahlungsunfähigen gar nicht fließen, müssen Staat und Steuerzahler einspringen, um Defizite auszugleichen (Subsidiaritätsprinzip).

4.Wer GKV-Beiträge ordnungsgemäß bisher bezahlt hat und weiter bezahlen wird, genießt einen durch unsere Verfassung verbrieften Vertrauensvorschuss und Bestandsschutz (Legalitätsprinzip).

5. Das Bundesverfassungsgericht akzeptiert Steuerungsmechanismen durch die Praxis- und Verordnungsblattgebühr bzw. angemessene Selbstbeteiligung bei stationärer Vollversorgung (Verhältnismäßigkeitsprinzip).

6. Eine Vorleistung durch GKV-Beiträge u n d zusätzliche Arztrechnungen, auch wenn sie dann erstattet werden, führen bei den gesetzlichen Krankenkassen zu einer explodierenden Bürokratie und bei den Patienten zu einem unvertretbaren Aufwand. Das bestehende Sozialgesetzbuch würde in verfassungswidriger Weise ausgehöhlt (Verfassungsmäßigkeitsprinzip).

Es gibt aber auch ganz praktische Bedenken: Welcher Patient oder Patientin setzen sich nach Feierabend noch hin, sortieren, ver- und begleichen (hoffentlich fristgerecht) Arztrechnungen diverser Fachrichtungen auch für ihre minderjährigen Kinder und hoch betagten Eltern/Großeltern. Wie sollen Senioren und greise Patientinnen und Patienten, evtl. demenzkrank, teilerblindet oder orientierungsgemindert mit diesen Rechnungen und Kostenerstattungen fertig werden?

Das Kostenerstattungsprinzip ist wie der Wurstzipfel beim Hunderennen: Er hängt an der Angel, wir hecheln alle hinterher. Sollten wir das Ziel jemals erreichen, hat uns ein anderer Hund den Zipfel Kostenerstattung schon längst weggeschnappt.

Mit kollegialen Grüßen! Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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