Unterfinanzierung der Pflege

Nur ein Notnagel reicht nicht

Experten glauben nicht, dass eine bessere Berücksichtigung der Pflegekosten in der DRG-Kalkulation ausreicht, um die Personalnöte in den Krankenhäusern in den Griff zu bekommen. So lasse sich lediglich ein weiterer Rückgang stoppen.

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ESSEN. In den Krankenhäusern besteht bei der Finanzierung der Pflege akuter Handlungsbedarf. "Wir haben eine Situation erreicht, in der wir kurzfristig etwas tun müssen", sagte der Gesundheitsökonom Professor Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen auf einer Fachtagung seines Lehrstuhls für Medizinmanagement zur Mittelknappheit im Krankenhaus.

Die angemessene Berücksichtigung der Pflegekosten bei der DRG-Kalkulation, wie sie im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, reiche nicht aus, betonte Wasem. Damit lasse sich höchstens der Rückgang beim Pflegepersonal stoppen. "Wir brauchen eine Regelung, die sicherstellt, dass wir eine Aufstockung finanziert kriegen."

Eine Untersuchung des Lehrstuhls hatte gezeigt, dass es in vielen Kliniken als Folge der schlechten Finanzsituation sowohl Überversorgung als auch Rationierung gibt.

Ganz deutlich wurde bei der Befragung von Chefärzten, Pflegedirektoren und Verwaltungschefs, dass die Mittelknappheit vor allem auf die Pflege durchschlägt und die Patienten hier die meisten Einschränkungen erfahren.

"Die Auswirkungen auf die Patienten sind ein Problem, mit dem Pflegekräfte im Alltag umgehen müssen", bestätigte Corina Naujock, stellvertretende Pflegedirektorin am Universitätsklinikum Essen.

Was die Pflegekräfte tun müssten, stehe oft im Konflikt mit dem, was sie in ihrer Ausbildung gelernt haben, sagte Naujock, die Geschäftsführerin des Verbandes der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätskliniken Deutschlands ist.

"Mittelknappheit im Krankenhaus trifft Patienten direkt"

Beim Abbau der Personaldecke in den Kliniken sei eine Grenze erreicht. "Bei der Leistungsverdichtung sind wir an dem Punkt, der noch vertretbar ist, schon nach unten vorbei", betonte sie.

Die Pflegekräfte müssten sich zunehmend auf zentrale Tätigkeiten konzentrieren, die Information und Beratung der Patienten werde reduziert oder falle ganz weg. "Das führt dazu, dass die Patienten verunsichert sind, was Auswirkungen auf den Behandlungserfolg hat."

Durch den Abbau im Pflegebereich werden die Kranken im Stich gelassen, sagte auch Dr. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. "Die Mittelknappheit im Krankenhaus trifft jeden Patienten direkt."

Die Hoffnung, durch die Verlagerung stationärer Kapazitäten in den ambulanten Bereich werde sich die Situation entspannen, könnte sich seiner Meinung nach als trügerisch erweisen. Viele Eingriffe setzten eine kleine Sedierung voraus. Werden sie ambulant erbracht, müssten die Patienten zuhause versorgt werden.

Das werde angesichts der zunehmenden Zahl von Single-Haushalten aber immer schwieriger. "Wenn wir viele Krankenhäuser schließen, sind wir auf die Zukunft nicht ausreichend vorbereitet", warnte Windhorst.

Für eine Finanzspritze plädiert

Die pflegerische Besetzung in den Kliniken halte schon seit Jahren mit dem Fallanstieg nicht Schritt, sagte Matthias Mohrmann, Vorstand der AOK Rheinland/Hamburg.

Das führe zu einer Art "Unterversorgung in der Überversorgung". Zugespitzt formuliert: "Die Patienten werden gern aufgenommen, finden dann aber niemanden vor, der sich um ihre Bedürfnisse kümmert."

Auch Mohrmann plädierte für eine Finanzspritze. "Wir müssen in die Pflege investieren und sehen, dass das Geld dort tatsächlich ankommt."

Die bessere finanzielle Ausstattung könne dazu beitragen, die Pflegeberufe wieder attraktiver zu machen, sagte Gesundheitsökonom Wasem. Dabei dürfe man allerdings nicht stehen bleiben.

"Mehr Geld für die Pflege reicht nicht, wenn die Pflegekräfte in Häusern arbeiten sollen, in denen es aus der Decke tropft." (iss)

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