Minderwertige Brustimplantate

PIP-Skandal - ein Jahr danach

Die Aktion war ohne Beispiel: Zehntausenden Frauen riet das französische Gesundheitsministerium vor einem Jahr, die minderwertigen Brustimplantate des Herstellers PIP entfernen zu lassen. Wie man jetzt weiß, reichen die Wurzeln des Skandals bis ins Jahr 1996 zurück.

Von Gerd Roth Veröffentlicht:
Operation zur Explantation eines Silikonimplantats aus der Brust.

Operation zur Explantation eines Silikonimplantats aus der Brust.

© dpa

PARIS. Industriesilikon für medizinische Eingriffe, billige Gelpolster statt hochwertiger Brustimplantate - für unzählige Frauen ist der Name der französischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) mit nachhaltigen Risiken für ihre Gesundheit verbunden.

Jahrelang verkaufte das Unternehmen Implantate aus billigem Industriesilikon. Vor knapp einem Jahr zog das französische Gesundheitsministerium die Konsequenzen. In einer beispiellosen Aktion wurden Frauen aufgefordert, die gefährlichen Polster entfernen zu lassen.

Viele Länder folgten dem spektakulären Aufruf, Deutschland im Januar 2012. Weltweit sollen bis zu 500 000 Frauen Implantate der französischen Firma erhalten haben.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte geht für Deutschland von mehr als 5000 betroffenen Frauen aus.

Erster Verdacht schon 1996

Die Wurzeln des Skandals reichen zurück bis ins Jahr 1996. Die französische Gesundheitsbehörde Direction générale de la santé berichtet von einer ersten Überwachung des Unternehmens bis 1997.

Bei erneuten Kontrollen von Silikon-Implantaten wurden 2001 erhebliche Abweichungen festgestellt. Die Erklärungen von PIP reichten aber aus, das Unternehmen in den kommenden Jahren nicht übermäßig zu kontrollieren.

Erst nach einer Häufung von Meldungen sowie Warnungen eines Chirurgen wurde 2010 bei einer intensiveren Inspektion der PIP-Produktion in La Seyne-sur-Mer nahe Toulon das falsche Silikon entdeckt. Frankreich untersagte anschließend europaweit Vermarktung, Vertrieb und weitere Verwendung der Brustimplantate. Im selben Jahr ging die Firma pleite.

Mehrere Fälle von Brustkrebs bei Patientinnen mit PIP-Implantaten nährten den Verdacht, Billigsilikon aus den leckenden oder reißenden Polstern könne auch krebserregend sein.

Aber französische Krebsforscher sehen "bislang keine Fakten" für einen speziellen Zusammenhang von Krebstumoren mit PIP-Produkten im Vergleich zu anderen Implantaten.

Minister zieht die Notbremse

Im Dezember 2011 berieten französische Gesundheitsbehörden, Experten und Patientenverbände vorliegende Erkenntnisse. Kurz darauf zog der damalige Gesundheitsminister Xavier Bertrand dann die Notbremse: Er riet 30.000 Frauen in Frankreich, sich erneut operieren zu lassen, auch wenn die Silikonkissen keine Defekte oder Risse zeigten.

Bisher haben sich mehr als 14 300 Frauen allein in Frankreich PIP-Implantate teils vorsorglich entfernen lassen. Bei 3290 Betroffenen wurden Risse an den Silikonkissen festgestellt.

In 1957 Fällen diagnostizierten Ärzte Entzündungen. In Deutschland wurden bis Mitte 2012 etwa 1000 Implantate entfernt. Bei mehr als einem Viertel war ein Kissen gerissen, bei jedem fünften Silikon ausgetreten.

Der zwischenzeitlich inhaftierte PIP-Firmengründer Jean-Claude Mas will schon seit 1995 billiges Gel in die Prothesen gefüllt haben. Das Industriesilikon soll fünfmal günstiger gewesen sein als jenes für medizinische Zwecke.

Vor Kontrollen soll das Industriesilikon containerweise entsorgt worden sein. Im Frühjahr wird in Frankreich der Prozess wegen fahrlässiger Körperverletzung erwartet.

Schadenersatz-Klage in Deutschland

In Deutschland wird vor dem Landgericht Karlsruhe über Schadenersatzansprüche verhandelt. In der mündlichen Verhandlung Mitte November machten die Richter Betroffenen wenig Hoffnung auf schnellen Schadenersatz.

Sie sahen weder Versäumnisse des TÜV Rheinland, der die Implantate zertifiziert hatte noch ein Versagen der Aufsichtsbehörden. Zudem bezweifeln die Richter Ansprüche gegen die französische Versicherung von PIP.

So bliebe nur die Möglichkeit, den behandelnden Arzt zu verklagen - etwa wegen mangelhafter Aufklärung über die Risiken. Dies soll nun ein Gutachten klären.

Die Karlsruher Klägerin Iris Herold bleibt zuversichtlich: "Es gibt so viele Betroffene - es kann nicht sein, dass niemand für den Schaden haftet." (dpa)

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