Wechselfreiheit

PKV gerät unter Wettbewerbsdruck

Union und FDP planen, den Markt der privaten Krankenversicherung neu zu ordnen. Ihre Instrumente: Völlige Wechselfreiheit durch eine Mitnahmemöglichkeit für die Altersrückstellungen und ein Leistungskatalog. Die Unternehmen wehren sich.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Ein Wechsel der Privaten Krankenversicherung soll leichter möglich werden, das strebt die Union an.

Ein Wechsel der Privaten Krankenversicherung soll leichter möglich werden, das strebt die Union an.

© N-Media-Images / fotolia.com

BERLIN. Eine Neuordnung des privaten Krankenversicherungsmarktes kristallisiert sich als eines der Großprojekte für die nächste Legislaturperiode heraus. Jetzt hat auch die CSU angekündigt, sich einem weiter reichenden Wettbewerb im Bestandsmarkt nicht zu verweigern.

Die PKV dürfe nicht so bleiben, wie sie sei, sagte der CSU-Gesundheitspolitiker Johannes Singhammer dem "Handelsblatt".

Es geht um die Altersrückstellungen der Versicherten. Sie setzen die Unternehmen ein, um für Kunden im Rentenalter den Beitragsanstieg zu dämpfen oder die Beiträge gar etwas senken zu können.

Wechselt ein Kunde das Unternehmen, verbleiben diese Rückstellungen beim Versicherer. Ausnahme ist der Wechsel in den Basistarif eines anderen Unternehmens. Dann bekommt der Kunde einen Teil seiner Rückstellungen mit auf den Weg.

Meist sind dies um die 60 Prozent der Gesamtsumme. Die Basistarifregel gilt seit 2009 und nur für die rund 900.000 Neukunden, die seither in die PKV eingetreten sind.

Schon damals wollte die große Koalition aus CDU und SPD die Portabilität der Altersrückstellungen voll durchsetzen.

Auch FDP will Wahlfreiheit

Jetzt will die schwarz-gelbe Koalition, einen Wahlsieg am 22. September vorausgesetzt, einen neuen Anlauf nehmen. Und die bislang noch zögernde CSU scheint mit im Boot.

Selbst die FDP, die bis zum Beginn der Legislaturperiode noch als natürlicher Verbündeter der privaten Assekuranz galt, fordert längst Wechselfreiheit.

Der liberale Gesundheitsminister Daniel Bahr wirft den Versicherungsunternehmen vor, sie behandelten ihre Kunden nach dem Motto "Einmal mitgegangen, für immer eingefangen".

Hintergrund der wachsenden Skepsis gegenüber der PKV könnten Meldungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sein. Im April hatte die Behörde festgestellt, dass 18 der 43 privaten Krankenversicherer ihre Zinszusagen in diesem Jahr nicht einhalten könnten.

Mit einer weit reichenden Mitnahmemöglichkeit für die Alterungsrückstellungen ließe sich der Markt bereinigen, so das Kalkül in Union und Teilen der FDP.

Die FDP geht sogar noch weiter. Sie will der PKV einen Mindestleistungskatalog für alle Tarife vorschreiben. Bislang gibt es einen solchen Katalog nur für die einheitlichen Basistarife.

Sie müssen soviel Schutz bieten wie die gesetzliche Krankenversicherung. Ein solcher Katalog wiederum würde das Geschäft einiger Anbieter mit günstigen Einsteigertarifen erschweren, das den Politikern seit geraumer Zeit ein Dorn im Auge ist.

Die privaten Unternehmen verwahren sich gegen staatliche Eingriffe in ihre Vertragsfreiheit. "Für den Versichertenbestand gilt: Vertrag ist Vertrag", sagte der Sprecher des PKV-Verbandes, Stefan Reker, der "Ärzte Zeitung".

Für die Mitnahme von Altersrückstellungen gebe es bislang keine praktikablen Konzepte.

Hartmannbund: Absage an Einheitshonorar

Ungemach droht der privaten Assekuranz auch von anderer Stelle. Immer lauter wird der Ruf nach einer einheitlichen Gebührenordnung, also nach einer Aufhebung der Trennung zwischen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM).

Dies gilt nicht nur für SPD, Grüne und Linke, die eine Bürgerversicherung einführen und die PKV aus dem System drängen wollen.

Eine solche Einheitsversicherung wünscht sich der AOK-Bundesverbandsvorsitzende Jürgen Graalmann zwar nicht.

Er sieht aber gleichwohl eine Tendenz zur Vereinheitlichung der Honorarordnung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung, wie Graalmann der "Passauer Neuen Presse" sagte.

Gegen solche Tendenzen hat sich am Mittwoch der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, gewandt. "Eine freiheitliche Gebührenordnung für Ärzte, unabhängig von allen Sozialversicherungssystemen und frei von Budget- und Finanzierungszwängen ist der Grundpfeiler unserer Freiberuflichkeit", sagte Reinhardt in Berlin.

Sie sei der Garant für therapeutische Unabhängigkeit und ein von Zwängen befreites direktes Arzt-Patienten-Verhältnis. Die besondere Schutzfunktion des Arztes für den Patienten sei nur durch den Erhalt der Möglichkeit gegeben, seinen Beruf in einer freien pluralistischen Gesellschaft auch jenseits einer existierenden Sozialgesetzgebung ausüben zu können.

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Kommentare
Carsten Windt 02.08.201310:37 Uhr

Machbar ist alles, aber es kostet ....

Besonderheit der Alterungsrückstellung ist, dass es sich um kein persönliches Sparbuch sondern um eine kollektive Rückstellung handelt, Wer vorzeitig ausscheidet- sei es durch Tod oder auch Kündigung- "vererbt" die eingezahlten Rückstellungen an die Gemeinschaft. Werden die Rückstellungen portabel (wohin auch immer) reduziert sich der Vererbungsanteil und erhöhen sich die Verwaltungskosten (schliesslich müssen diese Übertragungen verarbeitet werden). Die Zeche zahlen die Versicherten.
In Zeiten von Begehrlichkeiten werden neue "Spielwiesen" geschaffen, durchaus zum Schaden von gut arbeitenden Gesellschaften.Esgibt Unternehmen, die heute noch mehr als die 3,5% Verzinsung erzielen und somit höhere Rückstellungen bilden. Da wäre es durchaus ein Ziel diese Gelder abzuzoehen und woanders hin zu verteilen....

Dr. Thomas Georg Schätzler 02.08.201300:02 Uhr

Regierungsparteien machen populistisch Druck auf die PKV?

Dann sollte man aber auch so konsequent sein, den Begriff "Versicherung" aus dem Vokabular der gesetzlichen oder privaten Krankheits- und Gesundheitsfürsorge zu streichen. Denn PKV wie GKV sind U m l a g e k a s s e n und k e i n e eigentlichen Versicherungen mit einem Vorsorge-, (Ausschluss-)Diagnostik-, Therapie- und Palliativbereich. Die Solidargemeinschaft der privat wie gesetzlich Versicherten finanziert ein im individuellen Einzelfall unüberschaubares, existenziell bedrohliches Krankheitsgeschehen.

Im Gegensatz zur Hausratversicherung, wo mit einer fixen monatlichen Versicherungsprämie „X“ ein Versicherungswert „Y“ zu einer Versicherungssumme „Z“ im nur seltenen Schadeneintrittsfall versichert wird, gibt es bei der Kranken- wie auch der Lebensversicherung einen „tot“-sicheren Erlebens- und Ereignisfall. Während sich die Lebensversicherungsprämien an einer versicherungsmathematisch berechenbaren Sterbetafel orientieren, die Versicherungskonzerne ein echtes unternehmerisches Risiko übernehmen und die monatlichen Prämien i. d. R. n i c h t dynamisiert werden, gibt es bei Kranken-“Versicherungen“ eine Fülle von versicherungs-untypischen Problemen, die zur Umlagekasse führen. Zum einen unterliegen Krankheitshäufigkeits-, Wahrnehmungs-, Intensitäts-, Chronizitäts- bzw. Morbiditätsentwicklungen und ihre Bewältigungsstrategien („Coping“) einem massiven soziodemografischen und epidemiologisch-kulturellen Wandel. Zum anderen entwickeln sich Kostenverlauf und Krankenversicherungsrisiko sprunghaft, wenn in Kindheit- Jugend- und Erwachsenenalter ebenso ubiquitär wie idiopathische schwere, lebensbedrohliche und extrem kostenintensive System- und maligne Erkrankungen auftreten („dread diseases“), die z. B. eine Organtransplantation erfordern. Zugleich entwickelt sich im Alter ein massiver Krankheitskostenschub, der durch geringe Erwerbseinkünfte und niedrigeres Rentenniveau bei den betroffenen Patienten konterkariert wird. In den letzten zwei Lebensjahren vor dem Tod werden ca. 80 Prozent der lebenslangen durchschnittlichen Krankheitskosten benötigt, um Krankheit, Siechtum und Palliation am Lebensende medizinisch adäquat zu bewältigen.

D a s ist allerdings K e r n p r o b l e m für die Private Krankenversicherung (PKV). D e s h a l b scheut sie Portabilität und Übertragbarkeit von Alterungsrückstellungen wie der Teufel das Weihwasser. Denn das PKV-Geschäftsmodell orientiert sich an günstigen Lockvogeltarifen als „Einstiegsdroge“ in die Welt der Chefarzt- und Exklusivbehandlung, steigert dann exorbitant die individuellen Versicherungsprämien und Eigenbeteiligungen, um am Lebensende feststellen zu müssen, dass die Alterungsrückstellungen hinten und vorne nicht reichen. Das ist der Grund weswegen viele unserer betagten Privatpatienten ihre PKV-Prämien (und manche Arztrechnungen) nur noch unter größten Mühen und Entbehrungen bezahlen können. Von einer echten Wechselmöglichkeit und GKV-Versicherungsalternative ganz zu schweigen.

Die Lohn- und Einkommens-orientierte GKV-Versicherung als immer schon real existierende Bürgerversicherung verfügt über solidarische und subsidiäre Finanzierungsalternativen. Einerseits könnte die Beitragsbemessungsgrenze bedarfsgerecht erhöht und n i c h t lohnsummenabhängige sonstige Einkünfte mit berücksichtigt, zum anderen könnte der Beitragssatz je nach Konjunktur- und Kassenlage flexibilisiert werden. Wesentliches GKV-Erfolgsmodell ist allerdings, die Arzthonorare massiv zu drücken: Vgl. die jüngste EBM-Hausarzt-Honorarreform, wo über eine 35-jährige Lebensspanne unserer Patientinnen und Patienten für die eigentliche ärztliche Arbeit w e n i g e r pro Quartal gezahlt wird, als für die reine Vorhaltung von hausärztlichen Praxisstrukturen: 13,5 Cent vs. knapp 16 Cent Praxis-Umsatz pro Quartalstag und pro Patient! Da kann man schon fast Verständnis entwickeln für die Hartmannbund-Forderung g e g e n ein Einheitshonorar EBM/GOÄ.

Mf+kG, Dr. me

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