Bericht der Wehrbeauftragten

Personallage beim Sanitätsdienst der Bundeswehr weiter prekär

Ohne Vertragsärzte wäre die truppenärztliche Versorgung von Soldaten kaum noch zu stemmen. Der Bericht der Wehrbeauftragten skizziert die Nöte der Bundeswehr bei der Gewinnung von Ärztinnen und Ärzten.

Veröffentlicht:
 Eva Högl und Bärbel Bas

Die Wehrbeauftragte Eva Högl (r.) hat am Dienstag ihren jüngsten Bericht an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) übergeben.

© Kay Nietfeld/dpa

Berlin. Die medizinische Versorgung von Soldaten wäre in der Fläche ohne Vertragsärztinnen und -ärzte kaum zu stemmen. Das geht aus dem Bericht der Wehrbeauftragten Eva Högl hervor, der am Dienstag vorgelegt worden ist. Die niedergelassenen Ärzte seien angesichts der „oftmals angespannter Personalsituationen (...) in der regionalen medizinischen Versorgung von wesentlicher Bedeutung“, heißt es darin.

Zu den Versorgungsengpässen tragen offenbar auch Konflikte innerhalb der Bundesregierung bei: Der Sanitätsdienst habe bereits seit mehreren Jahren keine neuen Vertragsärzte mehr anstellen können. Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2019, in deren Folge diese Vertragsärzte als Kooperationspartner der Bundeswehr seitdem sozialversicherungspflichtig sind. Seitdem streiten das Bundesverteidigungs- und das Innenministerium darüber, „wer die Abführung von Sozialabgaben übernehmen solle“.

Zwei Ministerien im Nahkampf

Die Wehrbeauftragte zeigt sich darüber wenig amüsiert: „Es ist nur schwer nachvollziehbar, dass sich die bereits angespannte Personallage in der regionalen sanitätsdienstlichen Versorgung nur deswegen über Jahre noch weiter verschärfte, weil sich zwei Bundesministerien nicht über die Verlagerung von zwei Dienstposten einigen konnten“, so Högl. Jetzt deutet sich offenbar an, dass das Bundesverwaltungsamt diese Aufgabe übernehmen könnte – doch entschieden ist noch nichts.

Seit 2020 sind dem Bericht zufolge 45 Vertragsverhältnisse mit niedergelassenen Ärzten ausgelaufen, was aufgrund von Mehrfachverträgen 104 von 129 Sanitätsversorgungszentren betroffen hat. Der Bericht listet Beispiele für die „mangelhafte Leistungsfähigkeit mehrerer Sanitätsversorgungszentren“ auf, verbunden mit harscher Kritik der Wehrbeauftragten. „Ein funktionierender Sanitätsdienst ist essenziell, denn ohne ausreichende medizinische Kapazitäten ist der Einsatz von Soldatinnen und Soldaten nicht zu verantworten“, schreibt Högl.

Als Fortschritt begrüßt die Wehrbeauftragte Pläne des Verteidigungsministeriums, den Patientenbetreuungsschlüssel zu überarbeiten. Künftig sollen in den jeweiligen Sanitätseinrichtungen die unterschiedlichen Altersstrukturen der Truppe vor Ort berücksichtigt werden. Schnelle Abhilfe sei aber auch hier nicht in Sicht.

Ein Ende der Gesundheitsakte auf Papier?

Hoffnung sieht Högl hingegen beim Langzeitprojekt der Einführung einer digitalen Gesundheitsakte für die Soldaten. Die sogenannten G-Akten werden bei der Bundeswehr seit ihrer Gründung „überwiegend händisch“ geführt. Beim postalischen Versand der Papierakte in Folge von Versetzungen oder Lehrgängen stelle die Fehleranfälligkeit einen „Stressfaktor“ dar, so die Wehrbeauftragte.

Vor zwei Jahren lag zunächst nur eine Teilfinanzierung in Höhe von 18 Millionen Euro für die Digitalisierungsprojekte vor, doch inzwischen gebe es die notwendigen Finanzierungszusagen auch für die elektronische Gesundheitsakte. Bissig ergänzt Högl: „Das ist dringend nötig, denn die Digitalisierung der sanitätsdienstlichen Versorgung insgesamt ist mangelhaft.“

22 Prozent der Dienstposten unbesetzt

Wenig Fortschritte kann die Wehrbeauftragte bei der personellen Konsolidierung des Sanitätsdienstes vermelden: Bei Offizieren und Unteroffizieren waren im Vorjahr rund 22 Prozent der Dienstposten unbesetzt. Vor drei Jahren hatte das Verteidigungsministerium zwar entschieden, 2.000 zusätzliche Dienstposten im Sanitätsdienst zu schaffen. Diese sind inzwischen organisatorisch auch ganz überwiegend eingerichtet – aber nur zu rund 26 Prozent tatsächlich besetzt. Bei Offizieren sind 97 der 270 Dienstposten besetzt, bei Unteroffizieren und Mannschaften gilt dies für 419 von 1.689 Dienstposten.

Von einem „äußerst schlechten personellen Besetzungsstand“ sind die Innere Medizin, insbesondere Gastroenterologie und Augenheilkunde, Thoraxchirurgie oder Mikrobiologie betroffen. Weiterverpflichtungen sowie die Gewährung von Gewinnungs- und Bindungsprämien hätten hier nach Angaben des Verteidigungsministeriums nur begrenzte Wirkung.

Begehrte Studienplätze für Humanmedizin bei der Bundeswehr

Besser sieht die Lage demnach in der Frauenheilkunde, Rechtsmedizin, Plastische/Ästhetische Chirurgie sowie bei Angiologie und Pneumologie aus. Hier könnten 100 Prozent der ausgewiesenen Posten besetzt werden. „Unverändert gut“ sei die Bewerberlage für die Laufbahn der Offiziere im Sanitätsdienst mit dem Studium der Humanmedizin. Hier habe es zuletzt 1.000 Bewerbungen auf 250 Studienplätze gegeben.

Noch schwieriger werden die Zeiten dagegen bei der Fachkrankenpflege, heißt es im Bericht. Das Ministerium rechne hier insbesondere im Bereich der Anästhesie und Intensivmedizin mit einer „Verschlechterung des Besetzungsstandes“. Die Bundeswehr stehe hier in einem „deutlich verschärften Wettbewerb am Arbeits- und Fachkräftemarkt“. (fst)

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