Pflege: Verhärtete Fronten um Aufgaben-Neuzuschnitt
Im Streit um die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Pflegekräfte oder andere nicht-ärztliche Gesundheitsberufe nach Paragraf 63 SGB V ringt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) weiter um eine Lösung.
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Pflegedienst statt Arzt im Einsatz? Der GBA ringt um eine Lösung bei der Umschichtung von Aufgaben.
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BERLIN. Laut Pflegeweiterentwicklungsgesetz von 2008 können Krankenkassen Modellprojekte auflegen, in denen Pflegekräften oder Physiotherapeuten weit reichende Aufgaben übertragen werden. Pflegepersonal etwa soll Verbands- und Pflegehilfsmittel verordnen und Aufgaben übernehmen, die im Bereich der Heilkunde liegen.
Den GBA hat der Gesetzgeber verpflichtet, in einer Richtlinie festzulegen, bei welchen Tätigkeiten eine Übertragung von Heilkunde auf Nicht-Ärzte möglich ist.
Die Modellvorhaben, die auf acht Jahre befristet sein müssen, sollen anschließend auf ihren Nutzen für die Patienten evaluiert werden. Fällt die Auswertung positiv aus, könnte aus dem Modell fester Bestandteil künftiger Regelversorgung werden.
Nach Angaben des GBA-Vorsitzenden Rainer Hess will sich das Gremium in seiner nächsten Sitzung am 17. Februar mit dem Thema erneut beschäftigen. Einen Katalog von übertragbaren Aufgaben werde der GBA jedoch nicht präsentieren, sagte Hess auf dem Kongress "Pflege 2011" am vergangenen Wochenende in Berlin.
Es sei "bedauerlich", so Hess weiter, dass so viel Zeit verstrichen sei und der GBA noch immer keine Richtlinie vorgelegt habe. Bei der Übertragung heilkundlicher Aufgaben handele es sich aber eine grundlegende Sache, daher stritten Ärzte- und Pflegevertreter auch darüber. Im Kern gehe es um die Entscheidung: Delegation oder Substitution? "Das ist die Streitfrage", so Hess.
Mit der Übertragung heilkundlicher Aufgaben seien "Erwartungen" und Ängste verbunden. Zu den Erwartungen gehöre, dass durch eine Ausdehnung von bislang Ärzten vorbehaltenen Tätigkeiten "höhere Effizienz" im System erzielt werden könne und sich so ärztliche Unterversorgung vermeiden ließen. Außerdem werde der Pflegeberuf "aufgewertet".
Den Erwartungen stünden jedoch auch Befürchtungen gegenüber, so Hess. Dazu zähle die Angst der Ärzte vor "Qualitätsminderung" in der Versorgung. Kassen treibe die Sorge um, die Übertragung heilkundlicher Tätigkeiten auf andere Berufsgruppen könne zu einer Leistungsausweitung und damit zu einem Ausgabenanstieg führen.
Schließlich werde befürchtet, dass es zu "Ineffizienzen" in der Versorgung durch unklare Zuständigkeit komme. "Das müssen wir ernst nehmen", sagte Hess. Auf keinen Fall dürfe es eine "Mischverantwortung" nach dem Motto geben: "Ein bisschen Arzt, ein bisschen Pflege."
An einem Grundsatz indes werde definitiv nicht gerüttelt: "Ärzte müssen die Diagnose stellen." Erst dann könnten Pflegeberufe oder Physiotherapeuten die Versorgung übernehmen.
Vertreter der Pflegeberufe machen derweil Druck. "Wir erwarten, dass die unter unserer Beteiligung entwickelten Modellprojekte noch 2011 starten können", forderte der Präsident des Deutschen Pflegerats (DPR), Andreas Westerfellhaus.
Der Vorsitzende des Pflegemanagement-Verbands BALK, Peter Bechtel, verwies in diesem Zusammenhang auf ein im Sommer 2007 vorgelegtes Gutachten des Sachverständigenrats. "Damals haben die Gesundheitsweisen für einen Neuzuschnitt der Aufgaben votiert - passiert ist bis heute wenig."
Das Bundesgesundheitsministerium hat sich in der Streitfrage bislang eher auf die Seite der Ärzte geschlagen. So hatte etwa Ressortchef Philipp Rösler (FDP) auf dem Ärztetag in Dresden im vergangenen Jahr klar gemacht, bei einem Neuzuschnitt der Aufgaben von Ärzten und Nicht-Ärzten könne es nur um Ausweitung der Delegation geben.
Ähnlich äußerte sich jetzt auch Gesundheits-Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU). Die Substitution ärztlicher Aufgaben sei mit "Risiken" verbunden und auch aus haftungsrechtlichen Gründen zu hinterfragen. "Wir sollten daher in Ruhe die Ergebnisse der Modellklausel abwarten."