Umstrittene Regierungspläne

Protest in Frankreich: Junge Allgemeinärzte aufs Land verschickt

In Frankreich wehren sich junge Allgemeinärzte gegen das Regierungsvorhaben, die Weiterbildung auf vier Jahre zu verlängern. Das Zusatzjahr sollen sie in unterversorgten Regionen arbeiten – als Lückenbüßer.

Denis Durand de BousingenVon Denis Durand de Bousingen Veröffentlicht:
Aufruf zum Protest: Ärzteverbände haben für den 14. Oktober Streiks und Demonstrationen angekündigt. Sie wehren sich gegen die zwangsweise Verpflichtung, ein Jahr ihrer Weiterbildung in einer bestimmten Region ableisten zu müssen.

Aufruf zum Protest: Ärzteverbände haben für den 14. Oktober Streiks und Demonstrationen angekündigt. Sie wehren sich gegen die zwangsweise Verpflichtung, ein Jahr ihrer Weiterbildung in einer bestimmten Region ableisten zu müssen.

© InterSyndicale Nationale des Internes

Paris. Die französische Regierung will die Weiterbildungszeit angehender Allgemeinmediziner um ein Jahr verlängern, um den Ärztemangel in unterversorgten Regionen zu lindern. Betroffene Ärzte in der Weiterbildung – in Frankreich „Internes de médecine générale“ genannt – sowie Verbände von jungen Ärzten und Medizinstudierenden wehren sich gegen dieses Vorhaben und wollen am Freitag streiken und vor dem Pariser Gesundheitsministerium demonstrieren.

In Frankreich dauert die Weiterbildung für Allgemeinmediziner drei Jahre, in anderen fachärztlichen Disziplinen sind es drei bis fünf Jahre. Während Fachärzte ihr Praktikum komplett im Krankenhaus absolvieren, müssen Allgemeinmediziner mindestens zwei Mal sechs Monate ihrer Weiterbildungszeit in einer Praxis eines Allgemeinmediziners verbringen.

Da in Frankreich die sogenannten „ärztlichen Wüsten“, Regionen mit ausgeprägter Unterversorgung, ständig zunehmen, versucht die Regierung seit mehreren Jahren Ärzte in diese Gebiete zu locken – mit mäßigem Erfolg. Angeboten werden nicht nur finanzielle Hilfen bei der Übernahme oder Gründung einer Praxis, sondern auch Honorarzuschläge sowie Steuererleichterungen. In einzelnen Fällen werden auch Praxisräume kostenlos zur Verfügung gestellt.

Ärztemangel nicht nur auf dem Land

Bei den unterversorgten Gebieten handelt es sich nur um ländliche Regionen mit schrumpfender Bevölkerung, sondern auch um Vororte von Großstädten – oftmals soziale Brennpunkte, die angesichts ihrer Drogen- und Sicherheitsprobleme Ärzte abschrecken.

Gesundheitsminister Dr. François Braun geht davon aus, dass durch eine verlängerte Weiterbildungszeit bis zu 4000 junge Allgemeinärzte in unterversorgten Regionen zur Verfügung stehen werden. Er versprach, kein junger Allgemeinarzt werde verpflichtet werden, gegen seinen Willen an einem bestimmten Ort zu arbeiten. Dagegen warnen Verbände junger Mediziner davor, dass Frankreich zwar über rund 12 .000 weiterbildungsberechtigte Allgemeinärzte verfügt, viele von ihnen aber in den abgehängten Regionen gar nicht mehr praktizieren. Zudem ist dort die Zahl der Praxen, die nach der Pensionierung des Praxischefs keinen Nachfolger mehr gefunden haben, besonders hoch. Aufs Land verschickte junge Allgemeinärzte würden dort somit nur schwer eine Praxis finden, in der sie das umstrittene vierte Weiterbildungsjahr absolvieren können, heißt es.

Niederlassungsfreiheit wird zäh verteidigt

Zugleich reichen die Gründe des Protests junger Allgemeinmediziner tiefer und gehen über das umstrittene Vorhaben der Regierung hinaus. Vielfach wird die Verlängerung der Weiterbildung zwar nicht grundsätzlich abgelehnt, allerdings argwöhnen viele, dass die Forderung, in die Verpflichtung, in einer zugewiesenen Region zu arbeiten der erste Schritt in eine Bedarfsplanung ist.

Denn in Frankreich ist es der Ärzteschaft bisher gelungen, das Prinzip der Niederlassungsfreiheit zu verteidigen – gegen wachsenden Widerstand vieler Politiker. Vor allem Patientenorganisationen und Kommunen fordern seit langem, diese Freiheit zu beschneiden, damit mehr Ärzte dort verfügbar sind, wo sie am meisten gebraucht werden.

Weiterhin will die Regierung auch die Zeitarbeit bei jungen Ärzten begrenzen. Wer noch nie angestellt oder in einer Niederlassung gearbeitet hat, soll nicht mehr im Auftrag einer Zeitarbeitsfirma arbeiten dürfen. Viele junge Ärzte heuern unmittelbar nach der Approbation als Zeitarbeitskraft in Krankenhäusern an – sie sind dort heiß begehrt und gut bezahlt. Die Rede ist von 1200 Euro für einen 24-Stundendienst – das macht die normale Anstellung oder Niederlassung für sie unattraktiv.

Bestimmte hochqualifizierte Facharztgruppen können pro Dienst sogar 3000 bis 4000 Euro verlangen. Aus diesem Grund wollen am Freitag auch Ärzte anderer Fachgruppen – vor Chirurgen und Anästhesisten – gegen die Regierungspläne protestieren, auch wenn sie nicht direkt vom geplanten vierten Weiterbildungsjahr betroffen sind.

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