Brandbrief an Bundestag
Rechnungshof: Bundeshaushalt ist Fass ohne Boden
Die Schuldenpolitik der großen Koalition in der Corona-Pandemie wird vom Bundesrechnungshof in scharfen Worten gerügt. Allein Wachstum werde angesichts der „Schulden-Lawine“ nicht helfen.
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Wachsen allein reicht nicht – der Rotstift muss her, mahnt der Bundesrechnungshof.
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Berlin. Der Bundesrechnungshof hat in einem Brandbrief an den Haushaltsausschuss des Bundestags ein schonungsloses Bild der Bundesfinanzen gezeichnet.
Diese befänden sich im „Klammergriff der Corona-Pandemie“, heißt es in dem Schreiben an den Ausschuss. Damit zeichnet die Behörde ein grundlegend anderes Bild als Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der am 24. März die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2022 vorgestellt hat. Damals kündigte Scholz an, er müsse sich im Rahmen eines Nachtragshaushalts für 2021 nochmals 60 Milliarden Euro leihen.
Die „besorgniserregende Finanzlage“ ergebe sich insbesondere durch die „explodierende“ Nettokreditaufnahme des Bundes, die binnen zwei Jahren von Null auf 452,2 Milliarden Euro zunehmen würden. Die „gewaltige Schulden-Lawine verhindert ein Herauswachsen aus dem Defizit“, sagte Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofes, am Donnerstag. In drei Haushaltsjahren nehme der Bund mehr neue Kredite auf als in den vergangenen 20 Jahren zuvor.
Beschlüsse der Regierung sind „von geringer Haltbarkeit“
Die haushaltspolitischen Beschlüsse der Bundesregierung in der Krise seien von „geringer Haltbarkeit“: „Ohne strukturelle Reformen wird es nicht gelingen, die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie zu beheben.“ Bei der Finanzplanung bis 2025 tun sich für den Rechnungshof Lücken von rund 86 Milliarden Euro auf – doch diese seien durch eine noch vorhandene Rücklage im Umfang von 48 Milliarden Euro nur zur Hälfte gedeckt.
Die Bundesregierung hinterlasse ihrer Nachfolgerin „Lasten mit vielen Fragezeichen“. Absehbare Mehrbedarfe wie für die Verteidigung seien nicht eingeplant, heißt es. Dies gilt auch für die prognostizierte Lücke in der Gesetzlichen Krankenversicherung, die sich auf bis zu 18 Milliarden Euro im Jahr 2022 belaufen könnte. Auch hier hat Scholz keine Vorkehrungen im Eckwertebeschluss getroffen.
Liste mit haushaltspolitischen Grausamkeiten
Die Lage sei „mehr als schwierig“, da der Bundeshaushalt „in einer deutlich schlechteren Verfassung als nach der Finanz- und Wirtschaftskrise“ sei. Ein Herauswachsen aus der Krise allein durch Wachstum bezeichnet der Bundesrechnungshof als „unrealistisch“. Denn anders als nach dem Finanzcrash seien die Zinsen bereits nahe Null. „Hier kann der Bund keinen Handlungsspielraum mehr gewinnen.“
Scheller mahnte eine Liste haushaltspolitischer Grausamkeiten an: die Überprüfung steuerlicher Subventionen und Vergünstigungen, eine „bessere Ausrichtung der Sozialtransfers“ sowie ein Ausgabenmoratorium. Die Schuldenbremse müsse dessen ungeachtet „uneingeschränkt bestehen bleiben“. Sie schütze Handlungsspielräume, damit kommende Generationen noch „selbstbestimmt haushalten“ können.