Öffentliches Gesundheitswesen

Rechtsstreit um ÖGD-Professur an der Frankfurter Uni-Medizin

Als Erkenntnis aus der Corona-Pandemie sollte der Öffentliche Gesundheitsdienst gestärkt werden. Praktisch durch mehr Ärzte, wissenschaftlich durch mehr ÖGD-Professuren. In Frankfurt zeigen sich die Tücken.

Christoph BarkewitzVon Christoph Barkewitz Veröffentlicht:
Der Eingang des Universitätsklinikums Frankfurt.

Die Besetzung einer Professur für öffentliches Gesundheitswesen gestaltet sich als schwierig.

© Schoening / imageBROKER / picture alliance

Frankfurt/Main. Die vor einem Jahr verkündete Besetzung der Professur für öffentliches Gesundheitswesen (W3) an der Frankfurter Goethe-Universität lässt auf sich warten.

Tatsächlich hatte die Berufungskommission bereits einen Kandidaten auserkoren, dessen Ernennung dann aber wegen einer Konkurrentenklage bis heute nicht zum Tragen kam. Die Deutsche Gesellschaft für Öffentlichen Gesundheit & Bevölkerungsmedizin (DGÖGB) übt nun massive Kritik am gesamten Verfahren.

Im Dezember 2022 Stiftungsprofessur angekündigt

Rückblick: Bereits im Dezember 2022 hatte das hessische Sozialministerium im Zusammenhang mit der Gründung eines Landesgesundheitsamts auch eine Stiftungsprofessur für Öffentliches Gesundheitswesen am Fachbereich Medizin der Goethe-Universität angekündigt.

Im Januar 2024 hatte die Goethe-Uni dann ganz offiziell die Einrichtung vermeldet und als Ziel „die nachhaltige Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdiensts und engere Verzahnung von Wissenschaft und Praxis im Bereich des Öffentlichen Gesundheitswesens in Hessen“ ausgegeben.

Die Professur solle es zunächst für fünf Jahre geben und aus Mitteln des während der Corona-Pandemie geschlossenen Pakts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst finanziert werden.

Im Juli 2024 teilte die Goethe-Uni dann in einem der Redaktion vorliegenden Schreiben an unterlegene Bewerber mit, es sei beabsichtigt Dr. Jon Genuneit zu berufen, seines Zeichens W2‐Professor für Pädiatrische Epidemiologie an der Klinik und Poliklinik für Kinder‐ und Jugendmedizin der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig.

Kritik der Fachgesellschaft

Die DGÖGB hält nicht nur die Person Genuneit für ungeeignet für die Professorenstelle, sondern stört sich auch an der Besetzung der Berufungskommission.

Ohne den Leipziger Professor namentlich zu nennen, teilt der DGÖGB-Vorsitzende Professor René Gottschalk mit, „dass ausgerechnet eine Professur, die maßgeblich der Systemstärkung für künftige Pandemien und der engeren Vernetzung mit den Gesundheitsämtern dienen soll, nicht mit einer Fachärztin oder einem Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen besetzt wird, ist für uns unverständlich und unverantwortlich“.

Tatsächlich weist Genuneits Lebenslauf keinen Facharzttitel ÖGD auf. Damit werde jede fachärztliche Akademisierung und universitäre Weiterentwicklung von Anfang an im Keim erstickt, befindet deshalb Gottschalk, langjähriger Leiter des Gesundheitsamts Frankfurt.

In der Berufungskommission vermisst die Fachgesellschaft eine „angemessene Beteiligung von ÖGD-Expertinnen und -Experten“, zudem sei die Berufungskommission nicht von einem habilitierten Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen geleitet worden, sondern von einem Arbeitsmediziner, kritisiert Gottschalk.

Uni: Facharzttitel ÖGD nicht erforderlich

Die Frankfurter Goethe-Uni weist die Vorwürfe auf Nachfrage zurück. Den Facharzttitel für öffentliches Gesundheitswesen hält sie für die Erfüllung der Professur nicht für erforderlich, diese widerspreche weder dem Ansatz des ÖGD-Pakts noch dem Hessischen Hochschulgesetz, das als Einstellungsvoraussetzungen von Professuren regelt, dass die Bewerber die für das Fachgebiet vorgesehene Weiterbildung aufweisen.

Die Uni argumentiert, es handele sich hier nicht um eine klinische Professur – nur da greife die Bestimmung des Gesetzes –, sondern um eine reine „Forschung und Lehre“-Professur ohne jegliche klinische Aufgaben.

Dass der Vorsitzende der Berufungskommission Facharzt für Arbeitsmedizin ist, hält die Goethe-Uni anders als die DGÖGB sogar für richtig: Üblicherweise würden an allen deutschen Medizin-Fachbereichen Berufungskommissionen gerade nicht durch habilitierte Vertreter des zu besetzenden Fachgebietes geleitet, sondern von Universitätsprofessoren anderer Fachgebiete, um Interessenkonflikte zu vermeiden.

Interessenkonflikte bei Berufung vermeiden

Zudem gebe es zwischen den Fachgebieten Arbeitsmedizin und Öffentliches Gesundheitswesen zahlreiche Überschneidungen und überdies sei es schwierig einen ÖGD-Professor für den Vorsitz zu finden, da „der Bereich des Öffentlichen Gesundheitswesens ein bislang an deutschen Hochschulen kaum vertretener Bereich der Humanmedizin ist“.

Die eingangs genannte Konkurrentenklage hat die Frankfurter Uni in erster Instanz gewonnen. Dabei sei auch der fehlende Facharzttitel des erwählten Bewerbers thematisiert und vom Gericht bestätigt worden, dass dieser für die Stelle nicht notwendig ist, teilt die Universität mit.

Eingestellt werden kann selbiger aber trotzdem noch nicht – das Urteil ist wegen laufender Fristen noch nicht rechtskräftig. Das Warten dauert an.

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