Streichung der Neupatientenregel
Regierung will am Kassen-Spargesetz nichts mehr ändern
Vor der ersten Beratung des Gesetzentwurfes im Bundestag verteidigt die Regierung ihre Pläne. Die Krankenkassen fordern Entlastung der Versicherten und Arbeitgeber.
Veröffentlicht:Berlin. Änderungen am GKV-Finanzstabilisierungsgesetz soll es vor der ersten Lesung am Freitag im Bundestag nicht mehr geben. Das betreffe auch die Streichung der Neupatientenregelung und die damit einhergehende Entbudgetierung von Leistungen in offenen Sprechstunden, hieß es am Mittwoch dazu aus Regierungskreisen. Auch über die Terminservicestellen vermittelte Termine sollen wieder unter den Budgetdeckel.
Einschränkungen der Versorgung würden durch diesen Schritt nicht ausgelöst, betonen Vertreter der Ampel im Vorfeld der Bundestagssitzungen. Vor knapp einer Woche hatten die Vorstände der Kassenärztlichden Bundesvereinigung dem Minister 50.000 Unterschriften von Ärztinnen und Ärzten zukommen lassen, die den Erhalt der Neupatientenregelung forderten.
Der Gesetzentwurf ist am 28. September Gegenstand einer Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages. Nach der zweiten und dritten Lesung des Entwurfes um den 20. Oktober haben die Abgeordneten das Wort. Sie können den Entwurf abändern. Eine Woche später behandelt der Bundesrat den Entwurf abschließend. In den Ländern kommt das Spargesetz nicht durchgehend gut an.
Regierung: Mehrbehandlungen überwiegend coronabedingt
Die Neupatientenregeln spielten bei Hausärzten ohnehin keine Rolle, weil es dort keine Budgets gebe. Patienten würden insgesamt von der Streichung dieser Regelungen aus dem Terminservicestellen- und Versorgungsgesetz (TSVG) nicht berührt. Es gebe keine Hinweise darauf, dass infolge des Gesetzes tatsächlich mehr Patienten behandelt worden seien. Die von der Ärzteseite angeführten Mehrbehandlungen neuer Patienten seien zu 92 Prozent coronabedingt gewesen, argumentiert die Regierungsseite.
Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung beziffert die möglichen Mindereinnahmen für die niedergelassenen Ärzte nach der Bereinigung in der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung auf rund 415 Millionen Euro.
Kassen: Bund wird seiner Verantwortung nicht gerecht
Die Verbände der Krankenkassen haben die Abgeordneten im Vorfeld der Beratung aufgefordert, Solidarität mit den Beitragszahlerinnen und –zahlern zu üben. Das Spargesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verlange von Versicherten und Arbeitgebern, elf Milliarden des erwarteten Defizits für 2023 von 17 Milliarden Euro zu tragen. Leistungserbringer würden dagegen weitgehend verschont, auch der Bund werde seiner Verantwortung nicht gerecht.
Die Gesetzliche Krankenversicherung und die Soziale Pflegeversicherung würden im Entlastungspaket der Bundesregierung nicht berücksichtigt. Bei einer Beitragssatzsteigerung von 0,3 Prozent müssten Versicherte und Arbeitgeber, die jeweils die Hälfte tragen, zusammen bis zu 174 Euro im Monat mehr als heute bezahlen. Auch 2024 drohten erhebliche Beitragssatzsteigerungen, warnen die Krankenkassen.
Zehn Milliarden für die Versorgung von ALG-II-Beziehern
Vertreterinnen und Vertreter der Kassen forderten am Mittwoch, versicherungsfremde Leistungen aus Steuermitteln zu finanzieren. Alleine die Unterdeckung der Beiträge für Arbeitslosengeld II belaufe sich auf rund zehn Milliarden Euro im Jahr. Rund fünf bis sechs Milliarden an Entlastung könne die Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf sieben Prozent bringen.
Trotz entsprechender Aussagen des Gesundheitsministers dazu sei an diesen Stellen keine Bewegung zu erkennen, zeigten sich die Kassenvertreter enttäuscht.
Linke springt Krankenkassen zur Seite
Unterstützung erhielten die Krankenkassen von der Fraktion Die Linke. Sie fordert ebenfalls, auf Arzneimittel den ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden und im Gegenzug auf eine Anhebung des Kassenbeitragssatzes zu verzichten. Das für kommendes Jahr erwartete Defizit der Gesetzlichen Krankenversicherung von 17 Milliarden Euro sei Ausdruck verfehlter Gesundheitspolitik der Regierung. Die Gesundheitsgesetze bescherten den Kassen höhere Ausgaben, ohne dass die Einnahmebasis nachhaltig verbreitert worden sei.
Den gesetzlichen Krankenkassen drohe für das kommende Jahr ein Defizit in Höhe von geschätzt 17 Milliarden Euro, heißt es in dem Antrag. Diese Unterfinanzierung sei nicht zuletzt Folge einer verfehlten Gesundheitspolitik der vergangenen Bundesregierungen, deren Gesetze den Krankenkassen immer höhere Ausgaben beschert hätten, ohne dass die Einnahmebasis nachhaltig verbessert worden sei. (af)