Kommentar

Retten ohne Strafgesetzbuch

Die Länder wollen mehr Befugnisse für die Notfallsanitäter. Ein Casus belli für die Ärzteschaft? Muss es nicht sein.

Von Denis Nößler Veröffentlicht:

Stellen Sie sich vor, es gibt einen Myokardinfarkt, und Sie als Notarzt stecken im Stau. Das ist leider immer noch Alltag in Deutschland, trotz der Diskussion um Rettungsgassen. Bei präklinischen Notfällen sind nicht-ärztliche Retter in der Regel als Erste vor Ort, allen voran die Notfallsanitäter.

Die dürfen, anders als Ärzte, den Patienten nicht mit invasiven Maßnahmen helfen. Ohne Arzt kein ASS, kein Nitro, kein Morphin. Oder bei einer Hypoglykämie: Glucose i. v. nur vom Arzt! Helfen die Sanitäter dennoch, droht ihnen bis zu ein Jahr Haft, weil sie gegen den Heilkundevorbehalt verstoßen haben.

Helfen sie nicht, können sie wegen unterlassener Hilfeleistung dran sein. Der „rechtfertigende Notstand“ ist für sie oft nur eine Krücke. Wenn es um Leben und Tod geht, darf man von Helfern nicht erwarten, erst den Strafrechtskommentar zu wälzen. Die Bundesländer fordern deswegen nicht ohne gute Gründe, den Notfallsanitätern die Ausübung der Heilkunde „im Rahmen ihrer Kompetenz“ zu erlauben.

Für die Ärzteschaft klingt das freilich wie ein Dammbruch: der Einstieg in die Substitution ärztlicher Leistung. So krass muss es aber nicht kommen. Ein kleiner Einschub in der geforderten Gesetzesänderung könnte den Konflikt lösen: „... bis zum Eintreffen des Arztes“.

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