Corona-Impfstoff
SARS-CoV-2-Vakzine: AstraZeneca lenkt im Lieferstreit ein
Der Impfstoff-Vertrag zwischen dem Unternehmen und der EU ist veröffentlicht. Offenbar gab es tatsächlich konkrete Vorgaben – jetzt will AstraZenaca wohl seine ersten Liefermengen erhöhen.
Veröffentlicht:Brüssel. Die Wende hatte sich angedeutet, am Freitag wurde sie vollzogen: Das britisch-schwedische Pharma-Unternehmen AstraZeneca legte zusammen mit der Brüsseler EU-Kommission den seit einer Woche heftig umstrittenen Vertrag über die Impfstoff-Lieferungen an die EU-Mitgliedstaaten vor.
Auch wenn wesentliche Teile wie Kosten und die Kontingente für die EU geschwärzt sind, so wird doch deutlich: Das Unternehmen hatte sich tatsächlich auf konkrete Absprachen eingelassen. Zwar gibt es auch „Best-Effort“-Klauseln in dem 41 Seiten umfassenden Dokument. Aber die wurden keineswegs so unverbindlich gefasst, wie AstraZeneca-Chef Pascal Soriot dies lange behauptet hatte.
Mehr noch: Der Konzern hatte sich ausdrücklich verpflichtet, bei Lieferschwierigkeiten andere Firmen mit der Herstellung zu beauftragen, um die bestellten Dosen liefern zu können. Diese könnten in der EU oder außerhalb der Gemeinschaft produzieren – also auch in Großbritannien. „Es gibt verbindliche Bestellungen und der Vertrag ist glasklar“, sagte denn auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon am Freitagmorgen im „Deutschlandfunk“. Sie hatte Recht. Und auch die Vorhaltung, dass Brüssel zu spät bestellt habe, wies von der Leyen erneut zurück: „Das ist nicht wie beim Bäcker, wo man Schlange steht.“
Treffen zwischen Kommission und Herstellern am Sonntag
Der Kurswechsel des Pharma-Riesen deutete sich nach Informationen von Beobachtern bereits am Mittwochabend an, als ein zunächst abgesagtes Spitzengespräch zwischen dem Unternehmen der EU-Kommission dann doch noch stattfand. Soriot wiederholte dabei viele seiner zuvor geäußerten Vorwürfe gegenüber der EU nicht mehr und bot sogar an, nicht nur 31 der ursprünglich geplanten 80 Millionen Dosen im ersten Quartal zu liefern, sondern 39 Millionen. Doch die Kommission winkte ab – zu wenig.
Trotzdem ist Bewegung in den Streit gekommen, offenbar wirkte auch der zunehmende Druck aus Brüssel. Am kommenden Sonntag will sich von der Leyen mit den Chefs der wichtigen Impfstoff-Hersteller virtuell treffen. Und dann soll es auch um den neuen Transparenz-Mechanismus gehen, den die Behörde am Freitag unter dem Namen „Hera“ (Health Emergency Response Agency) präsentierte. Mit diesem Instrument wolle die EU-Spitze die Konzerne zur „Einhaltung ihrer vertraglichen Verpflichtungen bewegen“, erklärte Kommissionsvize Valdis Dombrowskis am Freitag. Es gehe ausdrücklich nicht um Exportverbote oder -beschränkungen. Dennoch möchte die Kommission künftig wissen, welcher Hersteller in welchem Werk wie viele Impfstoffe produziert und diese zu welchem Preis in welches Land liefert.
Michel droht mit Aufhebung von Patenten
EU-Ratspräsident Charles Michel brachte noch einen weiteren Schritt ins Gespräch: Demnach würde die Union des Artikel 122 des EU-Vertrags nutzen, um bestehende Impfpatente aufzuheben und dadurch die Produktion auszuweiten. Denn die könnte dann auch von anderen Herstellern übernommen werden.
Die EU hofft also, dass die Gemeinschaft in den kommenden Wochen zügig mit mehr Impfstoff versorgt wird. Zum einen, weil die Engpässe bei BioNTech/Pfizer spätestens mit der Inbetriebnahme der neuen Fertigung in Marburg in diesen Tagen beseitigt werden. Zum anderen, weil auch AstraZeneca sich bewegte. Und zum dritten setzt die EU auf die nächsten Vakzine aus dem Haus des amerikanischen Herstellers Janssen, der zum Konzern Johnson&Johnson gehört. Auch der wird nämlich auf europäischem Boden in Belgien und den Niederlanden produzieren, sodass man davon ausgeht, dass der US-Exportbann für Impfstoffe dort nicht anwendbar ist.
Warten auf das EMA-Votum
Noch im Laufe des Nachmittags wird dann die amtliche Zulassungsempfehlung für den AstraZeneca-Impfstoff durch die Europäische Arzneimittelbehörde erwartet. Angeblich, so war zu hören, werde zwar auch die EMA eine Anwendung zunächst für Patienten bis zum 64. Lebensjahr empfehlen. Dies liege aber nicht an einer geringeren Wirksamkeit, sondern an der zu geringen Datenbasis während der klinischen Testphase.
Der CDU-Europa-Abgeordnete und Arzt, Peter Liese, erklärte bereits, er gehe davon aus, dass „in wenigen Wochen qualitativ hochwerte Daten auch für ältere Menschen zur Verfügung stehen“ und es sich deshalb nur „um ein kurzfristiges Problem“ handele.