Sachsens Blaulichtgesetz
Schlammschlacht im Rettungsdienst
Sachsens Rettungsdienst muss ausschreiben. In Meißen hat das DRK nun sämtliche Aufträge erhalten. Prompt werden anonyme Vorwürfe laut - von Lohndumping und ähnlichem. Im Freistaat tobt eine Schlammschlacht.
Veröffentlicht:DRESDEN. Es war von Anfang an ein hochumstrittenes politisches Projekt in Sachsen: die Novellierung des "Blaulichtgesetzes". Schon seit Jahren wird im Freistaat darüber gestritten, ob und, wenn ja, wie marktorientiert Rettungsdienst- und Krankentransportleistungen in den einzelnen Landkreisen ausgeschrieben werden sollen.
Kommunen plädierten in der Regel dafür, die Vergabe weitgehend nach eigenen Ermessen und damit im herkömmlichen Verfahren zu regeln, die Kassen für Kosteneffizienz.
Dass der Konflikt um das Blaulichtgesetz befriedet ist, nachdem es von der Landesregierung im vergangenen Jahr liberalisiert wurde, zeichnet sich indes nicht ab. Im Gegenteil: In mehreren Landkreisen deutet sich eine regelrechte Schlacht im Nachgang der ersten Vergaberunde an.
Anlass sind Zuschläge für Leistungen des Rettungsdienstes an DRK-Ortsverbände im Kreis Meißen zum 1. Januar 2014. Bisher stellt sich die Situation im Kreis plural dar: Das DRK unterhält mehrere Rettungswachen, ebenso aber der ASB und die Johanniter-Unfallhilfe.
Nach der Ausschreibung ist es damit vorbei: Der Kreis vergab sämtliche Aufträge an das DRK. Mehrere Konkurrenten legten Widerspruch ein, wie eine Sprecherin des Landratsamtes auf Anfrage erklärte. Das Verfahren schwebt, es gibt dazu keine weiteren Auskünfte.
"Bürger Sachsens" schreiben anonym
Fakt ist aber, dass Behörden und Journalisten im Freistaat derzeit ein umfangreiches anonymes Schreiben zugesandt bekommen, unterschrieben mit "Die Bürger Sachsens". Darin werden schwere, zum Großteil strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen das DRK, aber auch gegen das Landratsamt erhoben.
Und auch das steht fest: Das Schreiben muss von einem Insider stammen, darauf deutend die geäußerten Detailkenntnisse hin. Auch wenn damit nichts über den Wahrheitsgehalt der erhobenen Vorwürfe gesagt ist.
Auf drei dicht beschriebenen Seiten werden viele Vorwürfe erhoben. Das DRK in Sachsen betreibe Lohndumping und habe so Vorteile bei der Ausschreibung. Das DRK und der Landkreis würden in einer Art und Weise Personal tauschen und sich gegenseitig ausleihen, die eine objektive Behandlung bei der Ausschreibung kaum gewährleisten könne.
Nur zwei Beispiele von vielen, weit gravierenderen. Man habe sich mit Hinweisen bereits beim Kreisamt für Rettungswesen gemeldet, erklären die anonymen Schreiber, sei dort aber nicht gehört worden.
Intransparente Ausschreibungen?
Der Brief endet mit der Aufforderung, "die öffentliche wie politische Diskussion über die Ausschreibungspraxis im Bundesland Sachsen", fortzuführen. Entscheidungen in mehreren Landkreisen seien "intransparent".
Das Ausschreibungsverfahren in Meißen gefährde "durch billigende Eingriffe in die gewachsenen Strukturen des Ehrenamtes in den Bereichen Katastrophen- und Bevölkerungsschutz, Jugendarbeit, Ausbildung in Erster Hilfe etc."
Weder dem sächsischen Landes- und dem Riesaer Ortsverband ist das Schreiben zugegangen, erklärten dort die Verantwortlichen auf Anfrage. Auch beim ASB-Ortsverband in Riesa ist das Schreiben unbekannt.
Weiter äußern wollte sich mit Verweis auf das schwebende Widerspruchsverfahren niemand. Das DRK Sachsen wolle sich nun mit dem Kreisverband wegen der erhobenen Anschuldigungen zusammensetzen.
Keine Belege für Lohndumping
Erhalten hat hingegen das Schreiben die 1. Vergabekammer der Landesdirektion Leipzig, wie bestätigt wurde. Allerdings werden die Vorwürfe dort nicht geprüft - das könnten sie nur, wenn sie von einem unterlegenen Bewerber erhoben würden, und zwar nicht anonym.
Beim vdek Sachsen erklärte Sprecher Dirk Bunzel auf Anfrage, dass sein Verband "die aufgeführten Vorwürfe nicht im Detail bewerten" könne. Für Lohndumping beim DRK gebe es keine belastbaren Hinweise.
"Die bislang durchgeführten Ausschreibungen, und nur bis zu diesem Punkt haben die Krankenkassen einen Einblick, lassen keine Rückschlüsse auf Lohndumping zu."
Der Forderung, das Ausschreibungsverfahren als solches zu überdenken, erteilt der vdek eine Absage. "Die Festschreibung im sächsischen Rettungsdienstgesetz ist keine Überlegung des sächsischen Gesetzgebers, sondern die Konsequenz höchstrichterlicher Entscheidungen."