Versorgungslücken schließen
Schmerzmedizin als Pflichtfach?
Wer Versorgungslücken in der Schmerzmedizin angehen will, kommt um ein Bündel von Strukturreformen nicht herum - das war der Tenor bei einer Diskussionsveranstaltung in Kiel.
Veröffentlicht:KIEL. Patienten wünschen sich interdisziplinäre Schmerzkonferenzen, eine intensive Einbindung von Selbsthilfegruppen und eine bessere schmerzmedizinische Betreuung durch Hausärzte. Diese Wünsche nannte Heike Norda vom Verein SchmerzLOS auf einer Veranstaltung in Kiel zur ambulanten schmerzmedizinischen Versorgung in Schleswig-Holstein.
Norda nahm als Betroffene und Vorsitzende des Vereins an der Veranstaltung teil, zu der das Unternehmen mundipharma auch Ärzte, Vertreter von Körperschaften und Krankenkassen eingeladen hatte.
Dabei wurde deutlich, dass der Norden nach Einschätzung von Experten in der Versorgung zwar im Ländervergleich noch gut aufgestellt ist, Patienten aber dennoch viele Versorgungslücken wahrnehmen. Als Möglichkeit, diese Lücken zu schließen, wurden Delegation und Substitution diskutiert.
Vorbild "Pain Nurse"
KV-Chefin Dr. Monika Schliffke sieht hierbei zwar Grenzen. Die spezialisierte Ausbildung von Pflegekräften zu "Pain Nurses", wie es sie im Projekt Schmerzfreie Stadt Münster gibt, hält sie aber für ein Vorbild. Sie verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass speziell ausgebildete Pflegekräfte schon heute im palliativmedizinischen Sektor tätig sind.
Dr. Henrik Herrmann sieht in der Delegation und in der Telemedizin Möglichkeiten, die schmerztherapeutische Versorgung zu stärken. Der Vizepräsident der Ärztekammer hält zugleich eine Stärkung der schmerzmedizinischen Kompetenz in der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung für notwendig.
"Jeder klinisch tätige Arzt muss mit dem schmerzmedizinischen Problem seiner Patienten vertraut sein. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die erfolgreiche Verankerung der Schmerzmedizin als Pflichtlehr- und Prüfungsfach in der ärztlichen Approbationsordnung", sagte Herrmann.
Facharzt für Schmerzmedizin?
Er warnte in Kiel vor der Einführung eines Facharztes für Schmerzmedizin: "Mit der Schaffung eines neuen Gebietes nehmen wir einen Teil der Kenntnisse aus den anderen patientenbezogenen Gebieten heraus und erschweren damit auch Abrechnungsmodalitäten."
Dr. Jochen Leifeld, Landesvorsitzender im Berufsverband der Ärzte und psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD), verwies auf Abstaffelungen und daraus resultierende Honorarprobleme für die Schmerztherapeuten. Denn aus QM-Gründen gibt es eine auch aus Sicht Leifelds "unerlässliche Fallzahlbegrenzung" auf 300 Schmerzfälle je Behandler im Quartal.
Ein möglicher Ausweg für die Schmerztherapeuten könnte nach seiner Ansicht in Selektivverträgen liegen. Für Leifeld steht fest, dass die künftige Versorgung auch in Schleswig-Holstein eine enorme Herausforderung darstellt: Denn das Durchschnittsalter der niedergelassenen Schmerztherapeuten liegt mit fast 55 Jahren noch einmal zwei Jahre über dem ohnehin schon hohen allgemeinen Durchschnittsalter aller Praxisinhaber in Schleswig-Holstein.