Seehofer will Pflege auf Kosten der Steuerzahler

Aus der CSU dringt die Forderung, die Pflegeversicherung auf Kosten des Staatshaushaltes zu entlasten. "Eine Mogelpackung" finden das die Kollegen von der CDU. Sie wollen den Aufbau einer Demografiereserve.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Horst Seehofers Vorschlag sorgt für Kontroversen. Nicht alle seiner CSU-Parteifreunde begrüßen die Idee des bayerischen Ministerpräsidenten.

Horst Seehofers Vorschlag sorgt für Kontroversen. Nicht alle seiner CSU-Parteifreunde begrüßen die Idee des bayerischen Ministerpräsidenten.

© Astrid Schmidhuber/imago

BERLIN. Die Finanzierung der Pflegeversicherung bleibt ein politischer Dauerbrenner. Jetzt ist der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer vorgeprescht.

Er lasse prüfen, wie sich die Pflegeversicherung entlasten lasse, berichtet die in Hamburg erscheinende Wochenzeitung "Die Zeit". Seehofer schwebt demnach vor, Kostenstellen der Sozialen Pflegeversicherung auf die Staatskasse zu übertragen.

256 Millionen Euro im Jahr

Konkret geht es um 256 Millionen Euro, die die Pflegeversicherung jedes Jahr für die rund 80.000 in Heimen versorgten Behinderten aufbringt.

Damit werde die Pflegeversicherung strukturell entlastet, was eine Kapitaldeckung möglicherweise überflüssig mache, zitierte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am Donnerstag einen Sprecher Seehofers.

Die Pflegeversicherung gibt derzeit etwa 17 Milliarden Euro im Jahr aus. Sie verfügt über Reserven von etwa fünf Milliarden Euro.

Regierung will Vorschläge vorlegen

Die Soziale Pflegeversicherung war von vorneherein als Teilkaskoversicherung angelegt. Schon heute wird jeder Dritte für die Pflege ausgegebene Euro privat zugezahlt.

Im Kern ringen CDU und CSU seit geraumer Zeit um die künftige Finanzierung der Pflegeversicherung. Während die CSU eher einer von Arbeitnehmern und Arbeitgebern paritätisch finanzierten Versicherung im Umlagesystem zuneigt, wollen weite Teile der CDU-Fraktion den Einstieg in ein kapitalgedecktes System.

Spätestens am 23. September will die Regierung ihre Vorschläge dazu vorlegen.

Spahn kritisiert Seehofers Pläne

"Die Pflegeversicherung zu entlasten, indem man dem verschuldeten Bundeshaushalt neue Kosten aufbürdet, wäre eine Mogelpackung", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, der "Ärzte Zeitung".

Spahn plädierte für eine kapitalgedeckte Lösung, wie sie die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag vereinbart hätten. "Die stark steigenden Kosten in der Pflege aus Angst vor dem bayerischen Wähler zu ignorieren, wäre arg kurzsichtig", sagte er.

Seehofer hat nicht alle seine Parteifreunde hinter sich. Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, hatte sich erst in der vergangenen Woche gemeinsam mit Spahn und weiteren Unions-Abgeordneten für einen sofortigen Einstieg in den Aufbau eines Kapitalstocks ausgesprochen, aber keine konkreten Vorschläge zur Finanzierung gemacht.

Unklar ist zum Beispiel, ob ein Kapitalstock innerhalb der Sozialen Pflegeversicherung entstehen soll, oder ob jeder Bürger private Vorsorge betreiben solle analog der Riester-Rente.

Rürup: Umlagesystem ist effizienter

Der ehemalige Wirtschaftsweise Bert Rürup hält das Umlagesystem für effizienter.

Wenn der Beitragssatz von heute 1,95 Prozent auf 3,5 Prozent im Jahr 2050 steige, bedeutete dies für die gesamten Sozialversicherungsbeiträge lediglich einen Prozentpunkt mehr, schrieb Rürup in einem Gastbeitrag für das "Handelsblatt". Das sei zu verkraften.

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Kommentare
Dr. Jürgen Schmidt 11.08.201118:07 Uhr

Signum mali ominis

Wenn einer der am meisten (auch von sich selbst) überschätzten, gleichwohl meist geschickt agierenden Unionspolitiker, der lange Zeit auf die Grenzen des Sozialstaates hingewiesen hat, nun bei der Pflege lauthals den Einstieg in die Steuerfinanzierung propagiert, muss man über den inneren Zustand der Union nicht lange spekulieren.

Schierer Populismus, schlimmer noch, eine Argumentation nach Stimmungslage ist dort zur Zeit en vogue.

Deshalb werden die konservativen Unionswähler auch in Bayern zu Hause bleiben und von Links kommt eh nichts dazu.

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