Ethik-Kommisson
Sind Standards in Gefahr?
Die Novelle des Arzneimittelgesetzes könnte bei klinischen Studien die Balance zwischen Arzneiprüfbehörden und Ethik-Kommissionen gefährden, hieß es bei der Bundestags-Anhörung.
Veröffentlicht:BERLIN. Sachverständige haben Nachbesserungen an der geplanten Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) gefordert. Mit dem Gesetzentwurf, zu dem am Montag im Gesundheitsausschuss des Bundestags Experten gehört wurden, soll eine EU-Verordnung in nationales Recht umsetzen.
Die Bundesärztekammer und der Arbeitskreis der Medizinischen Ethikkommissionen warnten in der Anhörung davor, die bisherige institutionelle Unabhängigkeit von Ethik-Kommissionen zu gefährden. Hintergrund ist die geplante Änderung in Paragraf 41 des AMG-Entwurfs.
Dort ist vorgesehen, dass die zuständigen Bundesbehörden - BfArM oder Paul-Ehrlich-Institut (PEI) - das Votum der Ethik-Kommissionen lediglich "maßgeblich zu berücksichtigen" haben. Damit könnte der Fall eintreten, dass eine Zustimmung der Kommission beispielsweise zur Nutzen-Risiko-Bewertung für den einzelnen Studienteilnehmer "keine zwingende Voraussetzung für die Genehmigung" mehr darstellt.
Dies widerspreche der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes, erinnert der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen. Auch der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme Änderungen gefordert.
Die Länderkammer schlägt vor, den Passus wie folgt zu ergänzen: "Soweit die zuständige Ethik-Kommission eine ablehnende Stellungnahme abgegeben hat, darf kein zustimmender Bewertungsbericht ergehen."
Dies hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung bereits abgelehnt, da dem Vorschlag der Länderkammer "erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken" entgegenstünden.
Zudem, so die Regierung, sei die Formulierung "maßgeblich zu berücksichtigen" im Gesetzentwurf nicht im Sinne von "in Erwägung ziehen" zu verstehen. Vielmehr bedeute sie, "dass die Stellungnahme ausschlaggebend und richtungsweisend für die Entscheidung der Bundesoberbehörde ist".
Auf Widerstand in der Anhörung traf am Montag ebenfalls, dass der Bund zur Bildung einer Bundes-Ethik-Kommission ermächtigt werden soll. Hierfür gebe es "keinen Bedarf", urteilt die BÄK.
Eine unmittelbar bei den Genehmigungs- und Zulassungsbehörden des Bundes angesiedelte Kommission biete nicht die von der Helsinki-Deklaration und von der EU-Verordnung geforderte Unabhängigkeit, heißt es in der Stellungnahme der BÄK.
Auf Widerspruch stoßen zudem Regelungen zur gruppennützigen klinischen Forschung bei volljährigen Personen, die etwa aufgrund einer geistigen Behinderung nicht in der Lage sind, Bedeutung und Tragweite einer solchen Studie zu verstehen.
Generell sind bei dieser Gruppe klinische Studien nach dem AMG nicht erlaubt. Eine Ausnahme sieht der Gesetzentwurf dann vor, wenn der betreffende Proband dies in einer Patientenverfügung gestattet hat. Laut Gesetzesbegründung ist hier an Menschen mit degenerativen Erkrankungen gedacht, die im Stadium der Einwilligungsfähigkeit eine entsprechende Patientenverfügung erteilen.
Die Bundesvereinigung Lebenshilfe bezweifelt die Wirksamkeit dieser Regelung. Denn die Vordrucke zu Patientenverfügungen enthielten keine Informationen über klinische Prüfungen von Arzneimitteln - geschweige denn Erläuterungen über den Unterschied zwischen fremd- und eigennütziger Forschungsteilnahme.
Die Kritik von Professor Martin Hildebrandt von der TU München, Arzt und Vorsitzender der Ethikkommission in Berlin, fällt schärfer aus. Es sei für ihn "nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber einer Absenkung des Schutzniveaus für nicht einwilligungsfähige Personen zustimmen sollte", so Hildebrandt. Es gebe "keinen nennenswerten Bedarf" für placebokontrollierte klinische Prüfungen mit nicht einwilligungsfähigen Personen.