Lebensumstände analysiert
So geht es den Menschen über 80
Senioren über 80 Jahre sind die am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe. Doch wissen Forscher wenig über die Lebensumstände von Hochaltrigen. Ein Projekt im Auftrag der NRW-Landesregierung bringt Licht ins Dunkel.
Veröffentlicht:DÜSSELDORF. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen und die Universität Köln haben erste Ergebnisse der bundesweit bislang einmaligen Studie NRW80+ zur Lebenssituation über 80-jähriger Menschen vorgestellt.
"Keine Bevölkerungsgruppe wächst so schnell wie diese und doch fehlen uns bislang grundlegende Erkenntnisse dazu, wie sie lebt und leben möchte", sagte die parteilose NRW-Wissenschaftsministerin Isabell Pfeiffer-Poensgen bei der Präsentation. Tenor der Untersuchung: Sehr alte Menschen sind überraschend zufrieden mit ihrem Leben, es gibt aber auch unerwartet negative Ergebnisse wie eine hohe Zahl an Senioren, die mit starken Schmerzen leben.
Im Jahr 1950 war erst ein Prozent der deutschen Bevölkerung 80 Jahre und älter, heute sind es bereits rund sieben Prozent. Nach Prognosen wird der Anteil bis 2050 auf 13 Prozent steigen. Dennoch fehlen bislang Studien zu dieser Altersgruppe. Für NRW80+ wurden seit Sommer 2017 rund 1800 Personen – auch Heimbewohner – je 90 Minuten interviewt.
"Sehr gute" Gesundheit
"Wenig überraschend spielt Gesundheit eine große Rolle bei der Lebenszufriedenheit. Je mehr Krankheiten vorhanden sind, desto geringer die Lebenszufriedenheit", erklärte Professor Susanne Zank, Leiterin des Lehrstuhls für Rehabilitationswissenschaftliche Gerontologie an der Universität Köln. Zum Zeitpunkt des Interviews hatten die Befragten im Schnitt 3,6 aktuell behandelte Erkrankungen. Dennoch bezeichneten 60 Prozent ihre Gesundheit als gut oder sehr gut.
Besorgniserregend finden die Wissenschaftler die Erkenntnisse zum Thema Schmerzen: Jeder vierte Teilnehmer litt in den letzten vier Wochen vor der Befragung an starken oder sogar sehr starken Schmerzen. Bei den Menschen in vollstationärer Versorgung war der Anteil geringer.
Patientenverfügung weit verbreitet
Nur ein Drittel aller Hochaltrigen ist pflegebedürftig. Bei über 90-Jährigen sieht es allerdings anders aus, hier haben fast zwei Drittel einen Pflegegrad. Ebenfalls zwei Drittel verfügen über eine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht. "Die Zahl finde ich sehr hoch. Die Frage ist, wie in der Praxis damit umgegangen wird", sagt Professor Christiane Woopen, Vorsitzende des Europäischen Ethikrates und Direktorin des Cologne Center for Ethics, Rights, Economics and Social Sciences of Health an der Universität Köln. Immerhin 27 Prozent der über 80-jährigen Menschen zeigen eine subdiagnostische Depressivität.
86 Prozent der sehr alten Menschen sind mit ihrem Leben zufrieden. Bei den über 90-Jährigen nimmt diese Zahl ab. Mit Blick auf ihre aktuelle Situation sagen 60 Prozent der Hochaltrigen, dass ihre eigenen Wertvorstellungen immer weniger zur heutigen Gesellschaft passen. Was diese Werte sind, wurde in der Studie allerdings nicht erfragt. Auch Einsamkeit ist ein Problem, besonders bei Menschen in vollstationärer Unterbringung.
"Die Ergebnisse können dabei helfen, die Rahmenbedingungen für ein erfülltes Leben bis ins hohe Alter zu verbessern", sagte Pfeiffer-Poensgen. Allerdings muss dazu weiter geforscht werden. "Zur Bestimmung von positiven oder negativen Alternsverläufen und zur Identifikation von Ursachen für gutes oder weniger gutes Altern bräuchten wir mehrere Erhebungen über die Zeit hinweg an denselben Personen", so die Gerontologin Zank.
NRW plant daher eine Förderung der Nachfolge-Längsschnittstudie Hochaltrigenpanel NRW80+, die die Studienteilnehmer weiter begleiten soll.
Weitere Informationen zur Studie: http://ceres.uni-koeln.de/forschung/nrw80/