Heilpraktiker weg?

So lebhaft diskutieren unsere Online-Leser

Unseriöser Beruf oder medizinische Alternative: Eine Expertengruppe fordert die Abschaffung des Heilpraktikerberufs - und tritt damit eine lebhafte Debatte los.

Veröffentlicht:
Über das Für und Wider des Heilpraktikerberufs diskutieren unsere Leser online.

Über das Für und Wider des Heilpraktikerberufs diskutieren unsere Leser online.

© Arcady / Fotolia

NEU-ISENBURG. Die Experten nennen sich "Münsteraner Kreis", ihre Forderung an den Gesetzgeber klingt radikal: 17 Wissenschaftler um die Münsteraner Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert fordern das Aus für die "unangemessene Ausbildung und die meist unhaltbaren Krankheitskonzepte" der Heilpraktiker, wie es in einem Anfang der Woche veröffentlichten Appell heißt.

Die Meldung machte am Montag in den Medien schnell die Runde und löste auch auf ärztezeitung.de sowie auf unserer Facebook-Seite eine Flut von Kommentaren aus.

Wir haben eine Auswahl von Zitaten zusammengestellt.

Ursula Prangeberg mahnt zu moderaterem Vorgehen

"Es ist richtig und gut, dass die Leitlinien zur Heilpraktiker-Prüfung und bundesweit auf einen einheitlichen Standard gebracht werden. Und ja, es ist korrekt, dass es immer wieder schwarze Schafe gibt. Diese gibt es jedoch in jedem Beruf, vom Schlüsseldienst bis zu akademischen, sogar in theologischen Berufen. Aber wird in diesen Berufszweigen über eine Abschaffung desselben diskutiert.

Letztlich wäre es insgesamt doch besser und sinnvoller, wenn Ärzte und Heilpraktiker eng zusammen arbeiten könnten. So würde den Patienten ein breiteres Spektrum an Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten erschlossen und es wäre (indirekt) eine größere Kontrolle über evtl. schwarze Schafe möglich."

Rudolf Hege wittert "Inquisition"

"Früher jagte die Kirche all die, die nicht nur glauben wollten, sondern auch wissen. Heute jagen die Wissenschaftler alle, die nicht nur wissen wollen, sondern auch bereit sind, zu glauben: An Erfahrungen, an das Können anderer Kulturen, an Zusammenhänge, auch wenn diese noch nicht "allgemein anerkannt sind" usw. Im Grunde geht es nicht (nur) gegen Heilpraktiker, es geht gegen jede Art von "abweichender" Medizin."

Ecclesius Bibbach zu seiner Zeit auf der Heilpraktikerschule

"Während meines zweijährigen Abendkurses, zweimal die Woche von 19 - 21:30 Uhr in der Heilpraktikerschule, wurde mir erzählt, die Schulmediziner hätten keine Ahnung von Medizin im Allgemeinen, machten alles falsch und immer mehr Patienten kämen zum Heilpraktiker, weil die Schulmedizin versage. Während meines sechsjährigen Medizinstudiums täglich von 8:00-20:00 Uhr wurden Naturheilverfahren und sanfte Medizin ohne große Schimpferei thematisch angeschnitten, zumindest was wissenschaftlich belegt werden konnte.

Auch mußte ich während meines Studiums feststellen, daß mir in der Heilpraktikerschule physiologische Grundlagen sowie Vorgänge des Stoffwechsels falsch erklärt wurden. Es wäre die Frage, ob man die Ausbildung zum Heilpraktiker nicht anders gestalten mag, und zumindest einen FH-Studiengang daraus macht. Jedes System braucht eine Opposition und Heilpraktiker, das muß man ihnen lassen, sind eine Opposition zur doch sehr Pharma gestützten Schulmedizin."

Dr. Martin Brodowski dankt dem "Status des Heilpraktikers"

"Ich gehe auch ab und an zu meiner Heilpraktikerin. Man muss vielleicht dazu sagen, dass diese "Heilpraktikerin" Chinesin ist und in China die komplette Ausbildung in chinesischer Medizin absolviert hat sowie dort die Lehrerlaubnis besitzt. Glücklicherweise gibt es hier in Deutschland den Status des Heilpraktikers, sonst wäre ihre Tätigkeit nicht möglich.

Aber grundsätzlich: niemand, den ich kenne, verwechselt den Heilpraktiker mit dem Arzt. Man sollte den Bürger für mündig genug halten. Schwarze Schafe gibt es überall, deswegen einen ganzen Berufszweig abzuschaffen ist nicht der richtige Weg."

Für Alexander Ried ist Heilpraktikertum Religion

"Wir sollten aufhören Heilpraktiker als Teil des medizinischen Systems zu sehen. Das sind sie nämlich nicht. Sie haben weder eine geeignete Ausbildung noch die geeigneten Verfahren um bei Krankheiten tatsächlich einzugreifen. Vielmehr sollten wir sie als Priester einer Religion sehen, Religion, weil der Glaube an die Heilkraft hier im Vordergrund steht."

Chris Bruch mit zwei Forderungen

"Heilpraktikermethoden müssten mehr erforscht werden, denn manchmal helfen sie dort, wo die wissenschaftlichen Methoden der Ärzte versagen. Die Anforderungen an die Heilpraktikerausbildung und -zulassung sollten erhöht werden und es ist selbstverständlich inakzeptabel, dass Patienten infolge von wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungen sterben."

Jeannine Ehrhardt spricht sich für Zusammenarbeit aus

"Ich bin so froh, dass es Ärzte und Heilpraktiker gibt. Und dass es Ärzte gibt, die nicht sofort mit der chemischen Keule losschlagen, sondern erstmal pflanzlich-homöop. Alternativen suchen. Würde die Zusammenarbeit zwischen der wissenschaftlichen Schulmedizin und dem Alternativen Heilwissen funktionieren, müsste die Frage oben nicht gestellt werden."

Sarah Wiefels zu Gründen für die Nachfrage nach Heilpraktikern

"So lange die Medizin so bleibt wie sie ist, bedingt durch die katastrophalen betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen und daraus resultierende mangelhafte Kommunikationsmöglichkeit und systemischen Ansatz, wird die Menschheit nach alternativen Heilmethoden verlangen. Wer wen in Anspruch nimmt, bleibt den Patienten selbst überlassen. Ich finde, es darf keine Restriktion geben. Eine Kontrolle der Ausbildung schon, das halte ich für dringend notwendig."

(sts)

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Leitartikel

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Kommentare
Katja Stumpp 29.08.201716:42 Uhr

Hochwertige HP-Ausbildung existiert durchaus auch

Ich durchlaufe aktuell eine mehrjährige Ausbildung zur Heilpraktikerin, selbstverständlich lerne ich in dieser Zeit auch Therapieverfahren schwerpunktmässig und ja natürlich auch am Patienten. D.h. qualitativ hochwertige Ausbildungswege existieren bereits - sie müssten lediglich noch geprüft und würden dann in dieser Form mit Sicherheit auch anerkannt. Meine Dozenten vermitteln ganz klar und ohne wenn und aber schulmedizinisches Wissen, das die Basis bildet. Schulmediziner werden ausdrücklich nie in Frage gestellt. Im Gegenteil, es wird immer wieder betont wo die Grenzen liegen und an Ärzte verwiesen werden sollte. Zudem erlernen wir je nach (Wahl-) Schwerpunkthema Therapien aus dem naturheilkundlichen Bereich.
Die Einführung des Fachheilpraktikers ist daher m.E. nicht notwendig bzw auch nicht zielführend. Die genannten Gesundheitsfachberufe, die dem Fachheilpraktiner vorausgehend zu erlernen wären (Logopädie,Physiotherapie,GuK,korrekt?), entsprechen nicht wirklich den Themen derer sich die HP zumeist bedienen. Warum also sollte ich einen Beruf erlernen in dessen Bereich ich nicht tätig sein möchte. Warum dieser unnötige Umweg? Qualifiziertes medizinisches Wissen könnte auch im Rahmen eines neu anerkannten und breitgefächerteren HP-Ausbildungsberuf vermittelt werden. Das wäre allen Seiten zuträglich. Ich hoffe sehr, den von mir mit viel Zeit und Geld und Sinn für die Verantwortung gegenüber meinen Mitmenschen erlernten Beruf dann auch zukünftig umsetzen zu dürfen. Eine ganze (von Patienten gewollte) Berufsgruppe bzw deren aktuelle Berufsanwärter zu illegalisieren - ohne zu selektieren- das wäre falsch und unnötig. Ich bitte die HP-Gegner vor dem Hintergrund meiner Ausführungen, in aller Höflichkeit und mit gegenseitigem Respekt, ihre Einstellung zu Überdenken. Herzlichen Dank.

Udo Eichweber 24.08.201711:40 Uhr

HP-Prüfung - ohne Praxisbezug bei erkrankten Menschen !


Als Lehrer an einem Berufskolleg war ich fast 20 Jahre lang als Mitglied eines Prüfungsausschusses für Medizinische Fachangestellte bei der ÄK WL tätig. Aus fachlichem Interesse befasse ich mich nun nach der Pensionierung im Selbststudium mit Literatur, die der Vorbereitung auf die amtsärztliche Prüfung für HP dient.
Diese Literatur ist durchaus wissenschaftsorientiert. Sie vermittelt mir die Einsicht: das mehrjährige wissenschaftliche Studium der Medizin ist unbedingte Voraussetzung für die praktische Arbeit am Kranken. Ich will die HP-Prüfung bestehen, um einen Nachweis dafür zu haben, dass ich von einer Sache etwas weiß , das notwendige Verstehen würde mir aber weitgehend fehlen,so dass ich mich auch nie als Behandler betätigen würde.
Lehrer müssen das Referandariat bestehen, Ärzte die praktische Ausbildung - beide im alltäglichen Leben von Menschen - bei der gegenwärtigen Rechtslage kann aber ein HP sofort nach der Prüfung tätig werden, ohne dass er je zuvor einen Patienten gesehen haben müßte.Udo Eichweber, OStRat a. D.

Maria Lohmann 24.08.201710:41 Uhr

Früher belächelt, heute gerne genutzt

Wie auch in anderen Berufsgruppen gibt es auch unter Heilpraktikern einzelne Personen, die gegen geltendes Recht verstoßen. Daraus einen ganzen Berufsstand unter Generalverdacht zu stellen, ist allerdings undifferenziert und einseitig. In dem sogenannten „Münsteraner Memorandum“ wird versucht, persönliche Meinungen selbsternannter Experten als Fakten dazustellen und die Gunst der Stunde zu nutzen, einen Einzelfall zur Pauschalverurteilung zu nutzen. Ohne die kontinuierliche Arbeit der Heilpraktiker wäre wertvolles naturheilkundliches Wissen schon längst in der Versenkung verschwunden. Eine einheitliche, anspruchsvolle Ausbildung für Heilpraktiker ist selbstredend wichtig.
In den letzten Jahren hat sich die Zusammenarbeit zwischen Naturheilkunde und "Schulmedizin" übrigens immer weiter angenähert. Und ich möchte darin erinnern, dass tiefverwurzeltes naturheilkundliches Wissen wie etwa "Die Gesundheit sitzt im Darm" und Behandlung von Allergien/Beeinflussung des Immunsystems über den Darm(jetzt Mikrobiomforschung und Therapie der Mikrobiota)oder "Übersäuerung" (heute Studien zu verringerter Knochenstabilität durch ernährungsbedingte Säurelast, Donald-Studie mit Kindern 2015) früher belächelt und heute in die moderne Medizin einfließt.

Maria Lohmann, München

Dr. Thomas Georg Schätzler 23.08.201721:49 Uhr

Das bestehende Heilpraktikergesetz ist einfach nur würdelos!

Die Problematik der drei Todesfälle bei einem Heilpraktiker in einer alternativen Krebsklinik im Jahr 2016 nahe der niederländischen Grenze unter Anwendung des Präparates „3-Bromopyruvat“ als experimentelle allopathische Chemotherapie von Krebskranken war nicht – wie irrtümlich von medizin- und bildungsfremden Kreisen in Aufsichtsbehörden, Verwaltung, Gesundheitswesen und Jurisprudenz angenommen – die Homöopathie.
Die Homöopathie als Behandlungsmethode bezieht sich in der Regel auf Krankheiten, Gesundheits- und Befindlichkeitsstörungen, die mit oder ohne Therapie auch spontan von selbst ausheilen können. Unter diesem „Schutzschirm“ ist und bleibt diese „besondere Therapierichtung“ (SGB V) in der Bevölkerung beliebt und wird meist unproblematisch und unkritisch betrachtet.

Völlige Überschätzung der eigenen Fähigkeiten
Das Hauptproblem bei dem onkologischen Sterbedrama in NRW waren übermotivierte, in „illusionärer Verkennung“ ihrer Fähigkeiten und Begrenzungen ebenso invasiv und interventionell wie notfallmedizinisch inkompetent arbeitende Heilpraktiker gewesen. Dabei sollte eigentlich gelten: Alle – inklusive der Ärzteschaft – sollten ihre professionellen Grenzen kennen!
Geschützt werden hier Heilpraktiker-Scharlatane, die es im Übrigen unter Ärzten ebenfalls geben kann, durch eine weltweit einmalige juristische Fiktivkonstruktion: Akademisch grundlagen-orientiert, pathophysiologisch, klinisch und in der Praxis ausgebildete Ärzte werden mit „Erfahrungsheilern“ ohne wissenschaftlich fundierte Ausbildung nahezu gleichgestellt.

Entwertung der ärztlichen Ausbildung
Darum ist das Heilpraktikergesetz als „HeilprG“ einfach nur würdelos! Es entwertet Abitur und Vollstudium Humanmedizin, PJ und klinische Fachausbildung. Es zieht die Befähigung zur Ausübung der Heilkunde als sogenannte „Heilkunde-Erlaubnis“ und „Heilkunde-Privileg“ ins Lächerliche.
Das kann man auch billiger haben: Einfach den „Heilpraktiker“ ohne zusätzliche Berufsausbildung machen! Dann kann man sich nach Herzenslust an Patienten als freiwilligen Versuchskaninchen austoben; wird damit jedoch genauso entwertet.

Hilfe aus dem Ministerium
Und wer hilft einem dabei, ohne störende Ausbildungshürden, ohne lästiges Arztregister, Bundes- und Landesärztekammern, Weiterbildungs- und Fortbildungspflichten, Berufsordnungen bzw. weitere staatliche Kontroll- und Aufsichtsbehörden? Ein völlig unbedarftes „Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz“ mit einem geradezu „bahnbrechenden“ Heilpraktikergesetz von 1939, das auch noch auch noch weitschweifig und kommentarlos im Internet präsentiert wird:

„Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung
(Heilpraktikergesetz), HeilprG, Ausfertigungsdatum: 17.02.1939

„Heilpraktikergesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 15 des Gesetzes vom 23. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2702) geändert worden ist“.

[...]

Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

§ 1 (1) Wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will, bedarf dazu der Erlaubnis.

(2) Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird.

(3) Wer die Heilkunde bisher berufsmäßig ausgeübt hat und weiterhin ausüben will, erhält die Erlaubnis nach Maßgabe der Durchführungsbestimmungen; er führt die Berufsbezeichnung „Heilpraktiker“.

§ 2 (1) Wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, bisher berufsmäßig nicht ausgeübt hat, kann eine Erlaubnis nach § 1 in Zukunft ... erhalten.

(2) Wer durch besondere Leistungen seine Fähigkeit zur Ausübung der Heilkunde glaubhaft macht, wird auf Antrag des Reichsministers des Inne

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