Kommt er zum 1. Juni?
So will die EU mit dem Grünen Impfausweis den Sommerurlaub retten
EU-Kommissions-Chefin von der Leyen hat die konkreten Pläne für den Grünen Digitalen Impfausweis vorgestellt, der europaweite Reisen in Corona-Zeiten möglich machen soll. Diskriminierung von Nicht-Geimpften soll es nicht geben, heißt es in dem Vorschlag. Im Streit um Impfstoffe sendet die EU harsche Töne Richtung Großbritannien.
Veröffentlicht:Brüssel. Alle Blicke richten sich am Donnerstag nach Amsterdam, dem Sitz der Europäischen Arzneimittel-Behörde. Am frühen Nachmittag will die EMA dort entscheiden, ob der Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca weiter verimpft werden darf.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich am Mittwoch optimistisch: „Ich vertraue auf AstraZeneca. Ich vertraue dem Prozess der EMA“, sagte sie und ergänzte, sie erwarte eine „sehr deutliche Aussage“ aus Amsterdam. Damit ist der Krach um das Vakzin aber noch nicht ausgestanden.
In Brüssel werden nämlich gerade die Voraussetzungen für Ausfuhrstopps nachgeschärft. Das Ziel ist klar: AstraZeneca. Künftig soll es möglich sein, Lieferungen an solche Staaten leichter zu untersagen, die selbst keine Impfstoffe exportieren. Im Visier hat die EU-Kommission offenbar vor allem Großbritannien.
Keine einzige Ampulle aus Großbritannien
Den vorliegenden Listen zufolge hat die Gemeinschaft bisher die Ausfuhr von 9,1 Millionen Dosen des Vakzins an das Vereinigte Königreich gestattet – zurückkam nicht eine einzige Ampulle. Von der Leyen wörtlich: „Wir warten immer noch auf Dosen, die aus Großbritannien bei uns ankommen.“ Sollte sich das nicht ändern, werden „wir darüber nachdenken, Exporte in Impfstoff produzierende Länder vom Grad der eigenen Offenheit abhängig zu machen“.
Dabei wollte die Kommissionschefin eigentlich ein anderes Projekt vorstellen, das den EU-Bürgern endlich Hoffnung geben soll: Am 1. Juni möchte Brüssel den neuen „Grünen Digitalen Impfausweis“ einführen – und damit den Sommerurlaub 2021 retten.
Es handelt sich um eine Bescheinigung in der Sprache des „Pass“-Inhabers sowie auf Englisch, die entweder digital auf dem Smartphone oder auf Papier mitgeführt werden kann. Ein sogenannter QR-Code enthält die wichtigsten Daten des Besitzers: Name, Geburtsdatum, Ausstellungsdatum sowie eine digitale Unterschrift der Klinik, des Impfzentrums oder des Arztes, der eine Impfung vorgenommen hat, sowie den Namen des verwendeten Vakzins.
Diskriminierung soll es nicht geben
Bei Nicht-Geimpften können zurückliegende PCR-Tests gespeichert werden. Wer eine COVID-19-Erkrankung überstanden hat und geheilt ist, kann dies ebenfalls hinterlegen. Diskriminierung von Nicht-Geimpften soll es nicht geben, heißt es in dem Vorschlag.
Aber wer weder eine Impfung noch einen PCR-Test noch eine Heilung nach einer Infektion nachweisen könne, müsse „Einschränkungen für Tests oder Quarantäne/Selbstisolierung“ hinnehmen. Die Ausweise sollen von den Mitgliedstaaten ausgegeben werden. Alle Angaben bleiben national gespeichert.
Die EU-Kommission baut lediglich ein Netz an Gateways auf, über die bei Kontrollen die gespeicherten Informationen mit den Angaben abgeglichen und verifiziert werden. Private Informationen werden dabei nicht ausgelesen oder gar erfasst. Übrigens sollen diese Impfausweise von den Mitgliedstaaten kostenlos ausgegeben werden – auch an Nicht-EU-Bürger, die in einem EU-Staat leben.
Merkel gegen Zwei-Klassen-Gesellschaft
Mit Spannung wird die Antwort der Staats- und Regierungschefs erwartet, die Ende nächster Woche zusammenkommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war bisher zurückhaltend, weil sie verhindern will, dass eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen Geimpften und noch nicht Geimpften entsteht.
Richtig ist aber auch: Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Modell kann nur funktionieren, wenn alle 27 Mitgliedstaaten sowie die Schweiz, Liechtenstein und Norwegen mitmachen. Die Kommission will deshalb zu einem umstrittenen Mittel greifen. Sie erwägt, den Impfausweis per Verordnung durchzusetzen, die die Mitgliedstaaten umsetzen müssen. Da könnte es noch Ärger geben.
Klappt das binnen drei Monaten?
Damit die Reisewelle richtig ins Rollen kommt, sind zusätzliche Bemühungen nötig, die Brüssel ebenfalls anpackt. Die EU-Kommission hat das Europäische Komitee für Normung CEN, das für die Bereiche Tourismus und Gastgewerbe Standards entwickelt, gebeten, ein freiwilliges Hygienesiegel zu erarbeiten. Es soll dann alle Hotels, Restaurants, Bars und so weiter auszeichnen, die diesem Standard entsprechen.
Gleichzeitig bemüht sich die EU-Behörde, in Zusammenarbeit mit der Internationalen Luftfahrt-Behörde ICAO die Anerkennung des Ausweises im Flugverkehr zu erreichen. Ähnliches gilt für die europäischen Bahn-, Schiffs- und Bus-Gesellschaften. Der Verschlag fand zwar breite Zustimmung – auch im Europäischen Parlament. Zweifel blieben dennoch, ob ein derart ehrgeiziges Vorhaben wirklich innerhalb von nur drei Monaten umsetzbar ist.