Corona-Impfungen
Bundesregierung sieht EMA-Spruch zu AstraZeneca-Impfstoff als bindend an
Bund und Länder blicken gespannt nach Amsterdam. Dort entscheidet am Donnerstag die EMA, ob der AstraZeneca-Impfstoff weiter genutzt werden kann. Am Montag steht die Einbeziehung der Arztpraxen auf der Agenda.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Die Bundesregierung wird eine Entscheidung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zum weiteren Einsatz des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca (AZD1222) als bindend betrachten. Darauf haben Sprecher der Regierung am Mittwoch in Berlin hingewiesen. „Es ist klar, dass wir dieser Entscheidung folgen“, sagte der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Hanno Kautz.
Sie bestimme auch, inwieweit neuere Erkenntnisse zu den Nebenwirkungen wie Hirnvenenthrombosen Einfluss auf die Zulassung des Impfstoffs haben könnten. Im Anschluss an die Äußerungen aus der EMA, die für diesen Donnerstag avisiert sind, sollen die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut und das Paul Ehrlich-Institut (PEI) ebenfalls dazu beraten. Danach treffe das Bundesgesundheitsministerium seine Entscheidung.
Corona-Impfungen
AstraZeneca-Impfstoff: Erkenntnisse und Entwicklungen
„Kontrollmechanismen funktionieren“
Bei der teilweisen Aussetzung der Impfungen sei die Regierung der Empfehlung des PEI gefolgt. „Unsere Kontrollmechanismen funktionieren“, sagte Demmer. Bedenken würden ernst genommen. Sobald die Bedenken ausgeräumt seien, könne der Impfstoff wieder genutzt werden.
Die wegen der Aussetzung der Impfungen mit AZD1222 am Montag abgesagte Telefonkonferenz der Regierungsspitzen der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zum weiteren Verlauf der Impfungen soll nun am Freitagnachmittag ab 15 Uhr nachgeholt werden. Voraussetzung dafür sei wiederum eine Entscheidung der europäischen Arzneimittelagentur in Amsterdam, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ute Demmer.
Gipfel berät über Impfkampagne
Am kommenden Montag wird dann der reguläre Bund-Länder-Corona-Gipfel stattfinden. Dabei stehe die Einbindung der Arztpraxen in die Impfkampagne „selbstverständlich“ auf der Tagesordnung. Es sei Konsens, dass über die Arztpraxen die Zahl der Impfungen erhöht werden könne, sagte Demmer. Allerdings seien für die Einbeziehung der Praxen verlässliche Impfstofflieferungen nötig.
Ob nach einer Wiederzulassung von AZD1222 die Impfpriorisierung für diesen Impfstoff aufgehoben werden könnte, wollte Kautz nicht beantworten. „Denkbar ist natürlich Vieles“, sagte der Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Parlamentarier irritiert über Spahn
Abgeordnete des Bundestags zeigten sich derweil irritiert, dass Spahn einen Tag vor der EMA-Entscheidung und zwei Tage vor der geplanten Bund-Länder-Schalte zum Impfen eine klare Antwort zum weiteren Umgang mit dem AstraZeneca-Impfstoff vermissen lasse.
Offenbar wisse der Minister zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht, was er bei einem positiven Votum der Behörde zu tun gedenke und wie er den Bogen zwischen dem Aussetzen des AstraZeneca-Vakzins am Montag hin zu einem möglichen Wiedereinsetzen schlagen wolle, berichteten Teilnehmer einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses am Mittwochnachmittag der „Ärzte Zeitung“.
Die Antwort auf diese Frage sei aber für den Fortgang der Impfkampagne von „großer Bedeutung“. Bleibe sie offen, drohe noch mehr Verunsicherung in der Bevölkerung. Denkbar sei, dass der Beipackzettel zum AstraZeneca-Vakzin verändert werde und auf mögliche Nebenwirkungen in sehr selten Fällen für bestimmte Risikogruppen hingewiesen werde.
Vorstellbar sei auch ein grundsätzlicher Strategiewechsel beim Impfen – etwa dergestalt, dass AstraZeneca nicht zur Verimpfung an Frauen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren empfohlen werde. Laut PEI waren vor allem Frauen in dieser Altersspanne von den bekannt gewordenen neurologischen Komplikationen betroffen.
Priorisierung steht in Frage
Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Erwin Rüddel (CDU), zeigte sich zuversichtlich, dass „Astra im Spiel bleibt“. Im schlimmsten Fall könne es zu Einschränkungen für bestimmte Gruppen kommen, sagte Rüddel bei einer virtuellen Veranstaltung der Innungskrankenkassen am Mittwochnachmittag.
Wenn die Arztpraxen in die Impfung einbezogen würden, könne man dort die Priorisierung „deutlich herunterfahren“. „Ich bin überzeugt davon, dass die Ärzte wissen, was sie tun“, betonte Rüddel. In den Impfzentren werde es die Priorisierung allerdings weiter geben müssen.
In die gleiche Kerbe hieb auch der SPD-Gesundheitspolitiker Dr. Edgar Franke bei der IKK-Veranstaltung. Die Priorisierung dürfe nicht dogmatisch aufrecht erhalten werden. Er gehe davon aus, dass das Impfen mit der AstraZeneca-Vakzine nur kurz ausgesetzt bleibe, sagte Franke unter Bezugnahme auf die Sondersitzung des Gesundheitsausschusses. Danach sollte der Entscheidungsspielraum, wer geimpft werde, auf die Hausärzte übertragen werden. (af/hom)