Sollen "Pflege-Weise" den Kurs vorgeben?
Wissenschaftler plädieren für ein Gremium, das eine langfristige Pflege-Strategie entwickelt - die Idee ist umstritten.
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Professor Herbert Rebscher, Vorsitzender der DAK-Gesundheit.
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BERLIN. Deutschland braucht eine ganzheitliche Strategie für die Pflege, die auch Regierungswechsel überdauert.
Das hat der Direktor des Instituts für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen Professor Stefan Görres beim Pflegetag der DAK in Berlin gefordert.
"Bisher kleben Pflegepolitik und Pflegereformen vier zu sehr an Legislaturperioden. Deshalb kommen wir in der Pflege nicht voran", kritisierte er.
Sachverständigenrat für Pflege gefordert
Um eine solche Strategie sowie Konzepte zur deren Umsetzung zu entwickeln, soll nach dem Willen von Görres ein Sachverständigenrat für Pflege nach dem Vorbild des Sachverständigenrates für Gesundheit eingerichtet werden.
"Zwar ist die Pflege im Themenspektrum des Sachverständigenrates für Gesundheit auch inkludiert, wird aber angesichts ihrer aktuellen und zukünftigen Bedeutung nur unzureichend behandelt", monierte der Wissenschaftler.
Professor Andreas Kruse, Direktor des Institutes für Gerontologie der Universität Heidelberg, unterstützte den Vorschlag von Görres. "Die Formen der Pflegebedürftigkeit werden sich in den nächsten Jahren stark verändern.
Das Altern wird in Zukunft nicht dasselbe Altern sein, wie heute, und auch die Formen der sozialen Netzwerke, in denen die Menschen altern, werden ganz anders sein", gab er zu bedenken.
Ein Sachverständigenrat für Pflege, bestehend aus Praktikern und Wissenschaftlern, ist nach Ansicht von Kruse besonders geeignet, tragfähige Szenarien zu erarbeiten.
Chef der DAK-Gesundheit gegen weiteres Gremium
Gegen ein weiteres beratendes Gremium sprach sich dagegen der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit, Professor Herbert Rebscher aus. "Eine große Strategie, die Legislaturperioden überdauert und von einem parteiunabhängigen Sachverständigenrat vorbereitet und begleitet wird, scheitert an der Funktionsweise der Politik."
Er warnte davor, dass die Politik gerne solche Expertengremien einsetzt, um unbequeme Themen "intelligent zu verschieben". Als Beispiel nannte er die erneute Einsetzung des Expertenrates für Ausgestaltung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes, der erst kurz vor Ende der Legislaturperiode Ergebnisse vorstellen will.
"Es ist doch kein Zeitplan, welcher der Thematik geschuldet ist, sondern ein Zeitplan, um die Legislaturperiode zu überstehen, ohne über den Pflegebegriff reden zu müssen", kritisierte Rebscher.
Wissenschaftler seien auch ohne offizielle Gremien in der Lage, Pflege- und Versorgungsforschung voranzutreiben und die Politik durch neue Erkenntnisse zum Handeln zu zwingen, glaubt der Vorstandschef.