Bundeshaushalt 2024

Sozialverbände und Kassen kritisieren Pflegekurs der Regierung scharf

Wegfall des Steuerzuschusses, Aussetzen beim Vorsorgefonds: Sozialverbände, Gewerkschaften und Krankenkassen werfen der Ampel-Koalition falsche Entscheidungen bei der Pflege vor. Das könne sich rächen.

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Pflegealltag in Deutschland: Ohne ausreichend Personal und genügend Geld geht es nicht.

Pflegealltag in Deutschland: Ohne ausreichend Personal und genügend Geld geht es nicht.

© Werner Krueper/epd-bild/picture alliance

Berlin. Die Pflegepolitik der Ampelkoalition zieht erneut harsche Kritik auf sich. Anlass sind drohende Einsparungen im Zuge des Bundeshaushalts 2024. Der Etatentwurf von Finanzminister Christian Lindner (FDP) soll an diesem Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden.

Vorgesehen ist unter anderem, dass der Steuerzuschuss zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von einer Milliarde Euro im nächsten Jahr ausbleibt. Weil zugleich die Einzahlung in den Pflegevorsorgefonds für 2024 ausgesetzt werden soll, kommt es laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu keinen Leistungskürzungen. In dem für die Babyboomer angelegten Spartopf bei der Bundesbank fließen aktuell jährlich zwischen 1,6 und 1,7 Milliarden Euro.

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Diakonie: Kosten auf Versicherte abgewälzt

Die Vorständin für Sozialpolitik bei der Diakonie, Maria Loheide, kritisierte, statt die Pflegeversicherung auf solide Füße zu stellen, wälze die Ampelkoalition alle Kosten auf die Versicherten ab. Die Pflegekassen hätten in der COVID-19-Pandemie hohe zusätzliche Kosten geschultert. Die fehlten jetzt. „Deshalb darf der Finanzminister den zugesagten Steuerzuschuss nicht streichen.“

Loheide mahnte eine „grundlegende Pflegereform“ an – „und zwar bald“. Bleibe die Pflegeversicherung unterfinanziert, stehe zu befürchten, dass Pflegebedürftige nicht mehr professionell versorgt werden könnten und Angehörige erschöpft aufgeben müssten. „Das wäre eine Katastrophe.“

Der Bundestag hatte erst kürzlich eine Reform der Pflegeversicherung, das Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (PUEG), verabschiedet. Das Gesetz beinhaltet außer Beitragserhöhungen auch neue Leistungen in der ambulanten wie der stationären Pflege. Kinderreiche Familien werden beim Beitragssatz entlastet – Kinderlose stärker belastet. Sozialverbände hatten das Reformgesetz als unzureichend bezeichnet.

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„Vorsorgefonds wird politischer Spielball“

Der GKV-Spitzenverband kritisierte unterdessen das geplante Aussetzen der Einzahlungen in den Pflegevorsorgefonds im nächsten Jahr. „Wir sehen es kritisch, wenn der Pflegevorsorgefonds zum politischen Spielball gemacht und damit die beabsichtigten Zinseffekte gefährdet werden“, sagte ein Sprecher der Ärzte Zeitung am Dienstag.

Grundsätzlich betrachten es die Kassen mit großer Sorge, „mit welcher Konsequenz zulasten der Pflegeversicherung gespart wird“. Die Investitionskosten für die Pflegeeinrichtungen müssten seit vielen Jahren in der Regel die Heimbewohnenden zahlen, obwohl dies Aufgabe der Länder sei. Die Sozialversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige wiederum müsse die Pflegeversicherung schultern, weil der Bund die Kosten an die Pflegekassen abgeschoben habe.

Corona-Kosten in Milliardenhöhe hätten ebenfalls die Pflegekassen bezahlt und damit „eine Aufgabe des Bundesfinanzministeriums“ übernommen. „Eine stabil finanzierte Pflegeversicherung kann man mit diesem Kurs nicht erreichen“, warnte der GKV-Sprecher.

DGB: Zuschuss erhöhen, nicht streichen!

„Mitten im Pflegenotstand den Pflegezuschuss zu streichen ist ebenso dumm wie zynisch – gegenüber zu Pflegenden genauso wie gegenüber den Pflegekräften“, kritisierte auch DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Um dauerhaft Pflegebedürftige und Angehörige zu entlasten, müsse der Zuschuss zur Pflege erhöht werden.

Das Geld für den Vorsorgefonds zu nehmen, sei nur dann richtig, wenn es für eine langfristige und nachhaltige pflegerischen Versorgung der Versicherten ausgegeben werde, betonte Piel. Es dürfe keine weitere Flickschusterei zur Finanzierung der Pflegeleistungen geben. Nötig sei eine solide finanzierte Versorgung, dies könne mit Einführung einer „Pflege-Bürgerversicherung“, die sämtliche Pflegeleistungen trage, eingelöst werden. (hom)

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