Digitalisierung und KI

Spießrutenlauf für Forschungsministerin Karliczek

Speerspitze der Wissenschaft oder Untergang des Abendlandes – wohin führt Deutschland die Hightech-Strategie 2025? Eindrücke einer Bundestagsdebatte.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Künstliche Intelligenz made in Germany soll den Wohlstand in Deutschland langfristig sichern.

Künstliche Intelligenz made in Germany soll den Wohlstand in Deutschland langfristig sichern.

© PhonlamaiPhoto / Getty Images /

BERLIN. Die jüngst ausgerufene „Nationale Dekade gegen Krebs“ muss nach Ansicht von Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) eigentlich jeden in Deutschland davon überzeugen, wie ernst und strategisch sich die Bundesregierung der Herausforderung stellt, im globalen Wettbewerb an der Speerspitze von Wissenschaft und Wirtschaft zu stehen.

Dabei soll selbstverständlich das Potenzial neuer Technologien wie etwa der Künstlichen Intelligenz (KI) ausgeschöpft werden.

Bewusst führte Karliczek am Freitag während der Bundestagsdebatte zur Hightech-Strategie 2025 der Bundesregierung den Kampf gegen Krebs ins Feld, sehe sie ihn als wichtigen Teil der Strategie.

Ziel der „Nationalen Dekade gegen Krebs“ sei es unter anderem, neue Therapien schneller aus der Forschung „ran ans Krankenbett“ zu bringen, so Karliczek – ergänzt mit dem Hinweis, dass Ängste und Sorgen der Menschen nicht nur bei der Therapie, sondern auch bei der Forschung ernst genommen werden sollten.

Eine große Rolle beim Kampf gegen Krankheiten spiele auch die KI. Sie könne Muster bei Krankheiten aufdecken und darauf schließen, welche Therapien erfolgversprechend seien. Benötigt würden für die Präzisionsmedizin aber möglichst viele Patientendaten, so die Ministerin.

Es gelte, den Spagat zu leisten, dennoch die Privatsphäre der Patienten zu beachten. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprang Karliczek argumentativ bei und erläuterte vor dem spärlich besetzten Plenum aus medizinischer Sicht, wie vielschichtig die Herausforderung Krebs für Forscher er ist.

Mangelndes Interesse an KI-Fächern

Für Vertreter der Oppositionsparteien spielte Krebs im Speziellen und Medizin im Allgemeinen eine eher untergeordnete Rolle.

Denn: Bei ihnen herrscht in puncto Hightech-Strategie Alarmstufe Rot. Parteiübergreifend sehen sie Deutschland dem Untergang gewidmet, vertraue man stur und stoisch auf die Wirkkraft des Gedruckten.

Deutschland gerate im internationalen Vergleich immer mehr ins Hintertreffen bei zukunftsträchtigen Technologien, der Demografiewandel verschärfe die Situation noch zusammen mit dem Fachkräftemangel, hieß es unisono.

Dann der verbaler Frontalangriff auf Karliczek, die als Ministerin auch für die Bildung zuständig ist. Durch eine fehlgesteuerte Bildungspolitik sorge sie dafür, dass das Interesse an den MINT-Studienfächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – alles KI-Disziplinen – gering bleibe, die benötigten akademischen Fachkräfte zur Zukunftssicherung nicht ausreichend von deutschen Schulbänken rekrutiert werden könnten.

Das gegenwärtige Hickhack um den Digitalpakt verschärfe die Misere noch, hieß es in mehreren Redebeiträgen. Dass daran Oppositionsparteien, die in Ländern Regierungsverantwortung haben, eine Mitschuld tragen, wird dabei leicht übersehen.

Von Worthülsen und toten Katzen

„Was ist das Strategische an dieser Strategie?“, fragte Thomas Sattelberger (FDP) vorwurfsvoll in Richtung Karliczek. Er warf der Regierung vor, die Empfehlungen der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), weiterhin in Forschung und Innovation zu investieren, um auch künftig die Rolle Deutschlands als führende Wirtschaftsnation zu sichern, weitgehend zu ignorieren.

„Sie werfen ihre strategischen Worthülsen wie tote Katzen über den Zaun und hoffen, dass die sich dann wieder irgendwie berappeln“ – eine durchdachte Strategie und deren Realisierung sähen also anders aus, so Sattelbergers Analyse. Dringenden Handlungsbedarf sah er zum Beispiel bei der nicht nur von der Biotechnologieszene perpetuierend geforderten verbesserten steuerlicher Forschungsförderung.

Aus Sicht von Götz Frömming (AfD) ist die Strategie „kein schlüssiges Programm zur Förderung der Hochtechnologie, sondern eine Anhäufung von wohlklingenden Phrasen und Absichtserklärungen“.

Mit der Strategie werde ideologiegetriebene Gesellschafts- und Umweltpolitik mit dem Ziel der allumfassenden Umgestaltung des Landes betrieben, kritisierte er.

„Kämpfen für die Wissenschaft sieht anders aus“, mahnte Dr. Anna Christmann (Grüne) mehr Engagement Karliczeks an. Die Ministerin sei angesichts einer Erhöhung im Wissenschaftsbereich von jährlich 500 Millionen Euro offenkundig nicht daran interessiert, das 3,5-Prozent-Ziel – 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Investition in Wissenschaft und Forschung – zu erreichen, so Christmann.

Neue Kultur bei Innovation und Forschung gefordert

Petra Sitte (Linke) forderte eine neue Kultur bei Innovation und Forschung. „Es muss multilateral und kooperativ statt rein konkurrierend gedacht werden“, so ihr Plädoyer.

Genau diese Ansätze seien aber in der Hightech-Strategie nicht zu finden. Es sei falsch zu glauben, dass die meisten Probleme auf der Welt technologiegetrieben gelöst werden könnten. Benötigt würden soziale Innovationen.

Ob Präzisionsonkologie oder autonomes Fahren – die Debattenbeiträge offenbarten mal wieder, dass zumindest bei den Dichtern Deutschland noch an der Weltspitze steht.

Wie es bei den (KI-)Denkern in Wissenschaft und Wirtschaft aussieht, das wird sich im harten Wettbewerb zeigen – mit oder ohne Hightech-Strategie 2025.

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