Rhein-Neckar-Kreis
Sprechstunde im Asylheim weckt Argwohn bei Behörden
Ärzte im Rhein-Neckar-Kreis engagieren sich für die aufsuchende Gesundheitsvorsorge in einem Asylbewerberheim. Statt Unterstützung bekommen sie Vorhaltungen der Behörden zu hören. Das Landratsamt stellt sich quer.
Veröffentlicht:SCHWETZINGEN. Eine Initiative des Arbeitskreises Asyl in Schwetzingen, Asylbewerbern einmal wöchentlich eine ärztliche Sprechstunde vor Ort in ihren Gemeinschaftsunterkünften anzubieten, ist bisher am Veto des Landratsamtes des Rhein-Neckar-Kreises (Baden-Württemberg) gescheitert.
Die Behörde begründet ihre Ablehnung vor allem mit hygienischen und räumlichen Problemen. Die Initiatoren und beteiligten Ärzte halten die Argumente für vorgeschoben: Man wolle nicht, dass solche Angebote Schule machten, mutmaßt der baden-württembergische Landtagsabgeordnete der Grünen, Manfred Kern aus Schwetzingen, der das Projekt initiieren will.
Knapp 300 Asylbewerber sind auf einem ehemaligen Kasernengelände drei Kilometer von der Schwetzinger Innenstadt in Containern untergebracht. Um ihnen eine basismedizinische Hilfe anzubieten, hat der dortige Arbeitskreis Asyl niedergelassene Ärzte dafür gewinnen können, einmal wöchentlich eine Sprechstunde in den Asylunterkünften anzubieten. Die ärztlichen Leistungen sollten wie üblich abgerechnet werden.
"Aufsuchende Gesundheitsfürsorge"
Eine kostenlose Probesprechstunde wurde bereits im Februar abgehalten. "Sie wurde sehr gut angenommen", sagt der Internist Dr. Andreas Reinicke der "Ärzte Zeitung" , der mit seiner Kollegin Nicole Neßling vor Ort war.
Es war die typische hausärztliche Klientel, die sich vorstellte, vor allem Patienten beispielsweise mit Infekten oder orthopädischen Problemen.
Aus medizinischen, sozialen und organisatorischen Gründen sieht Reinicke nur Vorteile der "aufsuchenden Gesundheitsfürsorge". Dolmetscher und Sozialarbeiter habe man gleich vor Ort, die Flüchtlinge könnten in ihrem sozialen Umfeld bleiben und müssten nicht in die drei Kilometer entfernte Innenstadt kommen. Es müssten auch keine Fahrdienste und Begleiter organisiert werden.
Nicht zuletzt aus menschlicher Sicht steht der Schwetzinger Arzt hinter diesem Angebot für die Asylbewerber: "Sie haben sich sehr angenommen gefühlt". Weitere Schwetzinger Ärzte unterstützen die Initiative und die Bezirksärztekammer Nordbaden würde das Projekt als zeitlich befristetes Pilotprojekt mit anschließender Evaluation mittragen, hieß es.
Hygienevorschriften nicht erfüllt?
Doch beim Rhein-Neckar-Kreis als zuständiger Behörde stößt das Vorhaben auf erheblichen Widerstand. Es widerspreche der freien Arztwahl, hieß es zunächst.
Außerdem sei kein geeigneter "ungestörter" Raum für die ärztlichen Konsultationen vorhanden und vor allem seien die hygienischen Vorgaben nicht erfüllt, erklärte eine Sprecherin des Landratsamts.
So seien beispielsweise kein Handwaschbecken, Seifenspender und desinfizierbare Oberflächen vorhanden, wie vom Landesgesundheitsamt vorgeschrieben.
Auf Anfrage des Grünen-Abgeordneten Kern relativiert das baden-württembergische Sozialministerium diese Vorschriften für Räume, die nur als ärztliche Sprechzimmer genutzt werden: "Die Räume müssen lediglich einen geschützten Raum für das Arzt-Patienten-Gespräch gewährleisten sowie sauber, gut beleuchtet und belüftet sein. Eine Handwaschgelegenheit sollte sich zumindest in der Nähe befinden. Eine Händedesinfektion hat zwischen den Patientenkontakten jedoch auf jeden Fall stattzufinden", heißt es.
Dies wäre leicht zu realisieren, meinen die Initiatoren. Ein entsprechender Raum sei vorhanden. Die hygienischen Bedingungen seien mit denjenigen bei Hausbesuchen vergleichbar.
Auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" bleibt das Landratsamt weiterhin beim "Nein" zu dem Projekt, doch man bleibe im Gespräch.
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