Bundestag
Sterbehilfe-Debatte gewinnt an Fahrt
Ein Gesetzentwurf aus dem Herbst 2012 befeuert die gerade anlaufende Meinungsbildung im Bundestag. Er setzt auf ein umfassendes Verbot der Sterbehilfe.
Veröffentlicht:BERLIN. Befürworter einer strengen Regelung der Sterbehilfe versuchen, mit einem Gesetzentwurf aus der vergangenen Legislaturperiode die Meinungsbildung zu prägen.
Danach soll nicht nur die gewerbsmäßige Suizidbegleitung, sondern jede Form der "selbstsüchtig motivierten Anstiftung oder Beihilfe sowie die Werbung für Selbsttötungen" mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden können.
Eigentlich haben sich die Regierungsfraktionen darauf verständigt, sich bis zu einem Jahr Zeit zu nehmen, um eine Meinungsbildung im Bundestag zu organisieren.
Mit einem ausformulierten Gesetzentwurf, der aus dem November 2012 stammt, hat der CDU-Abgeordnete Hubert Hüppe Tempo in die Debatte gebracht.
Ursprünglich formuliert hat der frühere Behindertenbeauftragte der Bundesregierung den zwölfseitigen Entwurf als Reaktion auf den als "liberal" geltenden Gesetzentwurf der früheren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).
Ihr Plan, nur die gewerbsmäßige Sterbehilfe zu verbieten, ging Hüppe und anderen Kritikern aus dem konservativen Flügel in der Union nicht weit genug.
Entwurf blieb in Schublade
Weil die frühere schwarz-gelbe Koalition sich nicht einigen konnte und das Gesetzesvorhaben Anfang 2013 auf Eis gelegt wurde, blieb Hüppes "Alternativ-Entwurf" in der Schublade - bis jetzt. Hüppe schlägt vor, jedes organisierte und "auf wiederholte Tatbegehung gerichtete Handeln" in der Suizidbeihilfe strafrechtlich zu erfassen.
Damit soll vermieden werden, dass formal gemeinnützigen "Sterbehilfevereinen" ein "gewerbsmäßiges" Vorgehen in der Regel schwer nachzuweisen sein dürfte. Weiterhin warnt Hüppe, keineswegs jede "normale", nicht gewerbsmäßige Suizidhilfe sei "von Mitleid und Nächstenliebe getragen".
Bestraft werden soll zudem mit bis zu zwei Jahren Haft, wer "öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften Werbung zur Förderung von Selbsttötungen betreibt". Die "allgemeine gesellschaftliche Meinungsbildung" über das Thema Suizidbeihilfe werde von dieser Strafvorschrift nicht erfasst, heißt es.
Mit Blick auf Familienangehörige, Ärzte und Pflegende wird klargestellt: "Die individuelle, einzelfallbezogene und nicht von eigennützigen Erwägungen getragene Mitwirkung an einer Selbsttötung wird nicht kriminalisiert."
Warnung vor Abgrenzungsfragen
Die frühere schwarz-gelb geführte Bundesregierung hatte im Herbst 2012 in ihrem Gesetzentwurf vor weitergehenden Regelungen gewarnt.
Allein die Absicht, auch die auf Wiederholung gerichtete Suizidbeihilfe unter Strafe zu stellen, führe zu schwierigen Abgrenzungsfragen im Hinblick auf weiterhin zulässige Formen der Sterbehilfe: "Etwa wenn eine Ärztin einer Intensiv- oder Schwerstkrankenstation oder ein Hausarzt ausnahmsweise und mehr als einmal eine solche Hilfe anbietet."
Auch der Versuch, nur Vereinigungen die Gewährung von Suizidhilfe zu versagen, wurde im Regierungsentwurf unter Verweis auf mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts abgelehnt: "Denn was dem Einzelnen erlaubt ist, kann dem Verein nicht verboten werden."
Das geplante Gesetz zur Regelung der Sterbehilfe dürfte einmal mehr - ähnlich wie bei der Patientenverfügung - eine Grundsatzdebatte über die Selbstbestimmung des Menschen und ihre Grenzen nach sich ziehen.
Hüppe schlägt in seinem Entwurf schon einmal Pflöcke ein: Es könne "regelmäßig nicht von einem ‚frei verantwortlichen‘ Selbsttötungsentschluss" bei Suizidanten ausgegangen werden, schreibt er.
Aus dem Verfassungsrecht lasse sich kein "Recht auf Selbsttötung" ableiten, die Straflosigkeit des Suizids "bedeutet keine rechtliche Anerkennung".
Selbstbestimmungsrecht als Grundrecht
Ins Rollen gebracht hat die Debatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Er hatte Anfang Januar ein umfassendes Verbot der organisierten Sterbehilfe als Ziel ausgegeben.
Da der Koalitionsvertrag keine Festlegung enthält, war klar, dass ein Gesetzentwurf aus der Mitte des Parlaments kommen muss.
In einem Namensbeitrag für die "Kirchenzeitung des Erzbistums Köln" hat Gröhe seine Auffassung präzisiert. Es geht ihm "nicht um die Stigmatisierung der Selbsttötung".
Das Selbstbestimmungsrecht als Grundrecht mache es möglich, "Maßnahmen zur Verlängerung des Lebens" abzubrechen, "wenn dies dem Willen des Patienten entspricht".
Hingegen führten organisierte Angebote der Selbsttötung "zu einer Bewusstseinsverschiebung in der Bevölkerung über den Wert des Lebens insgesamt", so Gröhe.