Trotz massiver Kritik

Tarifeinheit wird wohl kommen

Handwerklich schlecht gemacht, kaum umsetzbar: Die Kritik am Gesetz zur Tarifeinheit reißt nicht ab. Trotzdem wird es vermutlich verabschiedet werden.

Christiane BadenbergVon Christiane Badenberg Veröffentlicht:
Vor wenigen Wochen haben Mitglieder der Berufsgewerkschaften vor dem Bundeskanzleramt demonstriert.

Vor wenigen Wochen haben Mitglieder der Berufsgewerkschaften vor dem Bundeskanzleramt demonstriert.

© FRM / dpa

BERLIN. Die Zeit für die Gegner der Tarifeinheit drängt. Nach derzeitiger Planung soll das umstrittene Tarifeinheitsgesetz bereits am 1. Juli in Kraft treten.

Die Chance, dass es den Bundestag problemlos passieren wird, ist angesichts der Mehrverhältnisse groß. Vielleicht ist auch das ein Grund, warum sich bei Veranstaltungen zur Tarifeinheit kaum ein Vertreter von SPD oder CDU findet, der das Gesetz verteidigt. Es reicht ja auch so.

Verteidigt wird das Gesetz öffentlich deshalb fast ausnahmslos von der Arbeitgeberseite. So stieg auch beim Hearing "Freie Gewerkschaften oder staatlicher Einheitszwang" des Bündnisses für Koalitionsfreiheit am Donnerstag in Berlin der Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Roland Wolf, als einziger Kämpfer für das Gesetz in den Ring.

Wolf hält das Gesetz für gelungen. Es sei geeignet, die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wiederherzustellen. Diese seien nach den Urteilen aus des Bundesarbeitsgerichtes aus dem Jahr 2010 nicht mehr gewährleistet.

Damals hatten die Richter den Grundsatz "Ein Betrieb - ein Tarifvertrag" gekippt. "Wenn die Gerichtsbarkeit die Befriedungsfunktion nicht mehr erfüllt, muss es eben der Gesetzgeber machen", sagt Wolf.

Nur noch die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern darf verhandeln

Das Gesetz soll helfen, die Zahl der Arbeitskämpfe nicht ausufern zu lassen. Deshalb soll künftig nur noch die Gewerkschaft einen Tarifvertrag abschließen dürfen, die die meisten Mitglieder in einem Betrieb vertritt.

Das hätte unter anderem für den Marburger Bund Konsequenzen, weil er in kaum einer Klinik die Mehrheit der Mitarbeiter vertreten wird.

Kein gutes Haar an dem Gesetzentwurf lässt dagegen der Juraprofessor Matthias Jacobs von der Bucerius Law School in Hamburg. "Der Gesetzentwurf ist schlecht gemacht und in fast jeder Hinsicht verfassungswidrig", lautet sein Fazit.

Um die in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz garantierte Koalitionsfreiheit einschränken zu wollen, müssten belastbare und nachvollziehbare Gründe vorgelegt werden, ist Jacobs überzeugt.

Diese seien aber in der Begründung für das Gesetz nirgendwo zu finden. Horrorszenarien wie ein Tarif- und Arbeitskampfchaos hätten sich in den vergangenen Jahren nicht bewahrheitet.

"Es gibt nicht mehr Arbeitskämpfe, nur die Lautstärke in der über bestimmte Arbeitskämpfe berichtet wird, hat sich verändert", so Jacobs.

Es gebe keine Anzeichen auf eine nicht funktionierende Tarifautonomie, daher sei ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit nicht verhältnismäßig.

MB-Chef bekämpft Pläne

Auch wenn Rudolf Henke als CDU-Bundestagsabgeordneter der großen Koalition angehört, bekämpft er als Vorsitzender des Marburger Bundes doch mit allen Mitteln das Gesetzesvorhaben aus dem Bundesarbeitsministerium.

"Wir würden als MB gerne einen Tarifvertrag für alle Ärzte abschließen", sagte Henke, "aber wir als kleine Gewerkschaft schließen 167 verschiedene Verträge, weil die Arbeitgeber sich auf die Tarifpluralität beziehen und gesonderte Verträge wünschen. Warum gibt es dann nicht auch ein Tarifeinheitsgesetz für die Arbeitgeber?", fragte er.

Er wolle das nicht, aber erstaunlich sei eine solches Unverhältnis schon.

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