Apotheken

Teurer Schlussstrich unter Versandhandelsdebatte

Gesundheitsminister Spahn will Rx-Boni ausländischer Versandapotheken deckeln. Zugleich verspricht er inländischen Stationär-Apotheken mehr Geld. Die ABDA-Spitze signalisiert Aufgeschlossenheit.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet und Christoph WinnatChristoph Winnat Veröffentlicht:
Konfektionierung bei DocMorris. Der Marktführer muss nun wohl kein Verbot des Versands rezeptpflichtiger Produkte nach Deutschland mehr fürchten.

Konfektionierung bei DocMorris. Der Marktführer muss nun wohl kein Verbot des Versands rezeptpflichtiger Produkte nach Deutschland mehr fürchten.

© DocMorris / Tobias Zeit

BERLIN. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Vor-Ort-Apotheken stärken und sagt ihnen eine höhere Vergütung für Nacht- und Notdienste sowie für Beratungs- und Präventionsleistungen zu; insgesamt sind wenigstens 360 Millionen Euro mehr Geld im Gespräch.

Zugleich lässt Spahn das von seinem Vorgänger Hermann Gröhe, und im Koalitionsvertrag auch für diese Legislatur noch intendierte Vorhaben fallen, den seit 2004 in Deutschland möglichen Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln zu verbieten.

Spahn begründet seinen Rückzug mit europarechtlichen Unwägbarkeiten. Deutschland hätte im Falle eines Rx-Versandverbots damit rechnen müssen, von der EU-Kommission beim Europäischen Gerichtshof verklagt zu werden und den Prozess schlussendlich auch zu verlieren.

Keine Impfung in Apotheken

Die kräftige Finanzspritze für die inländischen Stationär-Apotheken will Spahn jedoch nicht als bloßes Trostpflaster verstanden wissen. Vielmehr sehe sich die Bundesregierung zur Unterstützung der Vor-Ort-Apotheken verpflichtet, so Spahn am Dienstag im Anschluss an die Mitgliederversammlung des Apothekerdachverbands ABDA.

Konkret geplant ist, die Vergütung von Apotheken-Nacht- und Notdiensten zu verdoppeln, wofür 120 Millionen Euro zusätzliches Honorar fällig würden. Zudem sollen Apotheker neue Beratungs- und Präventionsleistungen bezahlt bekommen, etwa zur Arzneimitteltherapiesicherheit. Hierfür bietet Spahn 240 Millionen Euro an.

Auch für besonderen Aufwand bei der Abgabe von Betäubungsmitteln könnte es eine Honorarerhöhung geben. Vom Impfen in der Apotheke – wie vor Wochen beim Apothekertag noch in Aussicht gestellt – sei der Gesundheitsminister aber inzwischen wieder abgerückt, heißt es.

Ausländische Versender sollen ihren Kunden einen Bonus von höchstens 2,50 Euro je Packung gewähren dürfen. Spahn: „Der Versandhandel soll eine Ausnahme bleiben.“

Darum denke er auch an einen maximalen Marktanteil von fünf Prozent für Versandapotheken, bei einer Überschreitung könnte die Obergrenze der zulässigen Boni abgesenkt werden. Ausgearbeitet werden sollen diese Pläne Anfang kommenden Jahres.

Versandhandel müsse begrenzt bleiben

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt sicherte zu, sich „konstruktiv mit den Vorschlägen auseinandersetzen“ zu wollen. Der Versandhandel müsse auf ein „erträgliches Ausmaß“ begrenzt bleiben.

Allerdings stellten auch die versprochenen neuen Dienstleistungen für Apotheker eine große Chance dar. Eine genauere Positionierung wird die Standesvertretung voraussichtlich erst bei der nächsten Mitgliederversammlung am 17. Januar vornehmen.

Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands, kommentierte, es sei ein „gutes Signal für den Digitalstandort Deutschland, dass das Versandhandelsverbot für Medikamente endlich vom Tisch ist“. Mit der Erhöhung des Apothekerhonorars ist Lanz weniger einverstanden.

„Wir wollen nicht, dass jetzt alte Apothekenstrukturen durch zusätzliche Gelder aus den Portemonnaies der Beitragszahler alimentiert werden.“ Mehr Geld, so der Verbandssprecher weiter, dürfe es für die Pharmazeuten nur geben, „wenn die Versicherten dafür auch sinnvolle neue Leistungen erhalten“.

„Beispiel für Politikversagen“

Lob ernteten Spahns Ankündigungen von der Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche. „Endlich lässt die Union vom rechtlich aussichtslosen Versandhandelsverbot verschreibungspflichtiger Arzneimittel ab.“ Obgleich inhaltlich richtig, sei die Entscheidung aber auch ein „erneutes Beispiel für Politikversagen innerhalb der Union“, so die Fraktionssprecherin für Alten- und Pflegepolitik.

In etlichen Wahlkämpfen hätten CDU und CSU erst Stimmung für das Versandverbot gemacht. „Die Begrenzung der Boni hatten wir bereits vor zwei Jahren, kurz nachdem das EuGH-Urteil zur Apothekenpreisbindung einschlug, als rechtssichere Alternative zum Verbot des Versandhandels vorgeschlagen.“

An den geplanten Mehrausgaben stört Schulz-Asche, dass sie von der Notwendigkeit einer strukturpolitisch motivierten Neuordnung des Apothekenhonorars ablenken. „Anstatt Reformen bei der Vergütung anzugehen, will die Regierung Problemstellen mit Geld zuschütten.“

„Scheinlösung“

Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) begrüßt, „dass Bundesgesundheitsminister Spahn der Debatte um das Rx-Versandverbot ein Ende setzt“. Der Schlussstrich sei überfällig, heißt es.

Nach Ansicht Christoph Wenk-Fischers, Hauptgeschäftsführer des bevh, widerspricht jedoch auch die Beschränkung der Möglichkeit, Rabatte im Rezeptgeschäft gewähren zu dürfen, auf EU-Versender noch europäischem Recht.

Wenk-Fischer: „Solche Scheinlösungen gefährden Versorgungssicherheit, verlagern Arbeitsplätze ins Ausland und dienen einzig dem Zweck, eine veränderungsunwillige Apothekerlobby ruhig zu stellen“.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Zeit gewonnen

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