Präventionsgesetz
Umsetzung oft unklar
Ab 2016 sind die Kassen dazu verpflichtet, mehr als doppelt so viel wie bisher für Prävention auszugeben. Doch wie das Gesetz mit Leben gefüllt werden soll, ist für viele Akteure noch unklar.
Veröffentlicht:MAINZ. Am 25. Juli 2015 ist das Präventionsgesetz in Kraft getreten - wesentliche Teile sollen zu Beginn des neuen Jahres schon wirksam werden, dennoch gibt es viele Fragen.
Ende Oktober hat sich in Berlin die Nationale Präventionskonferenz (NPK) als Arbeitsgemeinschaft der gesetzlichen Spitzenorganisationen von Kranken-, Unfall-, Renten- und Pflegeversicherung konstituiert, die bis zum 31. Dezember dieses Jahres eine Nationale Präventionsstrategie aufsetzen und alle vier Jahre einen Präventionsbericht vorlegen soll.
Bei denen, die das neue Gesetz letztlich umsetzen sollen, herrscht Verunsicherung. Um den aktuellen Stand und die Richtung zu bestimmen, haben sich Experten und Akteure des Gesundheitswesens zu einer Fachtagung getroffen.
Unter dem Titel "Quo vadis, Gesundheitsförderung und Prävention?" diskutierten sie auf Einladung der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz (LZG) und des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie (MSAGD) in Mainz.
Dabei wurde deutlich, dass Kommunen unverzichtbare Partner bei der Umsetzung sein werden, denn sie unterhalten schon jetzt Einrichtungen und Projekte, deren Angebote ausgeweitet oder ergänzt ergänzt werden können. Lebenswelten wie Schulen, Kindertagesstätten oder Betriebe hatten auch Union und SPD im Blick, als sie das Gesetz auf den Weg brachten.
Erfahrungswerte vorhanden
"Wir arbeiten auch jetzt schon eng mit den Kommunen zusammen und haben uns ein Netzwerk aufgebaut", sagte Dr. Matthias Krell, Geschäftsführer der LZG Rheinland-Pfalz. Deshalb gebe es bereits laufende Projekte und Erfahrungswerte, auf die man bei der Ausgestaltung zurückgreifen könne - gerne teile die LZG ihr Wissen.
Er erinnerte daran, dass die Prävention nicht erst mit dem Gesetz anfange: Die Landeszentrale sei bereits seit 40 Jahren aktiv, insbesondere in den Themenfeldern Bewegungsförderung und gesunde Ernährung, Suchtprävention und Wohnberatung.
Über den Beitrag der Krankenkassen und Wege zur Umsetzung sprach Professor Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes. Als Zahler sitzen die gesetzlichen Kassen am Drücker: Insgesamt sollen sie vom kommenden Jahr an sieben Euro statt bislang 3,09 Euro pro Versichertem und Jahr für Gesundheitsförderung ausgeben.
Die Kassen stünden dabei vor einem Dilemma, da es für sie kaum Anreize gebe, so Rosenbrock: die Werbewirkung durch Prävention halte sich in Grenzen und die Wirksamkeit der Präventionsprojekte sei kaum nachweisbar.
Rosenbrock warnte davor, dass Kassen ihre eigenen Interessen durchsetzen und sich nur für sozial starke und deshalb vermeintlich gesunde Menschen interessieren könnten: "Wenn hinter all dem das Bedürfnis steht, mit Prävention neue Mitglieder zu werben, kommen vielleicht nicht die Kitas an die Reihe, die in sozial benachteiligten Stadtteilen liegen", gab er zu bedenken.
Rosenbrock betonte, alle 60.000 Kitas und 40.000 Schulen in Deutschland müssten mitgenommen werden - "doch wie das gelingen soll, ist noch offen."
Dr. Frank Lehmann, bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zuständig für die gesundheitliche Chancengleichheit, forderte, Prävention dürfe nicht am Kita-Ausgang enden.
"Die Projekte müssen auch die Familien erreichen, denn wenn das Kind heimkommt und die Probleme fangen erst an, machen die ganzen Bemühungen keinen Sinn", sagte Lehmann.
Die Kommune sei gefordert, die Aktivitäten zu koordinieren. Zielgruppe, die es zu erreichen gelte, seien werdende Eltern und junge Familien, Alleinerziehende, ältere und alte Menschen sowie Arbeitslose.
Wille des Adressaten wesentlich
Eine Umfrage unter Akteuren aus Prävention und Gesundheitsförderung stellten Helmut Hafemann von der LZG und Oliver Dick vom Institut für sozialpädagogische Forschung Mainz vor.
Sie haben 360 Mitarbeiter aus Gesundheits- und Jugendämtern, Sozialdezernaten, Mehrgenerationenhäusern, Familienbildungsstätten, Volkshochschulen und anderen Einrichtungen per E-Mail befragt, wie sie Qualität von Präventionsprojekten, ihre Umsetzung und Evaluation in ihrer Einrichtung einschätzen.
Dabei gaben nur 37 Prozent an, bei der Planung von Projekten werde die jeweilige Zielgruppe zuvor befragt.
Geht es nach Professor Oliver Fehren von der Alice Salomon Hochschule Berlin, ist dies der falsche Weg: Er stellte Konzepte der Sozialarbeit vor, die auf Prävention übertragen werden könnten.
Als wichtigste Voraussetzung bezeichnete Fehren, dass sich das Präventionsprojekt an den Interessen des Adressaten orientieren müsse.