Erschwerniszulage für Landärzte
Uneinigkeit über Rats-Vorschläge
Der Sachverständigenrat hat eine massive Förderung von Hausärzten in schlecht versorgten Regionen empfohlen. In Kiel fielen die Reaktionen von Ärzten gemischt aus.
Veröffentlicht:KIEL. Mit einer gehörigen Portion Skepsis begegnen die schleswig-holsteinischen Ärzte den Vorschlägen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR).
Besonders der Vorschlag, einen Landarztzuschlag aus der ärztlichen Gesamtvergütung zu zahlen, stößt bei ihnen auf wenig Gegenliebe.
"Wir haben keine Zeit. Abwarten ist keine Option", sagte der Vorsitzende des SVR, Professor Ferdinand Gerlach, auf dem Parlamentarischen Abend der KV Schleswig-Holstein (KVSH).
Er stellte vor Politikern und Ärzten in Kiel vor, was das Gremium zum Abbau von Unter- und Überversorgung empfiehlt und machte deutlich, wie prekär die Situation ist.
Immer mehr Ärzte drängen in Spezialfächer
Er verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass immer mehr Ärzte in die Spezialfächer drängen. 1993 seien noch 60 Prozent der Ärzte in Deutschland allgemeinmedizinisch tätig gewesen, 2012 nur noch 46 Prozent.
Inzwischen streben noch weniger Nachwuchsärzte in die Allgemeinmedizin. Ein Gesundheitssystem aber, in dem nur noch wenige Hausärzte tätig sind, ist weder organisierbar, noch finanzierbar, wie Gerlach deutlich machte.
Erforderlich sind aus seiner Sicht stärkere Anreize für die Tätigkeit im ländlichen Raum und zugleich entschlossene Maßnahmen zum Abbau der bestehenden Überversorgung in Metropolen.
Konkret empfiehlt der SVR einen bis zu 50-prozentigen Honorarzuschlag für Hausärzte in Regionen mit weniger als 90 Prozent Versorgungsgrad und für Fachärzte in Regionen mit weniger als 75 Prozent Versorgungsgrad.
Bezahlt werden sollte dies aus der Gesamtvergütung aller Ärzte. Eine vergleichbare "Erschwerniszulage" gibt es etwa in Österreich.
Die vom SVR empfohlene Maßnahme setzt für Gerlach auf marktwirtschaftlichen Prinzipien: Das Gut Landärzte wird knapp, also muss der Preis ihrer Leistung steigen.
Derzeit würden nach seinen Angaben 106 der 883 hausärztlichen Planungsbereiche, also zwölf Prozent, davon profitieren. In ihnen praktizieren vier Prozent der Vertragsärzte, für die der Rest den Zuschlag finanzieren müsste.
Kein Grund für Honorarängste
"Das ist sicherlich kein Grund für Honorarängste. Man könnte es sogar einfach bei der nächsten Honoraranhebung mit einpreisen, ohne dass jemand Honorarkürzungen hinnehmen müsste", sagte Gerlach.
Die Ärzte im Norden waren in ihrer Einschätzung zu den SVR-Empfehlungen unterschiedlicher Auffassung. Teils empört wiesen sie die Finanzierung der Erschwerniszulage aus der Gesamtvergütung zurück.
"15 Jahre Kostendämpfung und Vergrämungspolitik können nicht auch noch von den Ärzten bezahlt werden", sagte etwa Psychotherapeut Dr. Uwe Bannert. Als "weit von der Realität entfernt" empfand Augenarzt Dr. Bernhard Bambas die Empfehlungen.
Lob gab es dagegen von Landarzt Björn Steffensen und vom hausärztlichen Koordinator des Kreises Dithmarschen, Harald Stender.
In den vom SVR vorgeschlagenen lokalen Arztzentren sieht er viele Parallelen zu den an der Westküste geplanten Kommunalen Gesundheitszentren in Trägerschaft von Gemeinden.
Schleswig-Holsteins KV-Chefin Dr. Monika Schliffke erschienen die SVR-Vorschläge zu zentralistisch und dirigistisch.
Gerlach aber gab den Kritikern zu bedenken: "Was machen Sie, wenn die Versorgung zusammenbricht? Dann haben Sie keine Antwort."